II, Theaterstücke 8, Freiwild. Schauspiel in 3 Akten, Seite 336

8. F.
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anders Armee-Zeitung, Wien.
Ausschnitt aus:
168.05
vom

„Freiwild.
Das „Deutsche Volkstheater“ in Wien, das mit feinem In¬
stinkt sein Repertoire dem engen Horizont seines philiströsen Bürgerpublikums
anzupassen versteht, holte aus dem an kostbaren Dingen nicht armen Werke
Artur Schnitzlers gerade das „Freiwild“ heraus, jenes Stück, in dem Schnitzler
sich von seiner schwächeren Seite zeigt, dafür aber in die Niederungen der
Tagesfragen herabsteigt. Bekanntlich behandelt Schnitzler hier das Duell¬
thema: Ein Offizier, Oberleutnant in einem Husarenregiment, eigensinnig und
brutal, beschimpft eine notorisch tadellose Schauspielerin und wird dafür von
dem „beinahe Verlobten dieser Dame coram publico gezüchtigt. Forderung
zum Duell. Der Zivilist verweigert als Gegner des Duells ritterliche Genug¬
tuung, worauf ihn der Oberleutnant auf der Straße zusammenschießt. Ueber
den Wert des Stückes sei heute nicht mehr disputiert. Die Zeit hat das
Urteil gesprochen: kaum zehn Jahre alt, erscheint das Stück schon altmodisch
und verstaubt. Das Duellthema ist heute schon abgegriffen und die endlosen
Reden für und wider im zweiten Akt wirken nur mehr langweilig. Hübsche,
gutbeobachtete Details entschädigen teilweise für die Mängel des Ganzen.
Aber Eine Frage interessiert auch heute noch: kann man sich in
Uniform dieses Stück anhören? Die Frage erscheint insoferne
auch schon überholt, als man bei den bisherigen Aufführungen des Stückes
etliche Kameraden in Uniform im Parkett bemerken konnte, darunter sogar
Generäle. Wir wollen uns nun nicht auf jenen engherzigen Standpunkt
stellen, nach dem beispielsweise in Preußen der Besuch des „Zapfenstreiches
untersagt wurde. Der „Zapfenstreich ist im Grunde nicht eigentlich militär¬
feindlich und das „Freiwild“ noch weniger. Natürlich malt Schnitzler den
Gegner des Duells in eitel rosaroten Farben. Aber als Verfechter dieser
mittelalterlichen Sitte" werden nicht allein Offiziere vorgeführt,
sondern auch zwei Zivilisten, der eine allerdings ein Hohlkopf, der andere aber
eine durchaus sympathische und achtenswerte Persönlichkeit.
Von den drei Offizieren, die auftreten, ist der eine — Leutnant Vogel —
ein guter Kerl, oberflächlich, aber keine Karikatur. Der zweite, Oberleutnant
Rohnstedt, wird als tadelloser Kavalier vorgeführt, natürlich befangen in den
„Vorurteilen" seines Standes, aber geistig und menschlich hochstehend. Bleibt
also nur Oberleutnant Krasinski. Auch er wird nicht völlig verworfen. Einem
Zivilisten werden die Worte in den Mund gelegt, solche willensstarke Menschen
wie Krasinski seien eigentlich ideale Offiziere, im Ernstfalle würde ein solcher
Heldentaten leisten, das Alltagsleben gibt ihnen aber keine Gelegenheit, ihre
Kräfte richtig anzuwenden und sie verlieren das Gleichgewicht. Was uns aber
wesentlich dünkt, Krasinski steht schon zu Beginn des Stückes „auf der
Schneide", gute Kameraden legen ihm nahe, den Rock des Kaisers auszuziehen,
solch leichtsinnige Schuldenmacher und Krakeeler könne man im Offizierskorps
nicht brauchen; die Gefahr ehrengerichtlicher Untersuchung schwebt über ihm.
Also: Krasinski wird durchaus nicht als typischer Offizier gezeigt, das Stück
gibt nicht die zwingende Veranlassung, die Brutalität Krasinskis im militär¬
feindlichen Sinne zu generalisieren, und trotzdem ...
Der Schluß des ersten Akts: Krasinski provoziert in empörender Art
den Zivilisten, beschimpft bewußt eine anständige Dame, da springt der Zivilist
auf und ohrfeigt Krasinski. Krasinski, ohne Säbel, will sich auf den Gegner
werfen, aber seine Kameraden springen dazwischen und verhüten eine Balgerei,
der Vorhang fällt. Der Zuschauerraum wird erhellt und da und dort leuchtet
aus dem „Damenflor" und dem Schwarz des Zivils eine Uniform heraus
vielleicht gerade genau eine solche, wie sie oben Herr v. Krasinski trug, und
aller Blicke wenden sich unwillkürlich zu ihnen. Ein peinlicher
Moment. Wir sind der unmaßgeblichen Ansicht, daß es opportun wäre, des
Kaisers Nock solchen Blicken nicht auszusetzen.