box 14/3
8. F.
vild
.
omme
is in
Weeß
üffelt,
Theater und Concerte.
Schul¬
(Carl-Theater.) „Jung=Wien", das talentvolle „Jung=Wien
uszu
arbeitet jetzt stark in Tendenz. Und es macht vor den heikelsten Fragen
recto¬
nicht Halt. Der Eine rüttelt an dem festgefügten Sockel, auf den
Autoritätsglaube die „Größen" dieser Erde pflanzt; der Andere wagt
einen kecken Sprung in die Wellen, welche, vom Sturme gepeitscht,
und mächtig dahinrollen, und bemüht sich gegen die Strömung zu
Ober¬
schwimmen. Ein Dritter biegt ein Eselsohr in die Blätter des Ehren¬
Herrn
coder und hat den Muth, die Feigheit zu glorificiren. Dieser Dritte
sind nennt sich Arthur Schnitzler, und das interessante Schauspiel, das
Vorer uns bietet, wird von ihm als „Freiwild“ bezeichnet. Dieser
wide
junge, tüchtige Arzt begnügt sich nicht mit der Heilung von leiblichen
mag
Gebresten, er will auch moralische Krankheiten, curiren. Allen Respec
on
vor der Gelehrsamkeit des Herrn Dr. Schnitzler, aber am Ende wird
Herrn auch er in diesem Punkte sich gestehen müssen, daß er sich bei seinen
Recepten verschrieben hat! Mit dramatisirten Leitartikeln kommt man
gesellschaftlichen Krebsschäden nicht bei. „Freiwild ist in der Haupt¬
sache eine Disputation über das Duell, und der Feigling aus Ueber¬
zeugung, Herr Paul Rönning, wird naturgemäß mandem impo¬
niren. Es gab Beifall und Zischen im Theater. Man mißverstehe uns
nicht. Das Zischen galt bloß den Tendenzstellen. Es hatten sich
Parteien im Hause gebildet, die ihren Empfindungen je nach der
Tirade Ausdruck gaben: für oder gegen die Berechtigung des Zwei¬
kampfes. Glücklicherweise erhitzten sich die Gemüther nicht in dem
Maße, daß es infolge der Meinungsverschiedenheiten, die am Freitag
schen Abends im Carl-Theater laut wurden, zu Duellen kommen wird
Der sogenannten „Ritterlichkeit" wird auch ohne Blutverlust genügt
werden. Ein prächtiges Milieu, zumal im ersten Art, meisterhaft
gezeichnete Figuren, künstlerisch charakterisirte Typen, das sind die
en
Hauptvorzüge dieses Stückes, das seinem hochbegabten Verfasser und
seiner ganzen literarischen Gilde zur Ehre gereicht. Gespielt wird es
von den Damen Glümer und Sangora, den Herren Reusch,
Klein, Tewele und Natzler so gut, daß man nicht bloß den
Künstlern, sondern auch der Regie, welches dieses einigermaßen impro¬
visirte Ensemble so vortrefflich zu behandeln versteht, vollste An¬
erkennung vollen auß.
Herr Angel an die
hat gegen seinem Director intriguirt und dessen Vertrauen
mißbraucht; das steht nach diesem mißglückten Versuch einer
Berichtigung mehr außer Zweifel denn je. Aber nun wendet er
die unmöglichste Stylverrenkung an, um sich rein zu waschen;
das ist eine Unsitte, die er dem Publicum zufügt. Herr Thimig
hat in diesen letzten Tagen eine seltsame Physiognomie ge¬
wonnen. Wer hätte in dem biedern Sachsen mit den treuen
blauen Augen so viel Verschmitzheit gewitter?
Deutsches Volkstheater.
Die Frauen=Emancipation ist ein interessantes Vortrags= und
Leitartikelthea. Die Erweiterung des Berufskreises der Fran, nament¬
lich die Erschließung des medicinischen Studiums für das weibliche
Geschlecht ist eine Forderung, die in demokratischen Versammlungen
ihre Wirkung nie verfehlt. Ob sie auch ein ebenso wie sames drama¬
tisches Motiv ist, läßt sich nach dem Dreyer'schen Lustspiel „In
Behandlung", das vorgestern im Deutschen Volkstheater eine
nicht unfreundliche Aufnahme fand, nicht entscheiden, denn Herr
Dreyer benützt das emancipirte Weib nur als neuen Aufputz für die
alte deutsche Krähwinkel=Komödie aus Iffland's und Kotzebue's
Zeiten. Und es zeigte sich dabei, daß die rührselige Philisterei uns
noch immer tiefer im Blute steckt, als das himmelstürmende Titanen¬
thum der Moderne. Die beiden ersten Acte mit ihren schönen Reden
über die Selbstbestimmung der Frau hätten das Publicum in den
seligsten Schlummer gewiegt, wenn der Verfasser nicht wiederholt
die bekannte Glocke geläutet und damit die Schläfer aufgerüttelt
hätte. Den Charakter eines wirklichen Lustspiels gewann das Stück
erst im dritten Acte, wo die Frau Doctor ihre Operationsschürze
aus= und das liebende Weib die Wirthschaftsschürze anzieht — ein
Beweis, daß nicht das Weib an sich, sondern immer nur seine
Beziehung zum Manne das dramatisch Interessante ist. In diesem
Acte hat uns Dreyer auch durch ein paar reizend geführte Szenen
für die Langeweile der beiden vorhergehenden entschädigt. Die
schwierige Hauptrolle spielte Frau Odilon mit entzückender Frische
und überraschender Gemüthstiefe, während Herr Giamvietro
diesmal nicht am richtigen Platze stand. Man muthet diesem trefflichen
und Künstler in jüngster Zeit eine proteische Wandlungsfähigkeit zu, die
derer in Wahrheit nicht besitzt. Ganz vortrefflich waren Retty Vater
als weichherzig=borstiger Seebär und Retty Tochter als naseweiser
Backfisch. Das Klatschbasen=Trifolium Bendel, Schmittlein
und Wallentin wäre tadellos gewesen, wenn nur die Damen
über den niederdeutschen Dialekt nicht so verschiedener Ansicht ge¬
wesen wären. Auch die Herren Prechtler und Liebhardt
verdienen volles Lob.
Theater an der Wien.
(Der Maler=Veri", Volksstück in 4 Acten von Hart¬
Milius.)
Eine Bauern=Comödie mit allen Schwächen und Vorzügen
derselben war es, die als eine Wohlthätigkeitsvorstellung zum Besten
der „Concordia“ am Samstag gegeben wurde. Um des guten Zweckes
willen, übersehen wir gerne die Schwächen und constatiren die
freundliche Aufnahme der Novität. Der Maler=Veri gehört zu den
verkannten Genies, die allerdings bei den Bauern felten sind. Aus
Galanterie für die Frau Autorin, wollen wir jedoch diesen Typus
glauben. Nach den üblichen Leidensstationen, die ein Maler mit
nackten Knien durchzumachen hat, löst sich alles in Wohlgefallen.
Die Darstellung bekundete große Lust und Liebe zur Sache. Die
Titelrolle gab Herr Kutschera mit warmen Gefühlstönen. Sein
Weib die Afra fand in Frau Biedermann eine zu schneidige
Interpretion, deren Lebhaftigkeit allzusehr über den Strang schlug.
Von erfrischender Natürlichkeit war Frau Ottmann. In der
Menge der Nebensiguren machten sich Frau Charles und Herr
Josephi sehr vortheilhaft bemerkbar. Nach dem zweiten Acte, der
für den Erfolg des Abend entscheidend, war konnte Frau Hart¬
Mitius den reichen Beifall des Publicums quittiren.
ter
Carl-Theater.
Als im vorigen Jahre Schnitzlers „Freiwild“ zum
erstenmale in Berlin aufgeführt wurde, waren die Leute dort gerade
von dem Fall Brüsewitz sehr erregt. Heute, da das Schauspiel bei
uns aufgeführt wird, beschäftigt der Vorfall in Marburg die öffent¬
liche Discussion. Energischer könnte die Actualität des Stückes nicht
dargethan werden. Es ist aus brennenden Forderungen und Mei¬
nungen des Tages herausgehoben und es prüft und zersetzt uner¬
chte schrocken alle die stattlichen Worte, wie Mannesmuth und Zwei¬
entkampf und Officiersehre und ritterliche Vertretung seine Ueberzeugung.
Ein junger Künstler hat einen Officier geohrfeigt, weil dieser öffent¬
lich die Ehre einer Dame angegriffen hat. Den Zeugen des Officiers
verweigert er jede Genugthuung. Er hat einen Buben gezüchtigt,
best, weil dieser es verdiente; aber er fühlt gar kein Bedürfniß sich dafür
cank niederschießen zu lassen. Allen Einwänden, allen gesellschaftlichen
Bien, Einschüchterungen dem Trotz beharrt er auf seiner Meinung. Er
wird gewarnt, er möge abreisen, denn der gedemüthigte Officier
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is in
Weeß
üffelt,
Theater und Concerte.
Schul¬
(Carl-Theater.) „Jung=Wien", das talentvolle „Jung=Wien
uszu
arbeitet jetzt stark in Tendenz. Und es macht vor den heikelsten Fragen
recto¬
nicht Halt. Der Eine rüttelt an dem festgefügten Sockel, auf den
Autoritätsglaube die „Größen" dieser Erde pflanzt; der Andere wagt
einen kecken Sprung in die Wellen, welche, vom Sturme gepeitscht,
und mächtig dahinrollen, und bemüht sich gegen die Strömung zu
Ober¬
schwimmen. Ein Dritter biegt ein Eselsohr in die Blätter des Ehren¬
Herrn
coder und hat den Muth, die Feigheit zu glorificiren. Dieser Dritte
sind nennt sich Arthur Schnitzler, und das interessante Schauspiel, das
Vorer uns bietet, wird von ihm als „Freiwild“ bezeichnet. Dieser
wide
junge, tüchtige Arzt begnügt sich nicht mit der Heilung von leiblichen
mag
Gebresten, er will auch moralische Krankheiten, curiren. Allen Respec
on
vor der Gelehrsamkeit des Herrn Dr. Schnitzler, aber am Ende wird
Herrn auch er in diesem Punkte sich gestehen müssen, daß er sich bei seinen
Recepten verschrieben hat! Mit dramatisirten Leitartikeln kommt man
gesellschaftlichen Krebsschäden nicht bei. „Freiwild ist in der Haupt¬
sache eine Disputation über das Duell, und der Feigling aus Ueber¬
zeugung, Herr Paul Rönning, wird naturgemäß mandem impo¬
niren. Es gab Beifall und Zischen im Theater. Man mißverstehe uns
nicht. Das Zischen galt bloß den Tendenzstellen. Es hatten sich
Parteien im Hause gebildet, die ihren Empfindungen je nach der
Tirade Ausdruck gaben: für oder gegen die Berechtigung des Zwei¬
kampfes. Glücklicherweise erhitzten sich die Gemüther nicht in dem
Maße, daß es infolge der Meinungsverschiedenheiten, die am Freitag
schen Abends im Carl-Theater laut wurden, zu Duellen kommen wird
Der sogenannten „Ritterlichkeit" wird auch ohne Blutverlust genügt
werden. Ein prächtiges Milieu, zumal im ersten Art, meisterhaft
gezeichnete Figuren, künstlerisch charakterisirte Typen, das sind die
en
Hauptvorzüge dieses Stückes, das seinem hochbegabten Verfasser und
seiner ganzen literarischen Gilde zur Ehre gereicht. Gespielt wird es
von den Damen Glümer und Sangora, den Herren Reusch,
Klein, Tewele und Natzler so gut, daß man nicht bloß den
Künstlern, sondern auch der Regie, welches dieses einigermaßen impro¬
visirte Ensemble so vortrefflich zu behandeln versteht, vollste An¬
erkennung vollen auß.
Herr Angel an die
hat gegen seinem Director intriguirt und dessen Vertrauen
mißbraucht; das steht nach diesem mißglückten Versuch einer
Berichtigung mehr außer Zweifel denn je. Aber nun wendet er
die unmöglichste Stylverrenkung an, um sich rein zu waschen;
das ist eine Unsitte, die er dem Publicum zufügt. Herr Thimig
hat in diesen letzten Tagen eine seltsame Physiognomie ge¬
wonnen. Wer hätte in dem biedern Sachsen mit den treuen
blauen Augen so viel Verschmitzheit gewitter?
Deutsches Volkstheater.
Die Frauen=Emancipation ist ein interessantes Vortrags= und
Leitartikelthea. Die Erweiterung des Berufskreises der Fran, nament¬
lich die Erschließung des medicinischen Studiums für das weibliche
Geschlecht ist eine Forderung, die in demokratischen Versammlungen
ihre Wirkung nie verfehlt. Ob sie auch ein ebenso wie sames drama¬
tisches Motiv ist, läßt sich nach dem Dreyer'schen Lustspiel „In
Behandlung", das vorgestern im Deutschen Volkstheater eine
nicht unfreundliche Aufnahme fand, nicht entscheiden, denn Herr
Dreyer benützt das emancipirte Weib nur als neuen Aufputz für die
alte deutsche Krähwinkel=Komödie aus Iffland's und Kotzebue's
Zeiten. Und es zeigte sich dabei, daß die rührselige Philisterei uns
noch immer tiefer im Blute steckt, als das himmelstürmende Titanen¬
thum der Moderne. Die beiden ersten Acte mit ihren schönen Reden
über die Selbstbestimmung der Frau hätten das Publicum in den
seligsten Schlummer gewiegt, wenn der Verfasser nicht wiederholt
die bekannte Glocke geläutet und damit die Schläfer aufgerüttelt
hätte. Den Charakter eines wirklichen Lustspiels gewann das Stück
erst im dritten Acte, wo die Frau Doctor ihre Operationsschürze
aus= und das liebende Weib die Wirthschaftsschürze anzieht — ein
Beweis, daß nicht das Weib an sich, sondern immer nur seine
Beziehung zum Manne das dramatisch Interessante ist. In diesem
Acte hat uns Dreyer auch durch ein paar reizend geführte Szenen
für die Langeweile der beiden vorhergehenden entschädigt. Die
schwierige Hauptrolle spielte Frau Odilon mit entzückender Frische
und überraschender Gemüthstiefe, während Herr Giamvietro
diesmal nicht am richtigen Platze stand. Man muthet diesem trefflichen
und Künstler in jüngster Zeit eine proteische Wandlungsfähigkeit zu, die
derer in Wahrheit nicht besitzt. Ganz vortrefflich waren Retty Vater
als weichherzig=borstiger Seebär und Retty Tochter als naseweiser
Backfisch. Das Klatschbasen=Trifolium Bendel, Schmittlein
und Wallentin wäre tadellos gewesen, wenn nur die Damen
über den niederdeutschen Dialekt nicht so verschiedener Ansicht ge¬
wesen wären. Auch die Herren Prechtler und Liebhardt
verdienen volles Lob.
Theater an der Wien.
(Der Maler=Veri", Volksstück in 4 Acten von Hart¬
Milius.)
Eine Bauern=Comödie mit allen Schwächen und Vorzügen
derselben war es, die als eine Wohlthätigkeitsvorstellung zum Besten
der „Concordia“ am Samstag gegeben wurde. Um des guten Zweckes
willen, übersehen wir gerne die Schwächen und constatiren die
freundliche Aufnahme der Novität. Der Maler=Veri gehört zu den
verkannten Genies, die allerdings bei den Bauern felten sind. Aus
Galanterie für die Frau Autorin, wollen wir jedoch diesen Typus
glauben. Nach den üblichen Leidensstationen, die ein Maler mit
nackten Knien durchzumachen hat, löst sich alles in Wohlgefallen.
Die Darstellung bekundete große Lust und Liebe zur Sache. Die
Titelrolle gab Herr Kutschera mit warmen Gefühlstönen. Sein
Weib die Afra fand in Frau Biedermann eine zu schneidige
Interpretion, deren Lebhaftigkeit allzusehr über den Strang schlug.
Von erfrischender Natürlichkeit war Frau Ottmann. In der
Menge der Nebensiguren machten sich Frau Charles und Herr
Josephi sehr vortheilhaft bemerkbar. Nach dem zweiten Acte, der
für den Erfolg des Abend entscheidend, war konnte Frau Hart¬
Mitius den reichen Beifall des Publicums quittiren.
ter
Carl-Theater.
Als im vorigen Jahre Schnitzlers „Freiwild“ zum
erstenmale in Berlin aufgeführt wurde, waren die Leute dort gerade
von dem Fall Brüsewitz sehr erregt. Heute, da das Schauspiel bei
uns aufgeführt wird, beschäftigt der Vorfall in Marburg die öffent¬
liche Discussion. Energischer könnte die Actualität des Stückes nicht
dargethan werden. Es ist aus brennenden Forderungen und Mei¬
nungen des Tages herausgehoben und es prüft und zersetzt uner¬
chte schrocken alle die stattlichen Worte, wie Mannesmuth und Zwei¬
entkampf und Officiersehre und ritterliche Vertretung seine Ueberzeugung.
Ein junger Künstler hat einen Officier geohrfeigt, weil dieser öffent¬
lich die Ehre einer Dame angegriffen hat. Den Zeugen des Officiers
verweigert er jede Genugthuung. Er hat einen Buben gezüchtigt,
best, weil dieser es verdiente; aber er fühlt gar kein Bedürfniß sich dafür
cank niederschießen zu lassen. Allen Einwänden, allen gesellschaftlichen
Bien, Einschüchterungen dem Trotz beharrt er auf seiner Meinung. Er
wird gewarnt, er möge abreisen, denn der gedemüthigte Officier