II, Theaterstücke 8, Freiwild. Schauspiel in 3 Akten, Seite 409

8. Freiwild
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SONN-u. MONTAGS-Courier vom 20. Oktober 1919.
Stadttheater Schnitzlers Freiwild übt trotz zwanzigjährigen gestandes noch immer
als Wahrheit der soziale Mitgefühl, das es auslöst, wenn auch manche der ge-
schilderten Zustände überhold sind. Ein junger Mann der sich nicht duellieren will
wird einfach vom Gegner niedergeschossen. Dieser noch immer effektvolle Stoff wurde
von Strobl, Herz, Norfolk Zeska und der graziösen Rosenquist ebenso wahr als effektvoll
dargestellt.
20.75
Kuninteressantes Blatt, Wien
Theater und Kunst.
Theater und Kunst.
Wiener Stadttheater.
Wiener Stadttheater. Es nützt doch nichts.
Freiwild von Arthur Schnitzler, Wie rasch sich die
Was nicht aus den Tiefen der Menschheit emporsteigt
Zeiten ändern! Was einstens als kühnes Wagnis galt,
die Frage anzuschneiden, ob es für den Offizier neben der
und in ihr wurzelt, kann im Leben wie in der Kunst
allgemeinen noch eine besondere Standesehre gebe, er¬
nur ein flüchtiges Scheinleben führen. So ist auch
scheint heute nach dem Zusammenbruch der Armee als
Schnitzlers „Freiwild, das bloß eine gesell¬
derart veraltet, daß den Geschehnissen auf der Bühne
schaftliche Sitte, die Verpflichtung zum Duell aus ge¬
nicht nur kein Verständnis, sondern überhaupt kein Inter¬
sellschaftlicher Anschauung, zum Vorwurf hat, heute
esse mehr entgegenbringt. Einzig das durchaus menschliche
Empfinden des Dichters, der leichtflüssige Dialog und das
wirkungslos. Der Mensch, der heute an ein Duell mit
seinem Formelkram auch nur denken würde, wäre rei
für die Behandlung in einem Irrenhaus. So sitzen
se
wir denn vor der Bühne und wissen nicht mehr recht,
um was die Leute da oben hern den und so aufge¬
regt tun. Dieser desperate Oberleutnant, der sein Opfer
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sucht, dieses Milieu aus Schauspielern und Offizieren
und zivilen Lebejünglingen, ist uns fremd und unver¬
ständlich geworden. Vor zwanzig Jahren mochte so was
rasche Abrollen der einzelnen Szenen machen das Schau¬
aktuell gewesen sein. Heute stehen wir über solchen Er¬
spiel erträglich. Leider war die Regie nur auf Aeußerlich¬
eignissen, darüber hilft die beste Darstellung nicht hin¬
keiten gestellt und das Streichen wichtiger Szenen, die für
weg, die diese leeren Figuren eines Tendenzstückes auch
die psychologische Begründung der Vorgänge von Belang
nicht zu beleben vermag. Julius Strobl verlieh
sind, nahmen dem Stück einen Teil des Erfolges. Auch
zwar dem Oberleutnant seine sichere elegante Haltung,
die Darsteller taten sich nicht allzu rühmlich hervor. Herr
aber sympathisch konnte er ihn nicht machen, ebenso
Strobl war merkwürdig unelegant, Herr Norfolk hölzern,
wenig wie das Liebespärchen von Thea Rosenquist
Herr Zeska zu pathetisch. Die Damen genügten. Es war
und Philipp Zeska, gespielt mit seiner zwischen Tod
ein bescheidener Erfolg und auch der Beifall klang spärlich.
und Leben schwankenden Sentimentalität, uns ans Ge¬
müt ging. Der Beifall war nicht überwältigend, das
Publikum hatte wohl ein anderes Freiwild erwartet.