II, Theaterstücke 8, Freiwild. Schauspiel in 3 Akten, Seite 194

8. F
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wild

es unway, September


durch, daß er den Schlag bekommen, dadu, daß er ihn verdien
hat, hat er sie verloren. Gerade dieser Mensch, der so viel auf
lleton.
Ehre hält, hat die Ehre eines anderen Wesens leichtfertig besudelt.
Rohnstedt entfernt sich mit einer angedeuteten Warnung. Rönning
Freiwild.
hatte kurz vorher beschlossen, mit Anna den Badeort zu verlassen
und sie zu seiner Frau machen, um sie aus dem verderbenden
on Arthur Schnitzler. Erste Auf¬
Theater am 4. Februar 1898.
Milieu des Theaters zu retten. Die Warnung Rohnstedt's bewegt
Rönning's Freund Wellner, ihn zur schleunigsten Abreise, zur
Paul Rönning ist eben von einer
Flucht vor Karinski, zu treiben. Wellner nennt das die Konsequenz
und will jetzt nur leben, gar nichts
der Anschauungen Rönning's. Aber dieser zieht die Konsequenz
er lebt. In dem kleinen Badeorte, in
seiner Ansichten dahin, daß er bleibt, bleibt auch trotz der Bitten
det er eine Bekannte aus der Stadt,
seiner Braut Anna. Was nun geschieht, ist vorauszusehen. Wohl
ters Anna Riedel, ein anständiges
wappnet er sich gegen den Angriff Karinski's mit einem Revolver,
Gegensatze zu ihren Kolleginnen sowohl
aber Karinski kommt ihm bei der Begnung zuvor und schießt
Direktors wie die Einladungen zu den
Rönning nieder. Dieser stirbt als „Freiwild" für die eingebildete
hnt. Diese, die die jungen und schönen
Ehre eines Lumpen im Waffenrock.
Freiwild“ betrachten, sind darob nicht
Das Schauspiel Schnitzler's hat, wie schon berichtet, einen
rektor, der ihr kündigt, weil sie ihm
starken und verdienten Erfolg gehabt. Es bietet zunächst eine
ht" und seinen verehrten Freunden,
köstliche und doch tiefernste Schilderung des Lebens der Kunst¬
über „unliebenswürdig ist. Sie hat
proletarier beiderlei Geschlechts. Der Direktor des „Kunstinstituts,
hr fehlt der künstlerische Ernst, der
der die Herren des Chors einfach hinausschmeißen will, denn in
zieren bis in die Nacht hinein zu
der Operette brauchen wir absolut keinen Herrn; die Ritter, die
Offizieren stellt Anna am meisten der
Verschwornen, die Gondoliers können alle von Damen gegeben
in Spieler und Schuldenmacher, der
werden", auch sehen die Kerle so hungrig aus, daß sie das
gehauen, weil ihn dieser, ohne es zu
Publikum verstimmen — und der die Entlassung der Anna Riedel
ls er erfährt, daß sich Paul für Anna
sofort zurücknimmt, weil sie eine „Zugkraft" geworden, nachdem
beim Kaffeehaustisch aufs frechste und
sich „das Publikum für sie, eine Naive, duellirt, dieser Direktor
er Anna fallen. Dafür schlägt Paul
ins Gesicht. Karinski würde nun wird in zahllosen Exemplaren zu finden sein. Aber auch das, was
den eigentlichen Konflikt in diesem Schauspiel ausmacht, der
wenn er seinen Säbel bei sich hätte,
Kampf gegen das Duell und den Wahn der sogenannten Offiziers¬
sehen die Offiziere ohne Säbel. Die
ehre, ist, wie wir finden, durchaus natürlich und lebenswahr dar¬
an ihn auch zurück.
gestellt. Manche Rezensenten haben gemeint, daß Rönning
zum Duell kommen. Aber Rönning
inkonsequent handle, weil er nicht fliehe, da er doch wisse, was
hießen zu lassen, und weigert sich trotz
ihm bevorstehe. Ja, gewiß wäre es klug gewesen, aber hätte der
de, das Duell anzunehmen. Auch die
Dichter Rönning als Tendenzpuppe auf die Bühne stellen sollen.
tenants Rohnstedt, der zu Rönning
die ihre Reden gegen das Duell ableiert, oder hat er uns nicht
nicht dürfte, „als Mensch“ kommt und
vielmehr einen Menschen, einen Mann zeigen wollen? Wir halten
bens. Rohnstedt weist darauf hin, daß
es für sehr begreiflich, daß er nicht fliehen und den Vorwurf der
er nicht Genugthuung für den ihm an¬
Feigheit auf sich laden will, obwohl er, von schwerer Krankheit
er müßte ehrlos quittiren. Aber Paul
genesen und als Bräutigam das Leben nun doppelt gern hat.
Entschlusse: „Was ist mir denn dieser
Und wenn ein siebenmalweiser Kritiker erklärt hat, als Gegner
Preis retten soll! Ich kann ihm so
des Duells hätte er den Offizier selbst nicht schlagen dürfen, so
ich sie ihm nehmen konnte. Nicht da¬
gunt ersten
gen. Herr Direktor Perger scheint sich für den Manner¬
ist das einfach die Anschauung eines Eunuchen. Die Herrschaften,
die immer in den modernen Stücken Menschen sehen wollen, sind
nun beinahe entrüstet, weil der Dichter Rönning durch und durch
als Menschen handeln läßt. Das ist nichts Anderes, als die in
unserem Wiener Bürgerthum tiefeingewurzelte Hochachtung vor
dem Militarismus und seinen Brutalitäten. In Einem mögen
die Herren allerdings recht haben; einen Offizier, der für seinen
Kameraden bitten geht und sogar ein Scheinduell vorschlägt,
gibt es nicht. Die feine psychologische Motivirung des Autors
durch Rohnstedt's Verhältniß zu Karinski macht das nicht glaub¬
würdiger. Aber welchen Hieb versetzen doch die Herren Kritiker
dem Militarismus mit seinem Wahn- und Zunftzopf, wenn sie,
indem sie die Unmöglichkeit der Figur Rohnstedt's haarscharf be¬
weisen wollen, damit zugleich unfreiwillig erklären, daß in der
Armee jedes menschliche Fühlen und Denken erdrosselt wird!
Das Schauspiel Schnitzler's spricht trotz dieses Fehlers
aufs eindringlichste gegen das Duell und verurtheilt aufs schärfste
die Brüsewitzereien wahnwitziger Gesellen, die in Zivilisten“ nur
Freiwild erblicken. Um so eindringlicher, als es in seiner einfachen,
nie pathetisch werdenden Sprache und seiner natürlichen und doch
überaus spannenden Szenenführung ein Kunstwerk ist wie wenige.
Ein Stück sozialen Elends einerseits und ein Stück sozialen Irr¬
wahns auf der anderen Seite zeigt uns der Dichter, und ohne
selbst Partei zu ergreifen, zieht er jeden Ehrlichen auf die Seite
der Gegner eines barbarischen Ehrbegriffes und des Duells.
Dazu kommt, daß das Schauspiel ein echtes Wiener Stück ist.
Die Phantasie=Uniformen des Carl-Theaters haben dem Stücke
den Wiener Erdgeruch so wenig nehmen können, wie die Zensur.
die aus dem Buche sorgfältig alles strich, was auf Wien
hinweist.
Die Aufführung war, wie schon berichtet, eine durchaus
vorzügliche. Herr Reusch spielte den vom Autor ausgezeichnet
charakterisirten Lieutenant Karinski geradezu großartig. Herr
Klein als Rönning wußte mit den einfachsten Mitteln die
größte Wirkung zu erzielen. Für den Humor sorgten Herr
Tewele als Theaterdirektor, der zwar ein wenig parodirte,
ohne jedoch seiner Rolle zu schaden, und Herr Korff als
Duellhanswurst, der, wenn ihm einer ein Wörter sagt, sein
Buckerl macht und ihm seine Zeugen schickt. Und gut waren all¬
übrigen Künstler, einzeln und besonders in ihrem Zusammenspiele.