8. Freiwild
box 14/4
und
Telephon 1791.
Alex. Weigls Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
„OBSERVER
I. österr. behördl. konz. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Genf, London, New-York,
Paris, Rom, Mailand, Stockholm, Christiania, St. Petersburg.
Quellenangabe, ohne der
POST
Ausschnitt aus:
vam:
0
Theater und Kunst.
Das Deutsche Volkstheater hat A. Schnitzler
Schauspie „Freiwild" in seinen Spielplan au
genommen und einer unverdienten Vergessenheit en
rissen. Das Stück wurde vor einer Reihe von Jahre
an einer anderen Wiener Bühne aufgeführt, dort, w
die tragische Muse niemals einen Hort zu finden ver
mochte. Dessenungeachtet ist seinerzeit viel darübe
geschrieben worden und die Tendenz des Schauspiele.
ist den Theaterfreunden in Erinnerung geblieben. Der
Verfasser variiert das Thema „Freiwild“, einmal in
der Schilderung des schutzlosen Zustandes, in dem sich
eine junge Schauspielerin von moralischer Lebens¬
führung befindet, und ferner durch den Konflikt, der
daraus erwächst, wenn ein Angehöriger eines in Bezug auf
Ehranschauungen besonders einfühligen Standes für eine
schimpfliche Behandlung ritterliche Satisfaktion nicht
zu erlangen vermag. Also wieder die Duellfrage, die
nicht zum ersten Male auf dem Theater zur Dis¬
kussion kommt. Schnitzler beweist in dem Für und
Wider der Auffassung eine starke dialektische Kraft,
und wenn er mit allen Gründen des gesunden Ver¬
standes den Zweikampf verwirft, läßt er ihm gleich
wieder, noch dazu durch den Mund sympathischer,
klardenkender Männer, das Wort reden. Auf beiden
Seiten geht es ohne sophistische Argumente freilich
nicht ab, indes für den Augenblick behält der
Sprechende immer Recht. Mit geistvoller Geschicklich¬
keit drängt der Dichter den Zuhörer in ein Dilemma
des Urteils, welches die endgültige Beant¬
wortung der Frage immer aussichtsloser macht.
Auch sonst konnte der Dichter zu keinem Resultate ge¬
langen und mußte zuletzt — wie immer, wenn der
Dramatiker nicht mehr ein und aus weiß
— zu dem
Knalleffekte eines Revolverschusses seine Zuflucht neh¬
men. Der Beleidigte verschafft sich selber Genugtuung,
genauer genommen: er rächt sich an dem, der ihn
als Duellgegner verschmähte. Damit ist im Grunde
nichts gesagt und nichts getan, es ist ein Schluß,
weil alles ein Ende haben muß. Hier liegt auch die
Schwäche der Erfindung, aber man war zwei Stunden
lang in Atem gehalten worden, und das ist nichts
Geringes. — Es gab denn auch reichlichen Beifall.
Die Schauspieler haben der Sache des Autors redlich
gedient. Von überzeugender Innerlichkeit und Wärme
war Frl. Erl in der Rolle der braven Schauspielerin,
belustigend wirkte Frau Glöckner durch die Dar¬
stellung einer minder rigorosen Sommertheater¬
Soubrette. Herr Kramer — der den tragischen
Helden des Schauspieles gab — erfaßte die Figur in
jedem Zug, wie der Autor sie sich vorgestellt haben
möchte, und in den bewegten Szenen des letzten Aktes
geschah das, was im Theater immer „das Wunder¬
bare“ ist, man vergaß den Schein und ließ sich von
einer schauspielerischen Leistung packen, die die vol
Realität vortäuscht. Den zweiten Leutnant spielte Her
Jensen verständnisvoll und mit sympathischer Über
legenheit, den dritten gab nach dem Theaterzett
Herr Höfer. Vielleicht ist es ein Irrtum, den
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und
Telephon 1791.
Alex. Weigls Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
„OBSERVER
I. österr. behördl. konz. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Genf, London, New-York,
Paris, Rom, Mailand, Stockholm, Christiania, St. Petersburg.
Quellenangabe, ohne der
POST
Ausschnitt aus:
vam:
0
Theater und Kunst.
Das Deutsche Volkstheater hat A. Schnitzler
Schauspie „Freiwild" in seinen Spielplan au
genommen und einer unverdienten Vergessenheit en
rissen. Das Stück wurde vor einer Reihe von Jahre
an einer anderen Wiener Bühne aufgeführt, dort, w
die tragische Muse niemals einen Hort zu finden ver
mochte. Dessenungeachtet ist seinerzeit viel darübe
geschrieben worden und die Tendenz des Schauspiele.
ist den Theaterfreunden in Erinnerung geblieben. Der
Verfasser variiert das Thema „Freiwild“, einmal in
der Schilderung des schutzlosen Zustandes, in dem sich
eine junge Schauspielerin von moralischer Lebens¬
führung befindet, und ferner durch den Konflikt, der
daraus erwächst, wenn ein Angehöriger eines in Bezug auf
Ehranschauungen besonders einfühligen Standes für eine
schimpfliche Behandlung ritterliche Satisfaktion nicht
zu erlangen vermag. Also wieder die Duellfrage, die
nicht zum ersten Male auf dem Theater zur Dis¬
kussion kommt. Schnitzler beweist in dem Für und
Wider der Auffassung eine starke dialektische Kraft,
und wenn er mit allen Gründen des gesunden Ver¬
standes den Zweikampf verwirft, läßt er ihm gleich
wieder, noch dazu durch den Mund sympathischer,
klardenkender Männer, das Wort reden. Auf beiden
Seiten geht es ohne sophistische Argumente freilich
nicht ab, indes für den Augenblick behält der
Sprechende immer Recht. Mit geistvoller Geschicklich¬
keit drängt der Dichter den Zuhörer in ein Dilemma
des Urteils, welches die endgültige Beant¬
wortung der Frage immer aussichtsloser macht.
Auch sonst konnte der Dichter zu keinem Resultate ge¬
langen und mußte zuletzt — wie immer, wenn der
Dramatiker nicht mehr ein und aus weiß
— zu dem
Knalleffekte eines Revolverschusses seine Zuflucht neh¬
men. Der Beleidigte verschafft sich selber Genugtuung,
genauer genommen: er rächt sich an dem, der ihn
als Duellgegner verschmähte. Damit ist im Grunde
nichts gesagt und nichts getan, es ist ein Schluß,
weil alles ein Ende haben muß. Hier liegt auch die
Schwäche der Erfindung, aber man war zwei Stunden
lang in Atem gehalten worden, und das ist nichts
Geringes. — Es gab denn auch reichlichen Beifall.
Die Schauspieler haben der Sache des Autors redlich
gedient. Von überzeugender Innerlichkeit und Wärme
war Frl. Erl in der Rolle der braven Schauspielerin,
belustigend wirkte Frau Glöckner durch die Dar¬
stellung einer minder rigorosen Sommertheater¬
Soubrette. Herr Kramer — der den tragischen
Helden des Schauspieles gab — erfaßte die Figur in
jedem Zug, wie der Autor sie sich vorgestellt haben
möchte, und in den bewegten Szenen des letzten Aktes
geschah das, was im Theater immer „das Wunder¬
bare“ ist, man vergaß den Schein und ließ sich von
einer schauspielerischen Leistung packen, die die vol
Realität vortäuscht. Den zweiten Leutnant spielte Her
Jensen verständnisvoll und mit sympathischer Über
legenheit, den dritten gab nach dem Theaterzett
Herr Höfer. Vielleicht ist es ein Irrtum, den