II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 18

Liebelei
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5. Lu

benehmen weiß, nimme wen
das eigene Volksthum vor dem ihm zugedachten! Ehrgefühl bewahren, um nicht zusolcher
aber, daß so ziemlich alle Elemente des österreichischen
der Welt nicht die Jugend seiner Tochter
nun eine Geschichte ersonnen, die zu Beginn gar nichts Außer¬
Burgtheater.
gehen sehen möchte und sich freut, daß si
gewöhnliches verspricht, dann aber durch einen kecken deus
(„Liebelei“, Schauspiel in drei Acten von A. Schnitzler.
in Gesellschaft der Schlager=Mizzi unter
ex machina ein sonderbares, auf der letzten Spitze des
„Rechte der Seele“, Schausviel in einem Act von
und wann, darum kümmert er sich nicht
Möglichen balancirendes Seelenproblem entrollt.
G. Giacosa, deutsch von O. Eisenschütz.)
kommt und findet die Wohnung und Al
Zwei junge Studirende aus guten Häusern, Fritz
Das Burgtheater tritt mit seinem diesjährigen Pro¬
wundernett, erklärt ihr auf ihre dringend
und Theodor, laden sich zwei „Mäderln“, die fesche
gramm den Modernen um ein Bedeutendes näher. Den
er sie liebe, daß er aber morgen fortsah
Schlager=Mizzi und Christine Weiring, die Tochter eines
ersten energischen Schritten früherer Jahre, wie durch die
ihm sofort sein Freund bestätigt, der ihn
Geigers an einem Vorstadttheater, zu einem Souper in
Aufführung von Hauptmann's „Einsamen Menschen“ und
Fritzens Wohnung ein. Der leichtlebige und =sinnige
Im dritten Acte wartet Christine au
„Hannele", von Werken Ibsen's und Sudermann's, soll
Theodor hat die Sache arrangirt, um seinen Freund
von Fritz; ihre Unruhe kann selbst durch
nun eine Spielzeit folgen, in der das jüngste Deutsch¬
durch Zerstreuung von der Liebe zu einer verheirateten
Mizzi, die natürlich von der Abwesenheit
land das erste Wort zu reden hat. Die stolze Burg am
Frau zu befreien, die ihm zu gefährlich und zu ernsthaft
nichts denkt und sich wundert, daß Ch
Franzensring hat der anstürmenden Jugend ihre Thore
scheint; seiner Ansicht nach sind sie — die Frauen
längere Dauer des Verhältnisses glaub
geöffnet: „Ziehet ein und sehet zu, wie ihr euch hier
nämlich
Herrn Fritz sitzt
ja zum Erholen da.
werden. Da kommt der Vater, den sie
häuslich einrichten und einen dauernden Niederlaß finden
allzu tief im
diese Leidenschaft offenbar nicht
Sache unterrichtet hat, zu dem aufgeregtel
könnt.“ Das ist gewiß nur billig und gerecht; eine
Herzen, denn er beginnt mit der stillen und be¬
beginnt ungeschickterweise mit den Wor
Bühne, die über die besten Kräfte einer Nation verfügt,
scheidenen Christine bei dem Souper ein ordnungsgemäßes
Alles wieder gut werden.“ Das ist natür
muß diese auch in den Dienst derjenigen Kunstrichtung
Techtelmechtel. Die Fröhlichkeit ist in vollem
Grund genug, das Schlimmste zu für
stellen, in der Hunderte junger Geister das Morgenroth
Gauge, es ertönt auf dem Claviere sogar — Geist des
erfährt es auch gleich; denn Theodor, v#
einer neuen Zeit sehen. Das Wiener Burgtheater mußte
alten Burgtheaters, verhülle dein Antlitz! — der Doppel¬
erscheint in Trauer und vermeldet, da
es umsomehr thun, als es trotz des Bestehens einer
adlermarsch — da stört ein Besuch die lustige Gesell¬
Langsam wird dem unglücklichen Mädchen
anderen Bühne, die den stolzen Namen Deutsches Volks¬
schaft; Fritz empfängt ihn allein: ein Herr, der sich in
gegeben: erst die Todesnachricht, dann
theater trägt, bis heute die einzige Stätte ist, in der die
einigen Kraftworten als den betrogenen Ehemann der
gefallen und schon begraben ist „Im 2
neue deutsche Kunst auch gepflegt wird.
von Fritz angeschwärmten Frau vorstellt und die Briefe
aus, „also für eine Frau, für jene Fr
Schnitzler's Schauspiel „Liebelei“ gehört nicht dazu;
seiner Gattin zurückverlangt. Fritz, der mit Blicken ab¬
mir keine Auskunft geben wollte. Und
aber es ist modern, sogar schrecklich modern und — was
gekanzelt wird wie ein Schu#nge, liefert nicht eben
so liebte, für mich hatte er kein Wort
nicht zu unterschätzen ist — es ist dem vollen Wiener
sich zur Verfügung.
ritterlich die Briefe aus und
mir hat er nichts davon gesagt? Ich ka
Leben entnommen; es zeigt Momente, die täglich vor¬
Das Souper endet daher in iemlich gezwungener
zu seinem Leichenbegängniß.“ In hellg
kommen und achtlos übergangen werden, gleichviel ob sie
Heiterkeit.
über ihre Verlassen= und Vergessenheit,
zu schweren Conflicten führen oder nicht. Man könnte
Jammer darüber, daß sie ihm, der
Im zweiten Acte führt uns der Verfasser in die
sich als anregendes Motiv für den Verfasser eine der
nichts bedeutete, stürzt sie zur Thüre
Wohnung des alten Musikus Weiring; Christine hört
täglich in mehrfacher Anzahl erscheinenden Zeitungsnotizen
Grabe, wie sie selbst sagt, in ihr eigenes,
eine Predigt einer Frau Nachbarin an, die für sie einen
mit der Bezeichnung „Lebensmüde“ vorstellen, die in
Vater glaubt, der gebrochen mit dem Ruf
Mann mit einer fixen Stellung wüßte. Der Geiger stellt
knappen, fühllosen Worten oft den letzten Act einer
„Sie wird nicht mehr kommen.“
Tragödie erzählen. Schnitzler hat zu diesem Ergebnisse; sich als ein seelensguter alter Herr vor, der um Alles in
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