II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 16

Liebelei
bos 10/1
5. Lezsler
shäufes ausgearbeitel und in Berathung genommen werden."
Döbler senior; das Haus Liechtensteinstraße Nr. 94 an
Wien, 11. October.
— Während der Abwesenheit des Marktdirectors Kainz
Haus
Franz Ellinger von Johanna Adler; das
Gestern Nachmittags fand unter dem Vorsitze des
wird Inspector Neßler die Leitung des Marktamtes
Pelikangasse Nr. 14 an Helene Chrobak von Dr. Adolph
Grasen Badeni wieder ein Ministerrath statt.
übernehmen.
Exner.
sehen, und nun überrascht er den Elenden bei einer Orgie
mälde, das als parallel laufende Ergänzung des ersten
die der Dichter vornimmt, sondern um ein klägliches Opfer
mit leichten Dirnen. Das mag ihn bestimmen, etwas um¬
Actes diesem zur Seite tritt. Der handelnde Drama¬
des Intellects, um ein bedauernswürdiges Beispiel menschlicher
ständlicher mit dem ihm Verfallenen zu verfahren, und er
tiker muß dabei dem Novellisten und Lyriker häufig
Hinfälligkeit und Schwäche. Es würde sich verlohnen,
spart sich ihn zum Zweikampf für den übernächsten Tag auf.
das Feld überlassen, aber die poetische Kraft des
die Geschichte auch dieses „Armen Spielmannes“ zu schreiben;
Fritz muß in Folge dessen die verlängerte Qual eines zum
Dichters hält zusammen, was auseinander zu fallen droht,
das Orchester im Vorstadttheater, die Schubert=Büste auf
Tode Verurtheilten ertragen; er weiß, daß er fallen wird;
und wir empfinden kaum den Stillstand der Handlung. Auch
dem Ofen, das unvollständige Conversationslexikon im
der Beleidigte hat sich tausendsach an ihm gerächt. Wohl
hier heimelt uns an, was wir sehen und hören, noch mehr
Bücherkasten, das nur bis zum Buchstaben G reicht, ein paar
lernt er begreifen, daß ihn eigentlich nichts an das Leben
als im ersten Acte, weil ein Gefühl der Sympathie die
verblichene Photographien und wohl auch — das Bierhaus
bindet; denn Leben ist Lieben, und er hat niemals eine
Beobachtung durchwärmt, dessen wir uns selbst da nicht er¬
und die Schnapsboutique würden darin vorkommen. Dann
Person oder einen Gegenstand wirklich geliebt. Weder seine
wehren können, wo wir es verurtheilen müssen. Einen
würden wir den Mann völlig begreifen und entschuldigen,
Wissenschaft, noch seine Eltern, noch einen seiner Freunde,
wunderlicheren Vater, als den alten Hans Weiring haben
der seine selige Schwester auf den Knien um Verzeihung
noch das Weib des Andern, noch die kleine Christine, das
wir wohl noch nicht auf der Bühne erlebt. Er weiß nicht
bitten möchte, daß er „sie so gut behütete vor allen Ge¬
Musikantenkind aus der Vorstadt, das ihm sein Commilito
fahren und vor allem — Glück“! In der bei sonstiger Ge¬
nur, daß sich seine Tochter an einen reichen Studenten weg¬
Theodor zur Zerstreuung zugeführt hat. Für ihn gab es
geworfen hat, sondern er unterstützt und beschönigt auch das
nauigkeit des Details im Großen und Ganzen doch skizzen¬
nut die fashionable Liebelei, die seiner Eitelkeit und
unsaubere Verhältniß und citirt obendrein den Geist seiner
haften Form seines Dramas konnte Schnitzler nicht immer so
seinen Sinnen schmeichelte, um allmälig sein besseres Selbst
Schwester, einer tugendhaft verstorbenen alten Jungser, um
deutlich werden, wie er sein wollte, und wir rechnen ihm das
zu zerstören. Trotzdem wird es ihm schwer, Abschied zu
sich in seinen verkehrten Ansichten zu befestigen. „Sagen Sie
gewiß nicht zum Lobe an. Sache des Schauspielers wäre es
nehmen; ein Rest unverbrauchter Lebenskraft regt sich in
mir, Frau Binder,“ fragt er eine Nachbarin, „ist denn ein
gewesen, dem Dichter beizuspringen und ihn über seine eigenen
ihm angesichts des Todes, und er klammert sich an das
so blühendes Geschöpf wirklich zu nichts Anderem da, als
Absichten arfzuklären. Eine ähnliche Lücke zeigt der im
einzige Geschöpf, von dem er sich geliebt weiß, ohne dieses
sich dem ersten besten anständigen Menschen in die Arme zu
Uebrigen höchst liebevoll und sorgfältig ausgeführte Charakter
heiligende und entfühnende Gefühl erwidern zu können. Ihre
wersen, der zufällig eine fixe Anstellung hat? Ist denn das
Christinens, oder wäre es gar ein Bruch? Daß ein Mädchen
rührende, selbstlose Hingebung läßt ihn eine Stunde lang
Leben wirklich lang genug, daß man seine jungen Jahre
aus Liebe sich wegwirft, ohne im Rausche der Leidenschaft
glauben, daß sein Heil in ihren Armen ruhe, ihre leiden¬
so einfach zum Fenster hinauswerfen darf? Steht das
nach der Zukunft zu fragen, entspricht der natürlichen Er¬
schaftliche Empfindung ist so stark und innig, daß sie ihn wie
wirklich dafür? Und was hat denn so ein armes Geschöpf
fahrung. Daß aber ein tugendhaftes Mädchen, das eine so
eigene Wärme überrieselt; aber, losgelöst von ihrem treuen
schließlich von dem ganzen großartigen Bewußtsein ihrer
adelige Seele besitzt, wie Christine, sich mit kalter Ueber¬
Herzen, erkennt er fröstelnd auch diese letzte jammervolle
Tugend, wenn schon nach jahrelangem Warten richtig der
legung wegwerfen soll, indem sie die ausgesprochenste Ex¬
Strumpfwirker kommt?“ Kein schlauer Verführer könnte
Täuschung und bietet, angeekelt von seiner vergeudeten
klärung abgibt, sie wisse, daß sie nicht geliebt und daß ihr
Jugend, die ihm am Rande des Grabes einen neuen Früh¬
sophistischer zu dem Mädchen reden, das er zu Falle bringen
Freund sie vielleicht schon morgen verlassen werde, klingt
ling vorlügen möchte, seine Brust der Kugel des Gegners
will. Und der eigene Vater? Welche Summen von
doch etwas unwahrscheinlich und erinnert an die frauen¬
dar. Wenn der erste Act des Stückes ein keckes Lustspiel ist,
Kränkungen und Demüthigungen muß der Unglückselige er¬
mörderische Unwiderstehlichkeit, die Schnitzler seinem Weiber¬
das zur Noth für sich bestehen könnte, obwohl es zuletzt
fahren haben, welches Uebermaß von Kummer, Noth und
helden in „Anatol“ verliehen hat, dessen Typen von vor¬
gleichsam tragisch geköpft wird, so will uns der zweite das vom
bildlicher Bedeutung für „Liebelei“ gewesen sind. Der Scenen,
Leid der schwersten Art muß über ihn ausgeleert worden
Titel verheißene Schauspiel nachliefern. Wir werden von dem
sein, ehe er so tief im Schlamme der Gemeinheit versinken
in denen Christine unbewußt die Schätze ihrer Seele vor.
Dichter in die Häuslichkeit des Wiener Vorstadtkindes ge¬
konnte! Hier handelt es sich beileibe nicht etwa um eine „Um¬
ihrem scheidenden Geliebten ausschüttet, brauchte sich kein¬
führt und erhalten auch hier ein in sich abgeschlossenes. Ge¬] werthung“, d. h. Verfälschuug sittlicher Begriffe à la Nietzsche, großer Dichter zu schämen.