II, Theaterstücke 8, Freiwild. Schauspiel in 3 Akten, Seite 277

8. Frei
il
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Oberlieutenant Rohnstedt ihn ansteht, in
das Duell, wenn auch nur zum Schein, zu
willigen, da Karinski sonst schimpflich sei¬
nen Abschied nehmen muß und vernichtet
ist, bleibt Könning kalt ablehnend. Mag
Karinsik mit seinem Leben anfangen, was
er will, sich erschießen, flüchten — ihn sicht
es nicht an. Er bleibt seinem Prinzip treu.
Mit Anna, der er Herz und Hand anträgt,
Theater und Musik.
will er den Ort verlassen, er ist unabhängig
und reich, und Beide wollen das Leben ge¬
Irving Place Theater.
nießen.
Die Duellfrage scheint auf die deutschen
Jedoch er verläßt den Ort nicht, denn
Autoren noch immer eine wahre Faszina¬
Karinski lauert ihm auf. In dem Garten
tion auszuüben; in dieser oder jener Form
des Sommertheaters, wo der erste Akt sich
taucht sie nahezu bei jedem auf, ob er nun abspielt, treffen die Beiden wieder zusam¬
für die Bühne schreibt oder seine Lorbeeren
men und der Officier, der in eine Sackgasse
auf dem Gebiet der Novellistik sucht. Paul
getrieben ist, fordert den Gegner noch ein¬
Heyse, Alexander von Roberts haben sie
mal auf, sich mit ihm zu schlagen. Als wie¬
dramatisch behandelt, Spielhagen berührt
derum die Antwort verneinend lautet, er¬
sie zu wiederholten Malen in seinen Ro¬
greift Karinski seinen Revolver und schießt
en, und auch der Modernsten einer, Ar¬
thur Schnitzler, hat ihrer Behandlung sein Rönning, der sich ihm im Duell nicht stellen
wollte, nieder.
dreiaktiges Schauspiel „Freiwild gewid¬
Diese einfache Handlung hat Schnitzler
met. Das interessante Stück hat gestern
mit großer Natürlichkeit entwickelt und fol¬
Abend vor einem in Anbetracht des sint¬
gerichtig durchgeführt. Freilich erscheint
fluthlichen Wetters wohlgefüllten Haus¬
Rönning wohl zu sehr als das personificirte
seine amerikanische Première im Irving
Princip gegen das Duellwesen, und hier
Place Theater erlebt und hat die Theil¬
hätte Schnitzler entschieden feiner motiviren
nahme des Publikums in starkem Maße ge¬
müssen. Rönning ist zu sehr nur Raisonneur,
und wandelt zu sicher auf seiner Bahn, als
fesselt.
Es ist dies immerhin ein Beweis, daß daß er ganz den Eindruck der Naturwahrheit
machte. Das schmeckt doch etwas nach Prin¬
Schnitzler sein Thema mit großem Ge¬
schick behandelt hat, denn wir stehen ja that¬ cipienreiterei, und wenn man auch innerlich
auf seiner Seite steht, so weiß man doch,
sächlich dieser ganzen Frage platonisch ge¬
aus wie vielen Widersprüchen selbst die
genüber. In Amerika giebt es keine Duell¬
festesten Charaktere zusammengesetzt sind,
frage, schon seit Jahrzehnten nicht mehr
als daß man sich ganz von diesem jungen
und viel mehr als bei anderen Stücken vor
allgemein menschlichem Interesse muß der Menschen könnte überzeugen lassen, der ohne
innere Kämpfe unentwegt die ihn umringen¬
Zuschauer sich in Verhältnisse zurückversetzen
die einst vielleicht volles inneres Leben für den Verhältnisse überwindet. Ein glänzen¬
ihn hatten, die aber jetzt jede Aktualität für des Stück wahrer Charakteristik dagegen ist
nen haben. Det einem deutsch=amerin, under Revolverschuß im letzten
rikanischen Publikum darf man nun aller¬ ist nur die letzte und zugleich wahrhaf¬
dings immer noch eine tiefere Theilnahme teste Kundgebung seiner Natur.
Neben diesen kurzfkizzirten Hauptcharak¬
voraussetzen, denn unsere Empfindungen
teren hat Schnitzler noch einige humorvolle
wurzeln ja noch zum großen Theil im Bo¬
Typen aus der kleinen Künstler=Bohème
den des alten Vaterlandes; wir versteher
noch die Empfindungen, die eine gewisse gezeichnet, namentlich der eifersüchtige Ko¬
Klasse dem Zweikampf entgegenbring, auch miter Enderle, die Soubrette Pepi Fischer
und Direktor Schneider sind höchst gelun¬
wenn sie für uns gewissermaßen nur Re¬
gene Gestalten voll humoristischer Wirkung.
miniscenzen sind.
Den Karinski gab Herr Strobl vielleicht
Schnitzler stellt in Paul Rönning einen
Charakter in den Mittelpunkt der Hand=was zu düster im Kolorit, doch führte er
die Rolle einheitlich durch. Man glaubte
lung, der über das Duell genau die vorge¬
ihm vollauf den Revolver Schuß.
schrittenen Gedanken hegt, wie zweifellos
der größte Theil des Publikums, das seine Herr Faber gab den Rönning im Ganzen
tapferen und vernünftigen Worte gestern mit gutem Gelingen, nur sollte er seiner
Abend oft stürmisch applaudirte. Rönning Neigung zum Posiren mit unerbittlicher
geht sogar noch einen sehr beträchtlichen Strenge entgegenarbeiten, sie verleiht seinen
Schritt weiter: er hält das Duell, soweit
Charakteren etwas Eiles und Unaufrich¬
er selbst in Frage kommt, nicht allein für
tiges. Fräulein Braga fand für die brave
einen vollständig überwundenen Stand¬
na die schlichten Töne und die überzeu¬
punkt, er zeigt auch den vollen Muth seiner
gende Herzenswärme. Ein guter, würde¬
Meinung durch die That. Für seine Ueber¬
voller Rohnstedt war Herr Senius und als
zeugung wird er das Opfer eines Mordes
Wiener Gigerl, der aber für das Duell
schwärmt, brachte Herr von Seyfferlitz in
sen
der Rolle des Poldi Greßlinger die Lacher
auf seine Seite. Eine treffliche Charge
war der Enderle des Herrn Hanno, voll
komischer Nuancen, und Frl. Estrée als
Pepi bot eine gute Studie einer kleinen
Schmieren=Soubrette. In den übrigen
Rollen sind noch Herr Ascher, Herr Heber
als Dr. Wellner, Herr Horwitz und Herr
Müller hervorzuheben.
Das Publikum nahm das Stück mit
großem Interesse entgegen, applaudirte
mehrfach sogar bei offener Scene und rief
die Darsteller nach allen Aktschlussen wie¬
derholt vor den Vorhang.
Heute gelangt als volksthümliche Vor¬
stellung das reizende Lustspiel „Mauer¬
blümchen" von Blumenthal und Kadelburg
zur Aufführung.