II, Theaterstücke 8, Freiwild. Schauspiel in 3 Akten, Seite 189

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Ausschnitt aus:
4 - FEB. 1898
vom
(Carl-Theater.) Arthur Schnitzlers Schau¬
spiel: „Freiwild" ist ein gegen das Duell gerichtetes
Tendenzstück. Lieutenant Karinsky beleidigt eine Schau¬
spielerin von tadellosem Rufe: ein platonischer Verehrer
der Dame, Paul Rönning, versetzt ihm dafür einen
Schlag ins Gesicht und verweigert dann die sogenannte
ritterliche Genugthuung. Seine Argumentation lautet
ungefähr: „Ich habe einen Buben gezüchtigt, der mir
über den Weg gelaufen ist, und liebe das Leben viel zu
sehr, um mich deshalb todtschießen zu lassen." Uner¬
schütterlich beharrt er auf seinem „Nein, selbst
dann, als ein College des geschlagenen Officiers
ihn aufsucht und um das Duell eindringlich bittet. Unter
solchen Umständen bleibt dem Officier, der ohnedem
quittiren muß, nichts übrig, als seinen Beleidiger nieder¬
zuknallen und sich dann selbst aus der Welt zu expe¬
diren. — Die Tendenz ist gut, aber ihr Fundament ist
schwach und ihre Folgerungen sind geradezu ungeheuerlich.
Dem Wortführer Schnitzler's, der ein sorgsam ausgeklügeltes,
aber trotzdem ganz verfehltes Rechenexempel darstellt,
wäre zu erwidern: „Sie haben zweifellos recht,
lieber Herr Rönning. Man duellirt sich nicht, und zwar
aus noch viel gewichtigeren Gründen, als diejenigen sind,
die Sie anführen; aber wenn man sich nicht duellirt,
Für 50 % dann schlägt man auch Niemanden ins Gesicht. Der eine
Gegner des Duells darf auch kein Raufer sein, sonst
„ 200
werden seine schönen Tiraden wirkungslos. Ueberdies graus.
„ 500
sieht das Züchtigungsrecht, das sie sich anmaßen, sehr
„ 1000
de
verdächtig aus, da Sie persönliche Gründe haben, sich
es den
Abonneme der beleidigten Dame anzunehmen. — Schlimmer noch
Abonnente als um die Vorgeschichte des Conflictes steht es um seine
Lösung; da wird Herr Rönning nämlich ganz confus
und kennt sich mit sich selber nicht mehr aus. Er, der den
Vorwurf der Feigheit lachend auf sich sitzen läßt, weicht
seinem Todfeinde nicht aus, damit man ihn nicht
für feig halte, er, der principielle Gegner des Duells,
steckt eine Pistole in den Sack, um nöthigenfalls dem
Lieutenant zuvor zu kommen. An die Stelle des Duells
tritt schließlich der Meuchelmord, der dem Vernehmen nach auch
nicht recht erlaubt ist, die Gegner treten sich doch mit der
Waffe entgegen, und es handelt sich nur mehr darum,
wer der Geschwindere ist. — Literarisch betrachtet, hat
das äußerlich starke, innerlich schwache Stück keinen
großen Werth; es ist vieux jeu, zeigt eine veraltete
Technik und hat Mühe genug, seinen hetorischen
Charakter zu verbergen. — Die Darstellung war in den
meisten männlichen Rollen glücklich; Herr Räusch wird
nachgerade eine Specialität in Officierstypen, Herr
Korff brachte ein gelungenes Gigerl, Herr Klein
spielte den Principienhelden mit Temperament und ora¬
torischer Schärfe. Auch Herr Tewele gefiel, obwohl er mehr
als nöthig ins Parodistische gerieth. Weniger befriedigten
Herr Meyer Eigen, der den biederen Rittmeister durch
Declamation schädigte, und Herr Blum, der ein un¬
mögliches Ungarisch=Deutsch sprach. Fräulein Sangora
sollte nicht in den Vordergrund gestellt werden; der
brave Theaterdirector, der im Stücke vorkommt, wird
seinem Publicum eine solche Prüfung gewiß nicht zu¬
muthen.