II, Theaterstücke 8, Freiwild. Schauspiel in 3 Akten, Seite 152

8.
Freiwild
box 14/3
Beschluß dieses Bezirkslehrervereins zeige deutsch,
Gesundheitszustand begründer
haben eine Giltigkeitsdauer von 20 Tagen und bered
daß die Lehrerschaft die Worte des Herrn
Centrumspresse. Herr Arthur Schmitz, Re
tigen zur je dreimaligen Fahrtunterbrechung auf
Kultusministers, die derselbe in der letzten Landtags¬
dakteur der „Germania", wird sich zum 1. April
Hin= und Rückfahrt sowie zum einmaligen freien Besuch
session gesprochen, bereits wieder vollständig ver¬
nach Rom begeben, um eine allgemeine „Römische
der Kunst= und Gartenbau=Ausstellung. Der Preis de
gessen hat
Centrums-Korrespondenz" zu begründen.
selben beträgt einschließlich der Stempelgebühr 45 Li
Arthur Schnitzler hat schon in der „Liebelei
die „fixe Idee" seines Gegners von Ehre nicht — un
„Freiwild
gezeigt, welch ernste Gedanken er durch Bilder aus
er bleibt bei seinem „Nein" gegenüber den herzlich
Schauspiel in 3 Akten von Arthur Schnitzler
unserm modernen Sitten= und Gesellschaftsleben wach¬
Bitten des Offiziers, der nun zu Ende ist und in
zurufen versteht. „So weit kommt's": das ist
Deutsches Theater, 14. Januar.
einer bedeutungsvollen Warnung scheidet; denn er we¬
das traurige und doch wieder klärende Ergebniß dieser
mr. Wir sind ein großer Verehrer der Autorität
welches Blut in dem Kameraden fließt, und was
Die vernünftig und mit liebendem Ernste geübt
ernsten Gedanken. „Freiwild“ ist nach dieser
Zwang der Ehre gebietet. Wohin sich Roennin
Autorität findet uns stets auf ihrer Seite. Von der
Nichtung hin ein bedeutsames Werk Was wenden wird, überall folgt ihm der seine Ehre ve
Polizei erwarten wir Vernunft und Ernst, — „Liebe
es wiederspiegelt? Eine „einfache Geschichte. Da ist
lierende Offizier: und im Café-Garten — eben wi
in kleinerer Stadt bei Wien ein flottes Offizierkorps,
steht ja nicht in ihrem amtlichen Lexikon. Nun ist be¬
das liebende Paar sich zur Abreise rüsten — erfolgt
uns die Polizei auch Censurbehörde. Sie muß also
untermischt mit leichtlebigen und ernstem Element, in
Begegnung. Noch eine Aufforderung von Seitend
seinen Reihen ein schneidiger, dem Spiele und der Lieb¬
mit ihrer geistigen Thätigkeit der Kritik offen
Offiziers: Roenning, wollen Sie sich mit mir schlagen
stehen. Die Polizei in Wien hat Arthur
huldigender Oberlieutenant, mit hartem Kopf in all
Und ein hartes „Nein“ vom Gegner. Da kracht
Schnitzlers „Freiwild sofort verboten
seinen Wünschen, von seiner Ehre Alles, vom Weibe
Schuß. Roenning ist todt. Anna aber, die in
und „ganz Oesterreich" nickte hiezu Beifall
besonders dem der Bühne in allen Gestalten, nichts
Welt ziehen soll, hat nur eine — eine erschütternde
natürlich meinen wir alle Polizeien im Bruder¬
haltend; da ist ein junges, in Ehrbarkeit erzogene¬
Frage: „Wohin?"
lande. Bei uns hat die Polizei keine Todesangst vor
Mädchen, das um des Brodes willen zur Bühne gin
Das nur in groben Strichen der Thatbestan
dem Stück bekommen: sie war entschieden weitherziger und in einer sommerlichen „Schmiere" jene nied
des Stückes, das überreich ist an Charakter
und ließ es passiren. Natürlich mit etwas Kritik. Und
rige Theaterlust athmen soll, die ihre Selbstachtung und durchaus wahr in jedem kleinsten Zuge aus de
diese Kritik — ja gewiß mit anzuerkennender Noblesse
gefährdet; sie ist besser wie die Andern modernen Leben, niemals abstoßend durch absichtli¬
geübte — hat uns etwas beunruhigt. Wenn z. B. ein
und darum wird sie verhöhnt, gehetzt,
Schlüpfrigkeiten, das aus dem Kreise des Offizie
Offizier über die Theaterleute, diese „Parias der als „unbrauchbar für die Anziehungskraft des
standes wie aus jenem des Bürgerthums
Gesellschaft“, unfläthig spricht, so läßt die Censur es
Theaters entlassen, falls sie, die der Kritik verschiedenwerthigsten Elemente vorführt und Licht
durchgehen; der Offizier darf die um ihre moralische
gefiel, nicht mit der halben Gage oder der
Schatten richtig vertheilt. Bürgerthum, Soldatenth.
Achtung noch ringende Schauspielerin ein M
und — eine köstliche Einlage! — „Schmierenthun
Freundschaft des „Direktors“ sich begnügen will; da
nennen, wenn ihm dann aber der ehrlich für die ist auch ein achtbarer Mann aus dem reichen Bürger¬
mit ihren recht verschiedenen Ehrencodices grei¬
Beschimpfte eintretende Civilist eine Ohrfeige versetzt
stande, der das verlorene, verwaiste Mädchen im elter
ineinander und illustriren unsere Zeit mit verblüffen
so muß diese Ohrfeige gestrichen werden. Warum
lichen Hause einst kennen lernte und nun ohne jede Wahrheit.
— Solche höchst auffallende Urtheile sind uns mehrere
Nebenabsicht, aber mit warmer Theilnahme ihren Flug
Nach Tagen eines närischen Zustandes, unwür¬
begegnet. Mit der Zensur läßt das Stück die Frage
ins Leben verfolgt. Dieses reine Mädchen glaubt der
einer Bühne, die der Kunst und nicht dem Sinne
übrig: Kann nur der gewöhnliche Mann ordinär
Offizier mürbe zu machen, dieses will er zum Spiel
rausch der Karnevalsorgien dienen soll. hat gestern
reden und ist das Ordinäre, das der Offizier ausspricht
Deutsche Theater einen in seiner Geschichte beispie
zeuge wie so viele anderen — und hier prallte
vielleicht nicht ordinär? Wir stehen hier auf den ab und den in einem Cafegarten anwesenden, übe
losen Erfolg gehabt. Das Stück und die ga
Standpunkt: entweder das Stück so, wie der allein
vorzügliche Aufführung wurden mehrmals mit ni
seine verdemüthigte Wiederkehr von der verschlossenen Thü¬
berechtigte Wille, nämlich der des Autors, es will
endenwollendem Beifall aufgenommen. In der A¬
der Künstlerin lächelnden Freund des Mädchens forderte
oder das österreichische Verbot. In unserem Fall¬
führung offenbarte sich eine gefestigte Kunstanschauun
mit heftigem Wort heraus und nennt das um ihr
muthet die Censur den Schauspielern mehrmals zu ihren
Wir fühlten Herrn Victor Naumanns Verständ¬
sittliche Achtung kämpfende Weib mit einem gemeiner
Stand geradezu feln beschimpfen, ihr eigenes Ehrgefüh¬
heraus. Die Regie des Herrn Stolberg funktioni¬
Namen. Da wird der erregte Civilist thätlich — und
wie am Schnürchen. Von den Darstellern erregte
verleugnen zu müssen. Und dieß that uns leid, sehr, die Katastrophe ist gegeben. Es kommt zur Forderung
der Rolle der Anna als Dedutantin Fräulein An¬
sehr leid. Denn der Klassenverhetzung redet der Civilist nimmt sie nicht an, er will die Züchtig
Schnitzler nicht das Wort: sondern er brandmarkt
Behrens besonderes Interesse. Die Dame bri¬
ung, die er einem solchen Schänder weiblicher Ehr¬
die Auswüchse jeglicher Klassen-Vorurtheile, die
von Leipzig und Kassel Routine mit, die nie versa¬
angethan, das bleiben lassen, was sie ist. Und Anna
falschen Ehrbegriffe, und wenn dabei der Ehren¬
Aber sie ist auch eine ganze Künstlerin, sie hat See
die Schauspielerin, kann seiner Liebe ihre Liebe
koder seine Hiebe bekommt, so ist Schnitzler an de
Ein starkes Talent, eine bescheidene Künstlerin.
nimmer verbergen. Sie thut Alles, um ein Duell zu
Ursache ebenso unschuldig, wie die¬
spielte vortrefflich. Herr Schmidt-Häßler als
vermeiden. Sie will mit dem Geliebten fort als seine
Censur
„Freiwild“ bekommt eine acute Bedeutung durch
kritische Held des Stückes, als Oberlieuten.
Braut — zum Leidwesen der Schmiere, für die sie jetz
Karinski, war wieder ganz an seinem Platze. M.
den vielberufenen Fall Brüsewitz, dessen ganze Ehren
eine „Zugkraft“ wäre... Beide wollen fort. Doch
lernte ihn von einer neuen Seite kennen. Und eine
moral hereinspielt aber es gibt eine erschütternde
nun beginnt die Hetze gegen Paul Roenning -
sehr glücklichen Abend hatte Herr von Lenor,
Lehre. Und diese Lehre sagt: Muß es denn so sei
Civilist wird zum Freiwild. Allen Vorstellungen zun
und wäre hier nicht die Mahnung, die Trotze, nichtachtend die ergreifenden Darlegungen des nicht nur prächtig spielte, der überzeugte:
Offizier von Ehre, Gefühl, Herz. Und flott und fe
edle Vorschrift des Erlösers am Platze
als Kartellträger fungirenden, endlich als Mensch zun
gab Herr Kirsch den Husarenlieutenant: für sol¬
von Nächstenliebe, Demuth und Er¬
Menschen redenden und die Ehrenfrage zur Daseins¬
barmen? Das ist wenigstens die Moral, die der
frage erhebenden Offiziers Rohnstedt, verweigert Rollen ist er geschaffen mit Gestalt, Spiel und Orge
Rönning auch selbst die Schein=Satisfaktion. Die bedeutungsvolle Gestalt des Paul Roennin
Dichter dem Zuhörer freistellt, zu seinem Bekenntnis
zu machen.
verkörperte Herr Pahlau in einer so vollendet
Er will keine Komödie, ihn kümmert die Existenz und
in fine
are finally,