8. Freiwild
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hätten, durch dies gute Stück allein keine ge¬
ringere Begeisterung bei der Oeffentlichkeit
gefunden und der Kampf mit Hilfe der öffent¬
lichen Kunst hätte a priori mit weit sympa¬
tischeren Mitteln gearbeitet. Denn während in
der „Fehme“ und „Im grünen Baum zur
Nachtigall“ die Idee des Duell mit den billigen,
aber nicht zu billigenden Formen der Gering
schätzung und Persiflierung aus der Welt ge¬
schafft werden soll, faßt Schnitzler dieses Thema
mit Glacé, oder wenn der Ausdruck gestattet
ist, sozusagen mit Offiziershandschuhen an. Und
gerade an Schnitzler ist dies besonders zu loben,
da er ja sonst seine Ziele mit derben, unge¬
schminkten Mitteln verfolgt; er war eben als
Dichter einfühlig genug, um dies heikle Gebiet
mit heikler Vorsicht zu behandeln. Vor allem
sollten beide Parteien — bei den Anschau¬
ungen über das Duell gibt es ja nur zwei
Ansichten — auf ihre Kosten kommen und
zwar beide, damit die eine, die eigentlich doch
die besiegte ist, es nicht fühlt und so den Sieg
unbestritten der anderen lassen kann. Ich
sage: lassen kann; denn in Wirklichkeit
gibt es ja unter den vielen Anhängern des
Duellkoder wenige Stützen und mehr
Sklaven desselben, die nur allzuoft herzlich
froh sind, wenn der Kodex bei milderer Auf¬
fassung seiner Advokaten in mitius urteilt.
Wie also bereits gesagt, das militärische Publi¬
kum konnte trotz der wiederholt demonstrativ
beifälligen Zustimmung des Zivilpublikums
auch seine Befriedigung finden; den Leutnant
Karinski ist ebenso ein Muster eines Offi¬
ziers, für welchen Offiziersstand und Ehre der
höchste Lebensbegriff ist, wie Paul Rönning
durch und durch Mann ist, der den Schein der
Feigheit, einen Zweikampf zu verweigern, mit
vernünftigen Argumenten missachtet, den Mut
aber im richtigen Moment im rechten Maße
besitzt und ihn da höher stellt als die soge¬
nannten Verfechter des Ehrenkodex. Darum
fand denn auch das Schauspiel ungeteilt bei¬
fällige Aufnahme und Schnitzler braucht nicht
zu fürchten, für sein Antiduelldrama ein zweites¬
mal vom Militär geachtet zu werden. Im Gegen¬
teil: Leutnant Karinski versöhnt viel, was
Leutnant Gustl verpönt hatte. Die Darstellung
blieb hinter den inneren Vorzügen des Stückes
nicht zurück. Die ersten im Schauspiel waren
natürlich die besten, allein auch die übrigen,
minder bedeutsamen Träger der Tendenz boten
eine der besten würdige Hilfstruppe. Herr
Kutschera als Paul Rönning und Kramer
als Leutnant Karinski vertraten die edlen Ten¬
denzen des von ihnen repräsentierten Standes
mit wahrem Feuereifer ehrlicher, innerer Ueber¬
zeugtheit von dem hohen Ziele ihrer Anschauung.
Fräulein Er hatte als Anna Riedel eine
keineswegs dankbare, dafür aber umso schwie¬
rigere Rolle; sie war derselben im vollsten
Maße gewachsen, ja wir müssen sagen, daß
keine Kraft des Burgtheaters die Rolle so ge¬
troffen hätte, wenn überhaupt dort eine Dar¬
stellerin für diese Rolle zu finden wäre. Von
den anderen wollen wir noch den vortrefflichen
Herrn Jensen als Leutnant Rhonstedt,
Tewele als Theaterdirektor, Raeder als
Dr. Wellner und Höfer als Leutnant Vogel
besonders erwähnen, wollen jedoch nochmals
betonen, welch wohlverdienten Anteil das ganze
übrige Ensemble an dem Erfolg hat. Dr. H. R.
Theater in der Josefstadt. Dem Car¬
neval Rechnung tragend hat Direktor Jarno
die tolle Farce „Der keusche Kasimir
aufs Repertoir gesetzt, und damit tatsächlich
das Zwerchfell seines Publikums den lebhaf¬
testen Erschütterungen ausgesetzt. Da ja d.
Lachen das Endziel derartiger Werke ist, so
hat der „keusche Kasimir seine Schuldig-
keit getan — und wird gehen. Den „kenschen
Kasimir, der nichts weniger als keusch ist,
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hätten, durch dies gute Stück allein keine ge¬
ringere Begeisterung bei der Oeffentlichkeit
gefunden und der Kampf mit Hilfe der öffent¬
lichen Kunst hätte a priori mit weit sympa¬
tischeren Mitteln gearbeitet. Denn während in
der „Fehme“ und „Im grünen Baum zur
Nachtigall“ die Idee des Duell mit den billigen,
aber nicht zu billigenden Formen der Gering
schätzung und Persiflierung aus der Welt ge¬
schafft werden soll, faßt Schnitzler dieses Thema
mit Glacé, oder wenn der Ausdruck gestattet
ist, sozusagen mit Offiziershandschuhen an. Und
gerade an Schnitzler ist dies besonders zu loben,
da er ja sonst seine Ziele mit derben, unge¬
schminkten Mitteln verfolgt; er war eben als
Dichter einfühlig genug, um dies heikle Gebiet
mit heikler Vorsicht zu behandeln. Vor allem
sollten beide Parteien — bei den Anschau¬
ungen über das Duell gibt es ja nur zwei
Ansichten — auf ihre Kosten kommen und
zwar beide, damit die eine, die eigentlich doch
die besiegte ist, es nicht fühlt und so den Sieg
unbestritten der anderen lassen kann. Ich
sage: lassen kann; denn in Wirklichkeit
gibt es ja unter den vielen Anhängern des
Duellkoder wenige Stützen und mehr
Sklaven desselben, die nur allzuoft herzlich
froh sind, wenn der Kodex bei milderer Auf¬
fassung seiner Advokaten in mitius urteilt.
Wie also bereits gesagt, das militärische Publi¬
kum konnte trotz der wiederholt demonstrativ
beifälligen Zustimmung des Zivilpublikums
auch seine Befriedigung finden; den Leutnant
Karinski ist ebenso ein Muster eines Offi¬
ziers, für welchen Offiziersstand und Ehre der
höchste Lebensbegriff ist, wie Paul Rönning
durch und durch Mann ist, der den Schein der
Feigheit, einen Zweikampf zu verweigern, mit
vernünftigen Argumenten missachtet, den Mut
aber im richtigen Moment im rechten Maße
besitzt und ihn da höher stellt als die soge¬
nannten Verfechter des Ehrenkodex. Darum
fand denn auch das Schauspiel ungeteilt bei¬
fällige Aufnahme und Schnitzler braucht nicht
zu fürchten, für sein Antiduelldrama ein zweites¬
mal vom Militär geachtet zu werden. Im Gegen¬
teil: Leutnant Karinski versöhnt viel, was
Leutnant Gustl verpönt hatte. Die Darstellung
blieb hinter den inneren Vorzügen des Stückes
nicht zurück. Die ersten im Schauspiel waren
natürlich die besten, allein auch die übrigen,
minder bedeutsamen Träger der Tendenz boten
eine der besten würdige Hilfstruppe. Herr
Kutschera als Paul Rönning und Kramer
als Leutnant Karinski vertraten die edlen Ten¬
denzen des von ihnen repräsentierten Standes
mit wahrem Feuereifer ehrlicher, innerer Ueber¬
zeugtheit von dem hohen Ziele ihrer Anschauung.
Fräulein Er hatte als Anna Riedel eine
keineswegs dankbare, dafür aber umso schwie¬
rigere Rolle; sie war derselben im vollsten
Maße gewachsen, ja wir müssen sagen, daß
keine Kraft des Burgtheaters die Rolle so ge¬
troffen hätte, wenn überhaupt dort eine Dar¬
stellerin für diese Rolle zu finden wäre. Von
den anderen wollen wir noch den vortrefflichen
Herrn Jensen als Leutnant Rhonstedt,
Tewele als Theaterdirektor, Raeder als
Dr. Wellner und Höfer als Leutnant Vogel
besonders erwähnen, wollen jedoch nochmals
betonen, welch wohlverdienten Anteil das ganze
übrige Ensemble an dem Erfolg hat. Dr. H. R.
Theater in der Josefstadt. Dem Car¬
neval Rechnung tragend hat Direktor Jarno
die tolle Farce „Der keusche Kasimir
aufs Repertoir gesetzt, und damit tatsächlich
das Zwerchfell seines Publikums den lebhaf¬
testen Erschütterungen ausgesetzt. Da ja d.
Lachen das Endziel derartiger Werke ist, so
hat der „keusche Kasimir seine Schuldig-
keit getan — und wird gehen. Den „kenschen
Kasimir, der nichts weniger als keusch ist,