II, Theaterstücke 8, Freiwild. Schauspiel in 3 Akten, Seite 185

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30. April. DEUTSCHE LITTERATURZEITUNG 1898. Nr. 17.
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Seither hat er mehrere Schauspiele geschrieben:
Notizen und Mittheilungen.
„Das Märchen“ (1894), „Liebelei“ (1895), „Frei¬
Subhadra Bhikschus Buddhistischer Katechis¬
wild“ (1896), das uns jetzt auch gedruckt vor¬
mus vor dem Forum der Vernunft und Moral von
liegt. Aus diesen Stücken, von denen allein die
einem anderen Bhikschu. Rheinbach b. Bonn, Litte¬
„Liebelei“ sich im deutschen Bühnenrepertoire
rarisches Bureau, 1897. 43 S. 8. M. 0,50.
festsetzen konnte, erkennt man, dass S. die
Fin anspruchsloses Buch, das sich die Aufgabe stellt,
Keime und Ideen des „Anatole fortzubilden, zu
ein Beitrag zum näheren Verständniss des buddhisti¬
schen Katechismus des Subhadra zu sein. Es enthält
klären und zu vertiefen bestrebt war. Am glück¬
einen Abiss von Buddhas Leben und Lehre, sowie Be¬
lichsten in der „Liebelei“, für die man einen
merkungen über dieselbe vom ethischen Standpunkte aus.
Satz aus „Anatole als Motto benützen könnte
Die Quellen, aus denen geschöpft wurde, sind durchaus
„Diese Mädchen und Frauen ich zermalmte
sekundär und die Bearbeitung keine wissenschaftliche.
Immerhin wird das Büchelchen in den Kreisen, an die
sie unter meinen Tritten, mit denen ich über die
es sich wendet, mit Interesse gelesen werden. Für den¬
Erde wandelte.“ So durch und durch modern S.
jenigen, der sich ernsthaft mit Buddhismus beschäftigen
in Form und Inhalt seiner Poesie ist, so unver¬
S. K.
will, ist es völlig ungenügend.
kennbar ist seine Verwandtschaft mit Paul Heyse
in der liebevollen Zeichnung ursprünglich und naiv
Oscar Detmer, Die Pflege des inneren Lebens.
Hamburg, Jürgensen & Becker, (1897). XXXII u.
adeliger Frauen und Mädchen, die hoch über den
553 S. 8.
schwachen Männern stehen. Solch eine naiv vor¬
In vorliegendem Bande lässt der Pastor zu St. Georg
nehme Natur ist die Christine in der Liebelei
in Hamburg, nachdem er schon 1894 eine Reihe von reli¬
und die Schauspielerin Anna Riedel, die unschul¬
giösen Gedichten“ unter dem Titel „von Innen heraus ver¬
dige Ursache der unerquicklichen Duellgeschichte
öffentlicht hatte, eine neue Sammlung von solchen Lie¬
im „Freiwilde, ist es gleichfalls. Die arme Schau¬
dern erscheinen, die aber mit kurzen Betrachtungen, die
sie unterbrechen, ein zusammenhängendes Ganze bilden.
spielerin ist das Freiwild in der heutigen Gesell¬
Selbstverständlich sind die Dichtungen von verschiede¬
schaft, dessen sich der leichtsinnige Schulden¬
Werth. Es finden sich darunter aber gar nicht
macher Oberleutnant Karinski bemächtigen zu
welchen die schlichte, einfache, stille Reli¬
weg.
dürfen glaubt. Vom Mädchen abgewiesen, wird
giosität, deren Stempel jede Seite unseres Buches trägt,
eine genau entsprechende und darum auch warm an¬
er vom reichen jungen Privatmann Paul Rönning,
sprechende Form gefunden hat, die selbst künstlerische
der Anna liebt, mit einer Ohrfeige gezüchtigt.
Beurtheilung verträgt. „Ohne viel Bibelworte und Kir¬
Nach dem ersten Akt, der eine schöne Einheit
chenlehren, aber aus der Fülle eines religiösen Geistes
für sich bildet, indem er das „Freiwild thema
heraus, der ein christlicher ist, wendet sich dieses Buch
von der Pflege des inneren Lebens an die Herzen sol¬
auseinandersetzt, nimmt das Stück die Wendung
cher Menschen, welche nach Wahrheit suchen und in
eines gegen das Duell gerichteten Tendenzdramas;
ihrer Erkenntniss derselben nicht gebunden und nicht
Rönning verweigert dem Offizier die geforderte
fertig sind.“ Solche giebt es in unserer Zeit glücklicher
ritterliche Satisfaktion. Leider ist S. hier zu
Weise in nicht geringer Anzahl, und so dürfte diese
pastorale Gabe, wo sie in die rechten Hände gelangt,
trocken, zu doktrinär in seiner grundsätzlichen
aufrichtigen Dankes sicher sein.
künstlerischen Objektivität geblieben, indess seine
Holtzmann.
Strassburg i. E.
Tendenz Rhetorik und theatralische Wirkungen
geradezu forderte. S. übersah, dass die ganze
Unter dem Titel: Der arme Wilhelm. Eine
Duellfrage in Wirklichkeit doch auch nur subjek-
Erzählung für das Volk bietet Fräulein J. Severin den
deutschen Lesern Frau von Pressensés Erzählung
tiv, durch das individuelle oder nationale l'em¬
„Jacques et Jacqueline". (Berlin, Vaterländ. Verlags¬
perament erledigt werden kann. Die nüchternen
anstalt, (1897. 278 S. 80. M. 2.) Die Geschichte
Engländer haben das Duell thatsächlich abge¬
enthüllt uns das Seelenleben eines armen Waisenknaben.
schafft; bei den heissblütigen Magyaren steht es
Von der Tante, die ihn aufgenommen, wird er mit Härte
und Kälte behandelt, und so verhärtet sich auch sein
noch immer in Blüthe, Theoretisch und objek-
Herz, und er ist auf dem besten Wege, ein rechter Tauge¬
tiv ist dem Duell nicht beizukommen; die Gründe
nicht zu werden. Da lernt ihn der Lehrer des Dorfes
für und gegen halten sich die Waage; der Wille
kenne etzt es durch, dass er die Schule besucht, und
allein entscheidet hier. Wenn irgendwo, so wäre
unter seinem freundlichen Zuspruche erschliesst sich das
Herz des vernachlässigten Kindes, schliesst es sich in
daher gerade in diesem Falle ein starkes Be¬
inniger Liebe einem armen lahmen, aber mit Geistes¬
tonen der persönlichen Ueberzeugung des Dich¬
und Gemüthsgaben reich bedachten Knaben an und
ters auch künstlerisch vollkommen berechtigt ge
fühlt unbewusst etwas von der Süssigkeit, zu lieben
wesen, und die vornehme Sachlichkeit S.s ist
und geliebt zu werden“. Und der so umgewandelte
Knabe übt dann auf die Familie der Tante selbst den
just da von Uebel. Sein „Freiwild“ wirkt stumpf,
segensreichsten Einfluss, vermag sogar schliesslich, ihre
man wird für seinen als Märtyrer sozialer Un¬
Kälte zu überwinden. Die Charakterzeichnung aller
sitten gedachten Helden nicht warm. Und dieser
Personen ist treffend und lebenswahr. Man spürt in
Abfall des Stückes ist um so mehr zu bedauern,
dem Buche meist jene Frömmigkeit, die den lebendigen
Gott in sich fühlt und nicht nöthig hat, allerorten von
als es im Uebrigen von S. Bestreben, über die
ihm zu reden. Die Bearbeitung ist im Ganzen gut
Decadenz hinauszukommen, rühmlich Zeugnis ab¬
gelungen, nur selten begegnen uns französische Wen¬
legt. Dass der begabte Dichter diese Scharte bald
dungen. Die Ausstattung ist gut, doch hätte auf die
auswetzen wird, daran ist gar nicht zu zweifeln.
Korrektur mehr Sorgfalt verwendet werden sollen.
Moritz Necker.
Wien.