II, Theaterstücke 8, Freiwild. Schauspiel in 3 Akten, Seite 411

8. Freiwild
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Osterreichische Rundschau, Wien
idschau.
Versuchen dramatischer Weltverbesserung den
heiteren Gaben zu, die in den letzten Wochen
den Spielplan der Wiener Bühnen be¬
herrschten, dann drängt sich des psychopatische
Lustspiel „Femina von C. K. van Nossem
und J. F. Soesman als ein wirklich ver¬
gnügliches Stück, das in den Kammer¬
spielen von Frau Köckeritz und den Herren
Everth und Homma auch recht munter und
liebenswürdig gespielt wird, in den Vorder¬
grund der Erinnerung. Mit köstlicher Ironie
werden in dieser Komödie holländischer Her¬
kunft die Lehren Siegmund Freud an einem
verliebten Nervenarzt ad absurdum geführt,
und was eine betriebsame Halbwissenschaft
mit dem ganzen Aufwand psychologischer
Spitzfindigkeit zu einem scheinbar unwider¬
legbaren System ausgebaut hat, stürzt wie
ein Kartenhaus in sich zusammen. Und die¬
vollbringt ein beherztes Weibchen einzig durch
die Kraft seines gesunden Naturtriebes und
seines klugen Mutterwitzes. Nur drei Personen
bestreiten das Spiel und dennoch wirkt es
ungleich anregender und abwechslungsreicher
als der Pariser Schwank „Sie lacht" von
Maurice Soulie und Charles Darautiere,
der fast das ganze Personal des Theaters
in der Josefstadt in Bewegung setzt, um
neue Lustigkeiten aus den Voraussetzungen
zu ziehen, auf denen das heitere Verhängnis
von „Haben Sie nichts zu verzollen?“ beruht.
Nur ist es kein Zollbeamter, der hier das
pikante Unheil anstiftet, sondern das Lachen
Offene Türen rennt heute auch Arthur
einer Frau, das den jungen Gatten entmannt,
Schnitzlers Schauspiel „Freiwild ein, und
so oft er sich ihr nahen will, un mit ihr
wenn merarisch gewordenen Stadttheater
die Ehe zu „konsumieren". Nicht sehr kurz¬
neben Gerhart Hauptmann, August Strind¬
weilig ziehen sich die beiden ersten Akte hin,
berg, Henrik Ibsen und Karl Schönherr
und erst der letzte bringt einige Entschädigung,
billigerweise auch Schnitzler vertreten sein
aber mehr durch das, was man sich bei den
mußte, dann durfte dazu kein Stück heran¬
Vorgängen hinter der Bühne lüstern vorstellt.
gezogen werden, dessen Problematik von
Inzwischen hat sich das Josefstädter Theater
den Ereignissen der Zeit so gründlich über
auch der Jargonposse „Rosa Altschul“ be¬
holt worden ist, wie gerade „Freiwild“. In
mächtigt, deren Herrlichkeit auf der Volks¬
den Tagen der Volkswehr fühlen wir uns
bühne einen so jähen Abbruch erlitten hat.
durch den militärischen Duell zwang wahrlich
Hoffentlich ist ihr im achten Bezirk eine
nicht mehr beschwert, und was in dem einst
längere Dauer beschieden, als in der Neubau¬
viel umstrittenen Schauspiel an hübschen,
gasse, wo sich jetzt Herr Walden als Schau¬
mit seiner Psychologie durchwirkten Milieu¬
spieldirektor etablieren will, um die Volks¬
schilderungen nebenher läuft, ist, auf sich selbst
bühne in eine Renaissance=Bühne umzuwan¬
gestellt, doch wohl nicht stark genug, um die
deln. Man darf begierig sein, welcher Art / die
Mühen einer wohl anständigen, aber keines¬
Wiedergeburt sein wird.
wegs zwingenden Wiederaufführung zu ver¬
Theodor Antropp.
lohnen. Wendet man sich von den ernsten
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