Halbzwei
8. Frei¬
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der Klage
R. Pollini eine Ehrenerklärung abzu¬
geben. — Mit vorzüglicher Hochachtung Anton Smital.
* Aus Berlin wird uns telegraphirt: Das Schauspiel
„Freiwild von Arthur Schnitzler errang heute im
Deutschen Theater einen vollen, durchschlagenden Erfolg. Das
Publicum folgte dem Stücke, dessen Inhalt an den Fall
Brüsewitz erinnert, mit von Act zu Act steigendem
Interesse. Die männlichen Rollen wurden meisterhaft gespielt,
Schnitzler nach jedem Act wiederholt gerufen. Besonders
wohlthuend wirkte die Objectivität, mit der die verschiedenen
Militär= und Civilistenstandpunkte zur Duellfrage be¬
handelt sind.
Der Director des Stadttheaters in Cöln, Herrn Julius
bemerkte, daß eine andere als die gewohnliche Lichtquelle der, daß
Roth
vorhanden war.
* Aus Berlin wird uns telegraphirt Arthur gleich
stellung
Schnitzlers dreiactiges Schauspiel „Freiwild
öffent¬
fand bei der heutigen Erstaufführung im Deutschen
Theater großen Beifall, der nur wegen des peinlichen
Schlusses von einem kleinen Theile des Publicums
bestritten wurde. Trotzdem konnte der Autor auch
nach diesem, wie nach beiden vorhergehenden Acten
wiederholt vor der Rampe erscheinen. „Freiwild be¬
handelt einen ähnlichen Ehrenconflict, wie Sudermann's
„Fritzchen", nur daß hier der Beleidiger — ein
Bürgerlicher — dem gezüchtigten Officier die Satis¬
faction verweigert und ihn vor die Alternative stellt,
zu quittiren oder den Gegner à la Brüsewitz zu
behandeln. Der Officier erschießt demnach seinen
Parallel
Gegner coram publico.
Das erste Concert
in dieser Saison hat gestern Abends stattgefunden. Leider
ei nur zu Hälfte Herr August Strada der best¬
De notre correspondant de Bern:
« Freiwild, de Arthur Schnitzler, a eu un
très grand succès au Deutsches Theater
L'auteur abordait, dans cette pièce, la ques¬
tion du duel et l’on n’a pas manqué d'y voir et
d'y souligner des allusions à la malheureuse
affaire von Brusewitz. Il a su, d’ailleurs,
montrer avec tant d'habileté le pour et le
contre dans la question que les partisans du
duel, aussi bien que ses adversaires, l'ont ap¬
plaudi. M. Schnitzler est Viennois et auteur
d'une pièce intitulée Libelei, qui a été fort
appréciée dans le temps. Il me paraît avoir
plus de dextérité que de puissance dramati¬
que.
Freiwild.
Schauspiel in 3 Akten von Arthur Schnitzler.
Berlin, 4. Nov. Der junge Arzt, der mit
so viel Kühnheit als Erfolg den Sprung aus der
Klinik in die Literatur gethan und im vorigen Jahr
mit dem Drama „Liebelei“ einen sensationellen Ein¬
druck machte, hat gestern im Deutschen Theater mit
seinem neuen Stücke „Freiwild“ wiederum starke
Wirkung geübt, unseres Erachtens mehr durch vir¬
tuose Kunst als durch groß gestaltenden Dichtergeist.
Er behandelt die Duellfrage in neuer Umgebung,
auf österreichischem Boden, und bewährt hier ein glän¬
zendes Talent geistreicher satirischer Schilderung. Aber
er behandelt die Frage auch von neuem Gesichtspunkte
und hier zeigt er sich weniger glücklich. Sein Held,
der wohlhabende junge Privatmann Paul Rönning
liebt die Schauspielerin Anna Riedel des Sommer¬
theaters in einem Badeorte in der Nähe von Wien.
Sie ist ein armes ehrenfestes Mädchen, welches sich
gründlich von ihren leichtlebigen Genossinnen, die
gleichzeitig mit den Kollegen tändeln und mit den
Offizieren soupiren, unterscheidet. Einer von diesen,
ein vor dem Ruin stehender Lebemann, Oberlieutenant
Karinski, will das ehrbare Mädchen, mit der er
glaubt wie mit anderen Mädchen ihrer Klasse um¬
springen zu können, um jeden Preis gewinnen, wettet
auf ihre Gunst und stößt, als er, von ihr abge¬
wiesen, seine Champagnerwette verliert, in Gegen¬
wart ihres bürgerlichen Verehrers ein Schimpfwort
gegen sie aus. Die Beschimpfung des Mädchens
hören und dem Offizier eine Ohrfeige ver¬
setzen, ist für Rönning Eins. Aber nicht so
rasch ist er mit der von den Zeugen des Offiziers
geforderten Sühne mit den Waffen. Er schlägt
die Forderung aus, weil er für die Züchtigung, die
er einem Buben ertheilt, nicht sein Leben wegwerfen
bewolle. Seine Freunde werden an ihm, der sich so
unerwartet mit den Forderungen der Gesellschaft in
Widerspruch setzt, irre, allein er bleibt bei seiner
Weigerung. Das geliebte Mädchen, das erschreckt
von der That vernommen, erfährt mit Genugthuung
von seiner Weigerung, sich zu schlagen, und Beide
wollen nach Wien zurückkehren, als einer der militä¬
rischen Zeugen des Gegners nochmals erscheint, um
ihm vorzuhalten, daß mit seiner Verweigerung des
Duells der Ruin des Anderen verbunden sei, und
dem jungen Manne — für einen Offizier höchst un¬
wahrscheinlich! — vorschlägt, sich zum Scheine zu
schlagen. Auch Dieß verweigert Rönning, dem gegen¬
über Freund und Gegner bisher nicht von Ehre,
sondern bloß von Muth gesprochen, und trotzt der
Möglichkeit, dem tödlich beschimpften Gegner in
den Weg zu kommen; dieser sucht den jungen
Menschen denn in der That auf, und als ihm dieser
bei der ersten Begegnung wieder Genugthuung ver¬
weigert, schießt er ihn in Gegenwart der Braut ein¬
fach nieder.
So drastisch und packend Entwicklung und Aus¬
gang sind, so zweifelhaft erscheinen Motive und
Verhalten des Helden. So kann doch nicht die
Gegnerschaft gegen das Duell begründet werden, daß
dem Einzelnen das Recht gewährt wird, sich für Be¬
schimpfungen mit der Faust Genugthuung zu ver¬
schaffen und dann Anderen den gleichen Weg abzu¬
schneiden! Der Dichter selbst bleibt auch scheinbar
ganz objektiv und zieht die volle Konsequenz aus
seinen Prämissen. Allein, was damit gewonnen
wird, ist nicht zu ersehen, wenngleich der Fall Brüse¬
witz, trotzdem er ganz anders liegt, dem Drama das
aktuellste Interesse sicherte. Prächtig ist dagegen die
Schilderung der Verhältnisse der kleinen Badebühne
mit ihren lockeren Mädchen, dem schuftigen Direktor
und ein Paar anderen Typen auf der einen sowie
die derbe Charakterisirung der militärischen Lebe¬
männer, die durch vorzügliche, das österreichische
Kolorit meist trefflich wiedergebende Darstellung sehr
gehoben wurde. Der Dichter wurde nach jedem Ab¬
wiederholt zum Schluß unter Widerspruch ge¬
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der Klage
R. Pollini eine Ehrenerklärung abzu¬
geben. — Mit vorzüglicher Hochachtung Anton Smital.
* Aus Berlin wird uns telegraphirt: Das Schauspiel
„Freiwild von Arthur Schnitzler errang heute im
Deutschen Theater einen vollen, durchschlagenden Erfolg. Das
Publicum folgte dem Stücke, dessen Inhalt an den Fall
Brüsewitz erinnert, mit von Act zu Act steigendem
Interesse. Die männlichen Rollen wurden meisterhaft gespielt,
Schnitzler nach jedem Act wiederholt gerufen. Besonders
wohlthuend wirkte die Objectivität, mit der die verschiedenen
Militär= und Civilistenstandpunkte zur Duellfrage be¬
handelt sind.
Der Director des Stadttheaters in Cöln, Herrn Julius
bemerkte, daß eine andere als die gewohnliche Lichtquelle der, daß
Roth
vorhanden war.
* Aus Berlin wird uns telegraphirt Arthur gleich
stellung
Schnitzlers dreiactiges Schauspiel „Freiwild
öffent¬
fand bei der heutigen Erstaufführung im Deutschen
Theater großen Beifall, der nur wegen des peinlichen
Schlusses von einem kleinen Theile des Publicums
bestritten wurde. Trotzdem konnte der Autor auch
nach diesem, wie nach beiden vorhergehenden Acten
wiederholt vor der Rampe erscheinen. „Freiwild be¬
handelt einen ähnlichen Ehrenconflict, wie Sudermann's
„Fritzchen", nur daß hier der Beleidiger — ein
Bürgerlicher — dem gezüchtigten Officier die Satis¬
faction verweigert und ihn vor die Alternative stellt,
zu quittiren oder den Gegner à la Brüsewitz zu
behandeln. Der Officier erschießt demnach seinen
Parallel
Gegner coram publico.
Das erste Concert
in dieser Saison hat gestern Abends stattgefunden. Leider
ei nur zu Hälfte Herr August Strada der best¬
De notre correspondant de Bern:
« Freiwild, de Arthur Schnitzler, a eu un
très grand succès au Deutsches Theater
L'auteur abordait, dans cette pièce, la ques¬
tion du duel et l’on n’a pas manqué d'y voir et
d'y souligner des allusions à la malheureuse
affaire von Brusewitz. Il a su, d’ailleurs,
montrer avec tant d'habileté le pour et le
contre dans la question que les partisans du
duel, aussi bien que ses adversaires, l'ont ap¬
plaudi. M. Schnitzler est Viennois et auteur
d'une pièce intitulée Libelei, qui a été fort
appréciée dans le temps. Il me paraît avoir
plus de dextérité que de puissance dramati¬
que.
Freiwild.
Schauspiel in 3 Akten von Arthur Schnitzler.
Berlin, 4. Nov. Der junge Arzt, der mit
so viel Kühnheit als Erfolg den Sprung aus der
Klinik in die Literatur gethan und im vorigen Jahr
mit dem Drama „Liebelei“ einen sensationellen Ein¬
druck machte, hat gestern im Deutschen Theater mit
seinem neuen Stücke „Freiwild“ wiederum starke
Wirkung geübt, unseres Erachtens mehr durch vir¬
tuose Kunst als durch groß gestaltenden Dichtergeist.
Er behandelt die Duellfrage in neuer Umgebung,
auf österreichischem Boden, und bewährt hier ein glän¬
zendes Talent geistreicher satirischer Schilderung. Aber
er behandelt die Frage auch von neuem Gesichtspunkte
und hier zeigt er sich weniger glücklich. Sein Held,
der wohlhabende junge Privatmann Paul Rönning
liebt die Schauspielerin Anna Riedel des Sommer¬
theaters in einem Badeorte in der Nähe von Wien.
Sie ist ein armes ehrenfestes Mädchen, welches sich
gründlich von ihren leichtlebigen Genossinnen, die
gleichzeitig mit den Kollegen tändeln und mit den
Offizieren soupiren, unterscheidet. Einer von diesen,
ein vor dem Ruin stehender Lebemann, Oberlieutenant
Karinski, will das ehrbare Mädchen, mit der er
glaubt wie mit anderen Mädchen ihrer Klasse um¬
springen zu können, um jeden Preis gewinnen, wettet
auf ihre Gunst und stößt, als er, von ihr abge¬
wiesen, seine Champagnerwette verliert, in Gegen¬
wart ihres bürgerlichen Verehrers ein Schimpfwort
gegen sie aus. Die Beschimpfung des Mädchens
hören und dem Offizier eine Ohrfeige ver¬
setzen, ist für Rönning Eins. Aber nicht so
rasch ist er mit der von den Zeugen des Offiziers
geforderten Sühne mit den Waffen. Er schlägt
die Forderung aus, weil er für die Züchtigung, die
er einem Buben ertheilt, nicht sein Leben wegwerfen
bewolle. Seine Freunde werden an ihm, der sich so
unerwartet mit den Forderungen der Gesellschaft in
Widerspruch setzt, irre, allein er bleibt bei seiner
Weigerung. Das geliebte Mädchen, das erschreckt
von der That vernommen, erfährt mit Genugthuung
von seiner Weigerung, sich zu schlagen, und Beide
wollen nach Wien zurückkehren, als einer der militä¬
rischen Zeugen des Gegners nochmals erscheint, um
ihm vorzuhalten, daß mit seiner Verweigerung des
Duells der Ruin des Anderen verbunden sei, und
dem jungen Manne — für einen Offizier höchst un¬
wahrscheinlich! — vorschlägt, sich zum Scheine zu
schlagen. Auch Dieß verweigert Rönning, dem gegen¬
über Freund und Gegner bisher nicht von Ehre,
sondern bloß von Muth gesprochen, und trotzt der
Möglichkeit, dem tödlich beschimpften Gegner in
den Weg zu kommen; dieser sucht den jungen
Menschen denn in der That auf, und als ihm dieser
bei der ersten Begegnung wieder Genugthuung ver¬
weigert, schießt er ihn in Gegenwart der Braut ein¬
fach nieder.
So drastisch und packend Entwicklung und Aus¬
gang sind, so zweifelhaft erscheinen Motive und
Verhalten des Helden. So kann doch nicht die
Gegnerschaft gegen das Duell begründet werden, daß
dem Einzelnen das Recht gewährt wird, sich für Be¬
schimpfungen mit der Faust Genugthuung zu ver¬
schaffen und dann Anderen den gleichen Weg abzu¬
schneiden! Der Dichter selbst bleibt auch scheinbar
ganz objektiv und zieht die volle Konsequenz aus
seinen Prämissen. Allein, was damit gewonnen
wird, ist nicht zu ersehen, wenngleich der Fall Brüse¬
witz, trotzdem er ganz anders liegt, dem Drama das
aktuellste Interesse sicherte. Prächtig ist dagegen die
Schilderung der Verhältnisse der kleinen Badebühne
mit ihren lockeren Mädchen, dem schuftigen Direktor
und ein Paar anderen Typen auf der einen sowie
die derbe Charakterisirung der militärischen Lebe¬
männer, die durch vorzügliche, das österreichische
Kolorit meist trefflich wiedergebende Darstellung sehr
gehoben wurde. Der Dichter wurde nach jedem Ab¬
wiederholt zum Schluß unter Widerspruch ge¬