8. Freiwild
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.
Telephon 12801.
Alex. Weigls Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
RUER
I. österr. behördl. konz. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vortretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Genf, London, New-York,
Paris, Rom, Mailand, Stockholm, Christiania, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt ausner Montagspost
3. 1905
vom
Schnitzers Freiwid" im Volkstheater.
Nun ist Schnitzlers Drama „Freiwild" auch in Wien
gegeben worden, nachdem es schon im Jahre 1898 im
Buchhandel erschienen und längst an anderen Orten
gespielt worden ist. Die Dichtung bekämpft in doppelter
Richtung soziale Übelstände, sie gleichsam unter einem
Gesichtspunkte betrachtend oder doch mit einander in
Parallele setzend. „Freiwild," das ist die Schauspielerin,
die sich darauf beschränkt, vertragsmäßig ihren
Verpflichtungen zu genügen, und die schutzlos den Launen
des Publikums und der Willkür eines Ungebührliches
von ihr heischenden Direktors ausgesetzt ist. Und „Frei¬
wild" ist auch der Bürger, den ein unglücklicher Zufall,
den fremdes Verschulden in einen Konflikt mit einem
Offizier gebracht hat und der sich weigert, sich den
Bestimmungen eines Ehrenkoder zu unterwerfen, deren
Sinn, deren Billigkeit, deren Berechtigung er nicht an¬
zuerkennen vermag, der es ablehnt, die Ehre eines
Offiziers, die dieser selbst geschädigt hat, mit Einsetzung
seiner Persönlichkeit, mit Aufgabe seiner Grundsätze
wieder herzustellen. Die Schauspielerin, die glaubt, sie
hat genug getan, wenn sie die Bestimmungen ihres
Vertrages erfüllt und die sich durch diesen Vertrag auch
geschützt wähnt, wird auf die Straße gesetzt, wird in
ihrer Existenz vernichtet. Der Bürger, aber, der glaubt
es sei genug, wenn er die staatlichen Gesetze befolgt,
und der sich einbildet, die staatlichen Gesetze verleihen
ihm auch hinreichenden Schutz gegen Vorurteile und
Erpressungen der Gesellschaft wird straflos niederge
hauen oder niedergeschossen. Die Darstellung verdient
volle Anerkennung. Sie hielt sich im frischen Tempo
und ließ doch nirgends die notwendige Dertlichkeit des
Wortes vermissen. In erster Linie sind wohl Kutschera,
der den Gegner des Duellprinzips gab, und die Dar
steller der Offiziere zu nennen. Wenn Kutschera schlichte,
einfache Naturen, die das Vernünftige als das Selbst¬
verständliche vertreten, zu spielen hat, dann ist er un¬
übertrefflich. Einen tüchtigen Partner hatte er an Herrn
Kramer, aber vorzüglich waren auch Herr Höfer und
Herr Jensen als die Darsteller der beiden anderen
Offiziere. Famos in Maske und Spiel war Herr Tewele
als Schmierendirektor. Schlicht und innig spielte Frl.
Erl die junge Schauspielerin. Unter den Darstellern
der verschiedenen vom Dichter mit scharfen Auge ge¬
sehenen und mit sarkastischer Laune gezeichneten Einzel
figuren seien besonders Frau Glöckner und Herr Czasta
hervorgehoben.
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Telephon 12801.
Alex. Weigls Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
RUER
I. österr. behördl. konz. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vortretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Genf, London, New-York,
Paris, Rom, Mailand, Stockholm, Christiania, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt ausner Montagspost
3. 1905
vom
Schnitzers Freiwid" im Volkstheater.
Nun ist Schnitzlers Drama „Freiwild" auch in Wien
gegeben worden, nachdem es schon im Jahre 1898 im
Buchhandel erschienen und längst an anderen Orten
gespielt worden ist. Die Dichtung bekämpft in doppelter
Richtung soziale Übelstände, sie gleichsam unter einem
Gesichtspunkte betrachtend oder doch mit einander in
Parallele setzend. „Freiwild," das ist die Schauspielerin,
die sich darauf beschränkt, vertragsmäßig ihren
Verpflichtungen zu genügen, und die schutzlos den Launen
des Publikums und der Willkür eines Ungebührliches
von ihr heischenden Direktors ausgesetzt ist. Und „Frei¬
wild" ist auch der Bürger, den ein unglücklicher Zufall,
den fremdes Verschulden in einen Konflikt mit einem
Offizier gebracht hat und der sich weigert, sich den
Bestimmungen eines Ehrenkoder zu unterwerfen, deren
Sinn, deren Billigkeit, deren Berechtigung er nicht an¬
zuerkennen vermag, der es ablehnt, die Ehre eines
Offiziers, die dieser selbst geschädigt hat, mit Einsetzung
seiner Persönlichkeit, mit Aufgabe seiner Grundsätze
wieder herzustellen. Die Schauspielerin, die glaubt, sie
hat genug getan, wenn sie die Bestimmungen ihres
Vertrages erfüllt und die sich durch diesen Vertrag auch
geschützt wähnt, wird auf die Straße gesetzt, wird in
ihrer Existenz vernichtet. Der Bürger, aber, der glaubt
es sei genug, wenn er die staatlichen Gesetze befolgt,
und der sich einbildet, die staatlichen Gesetze verleihen
ihm auch hinreichenden Schutz gegen Vorurteile und
Erpressungen der Gesellschaft wird straflos niederge
hauen oder niedergeschossen. Die Darstellung verdient
volle Anerkennung. Sie hielt sich im frischen Tempo
und ließ doch nirgends die notwendige Dertlichkeit des
Wortes vermissen. In erster Linie sind wohl Kutschera,
der den Gegner des Duellprinzips gab, und die Dar
steller der Offiziere zu nennen. Wenn Kutschera schlichte,
einfache Naturen, die das Vernünftige als das Selbst¬
verständliche vertreten, zu spielen hat, dann ist er un¬
übertrefflich. Einen tüchtigen Partner hatte er an Herrn
Kramer, aber vorzüglich waren auch Herr Höfer und
Herr Jensen als die Darsteller der beiden anderen
Offiziere. Famos in Maske und Spiel war Herr Tewele
als Schmierendirektor. Schlicht und innig spielte Frl.
Erl die junge Schauspielerin. Unter den Darstellern
der verschiedenen vom Dichter mit scharfen Auge ge¬
sehenen und mit sarkastischer Laune gezeichneten Einzel
figuren seien besonders Frau Glöckner und Herr Czasta
hervorgehoben.