II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 76

Krafte Sonenertt
Liebelei
5. Mensen box 10/1
Der Novitätenbesucher.
In der kurzen Spanne Zeit, welche zwischen
der letzten und der heutigen Nummer des „Wiener

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Leben“ liegt, hat sich vor und hinter den Coulissen
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der Wiener=Theater so viel ereignet, als sonst zehn
journalistische Theaterpappler in Cafe Scheidl in

einem Jahre nicht zusammenlügen können.
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Arthur Schnitzler, der sich seinerzeit als
Theaterdichter im „deutschen Volkstheater; recht
ungünstig einführte, hatte letzten Mittwoch im
Burgtheater mit einem neuen dreiactigen, wiene¬
rischen Drama: „Liebelei“ einen vollen Erfolg davon¬
getragen, wozu allerdings die Darstellung sehr viel

dazu beitrug.
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hervorragende Dienste leisten wird.
## Pest, 18. Oct. (Telegr.) Außer Goluchowski sind auch Vadeni suchte, die
Der Großherzog von Baden hat am gestrigen Tage im Hin= und Bilinski hier eingetroffen zu mehrtägigem Aufenthalt. Golu= behandeln.
dlick auf die heutige Feier in Wörth, an der er auch teilgenom=Ichowski und Bauffy verkehren miteinander unausgesetzt. Zwischen! daher dies
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S

kampf um Mann und Kleid von ihren Berliner Leidensgenossinnen? —f gegenüber
Wiener Brief.
Das etwa war das Grundproblein der „Charakterstudie“. Man
Karl soll
e Wien, im October.
darf antworten: Durch stärkeres Ueberwiegen des Bluts über das Urteil,
sie zurecht
der unbewußten Triebe über den Intellect, somit durch mehr Leichtsinn
Finwinterung. „Ein Regentag.“ „Liebelei.“ Raimundtheater. Wiedener
und sie e
und weniger Berechnung, mehr Natur und weniger Erziehung, mehr
Theater. Carltheater.
waltendes
Gutmütigkeit und weniger Vernunft oder vernünftige Herzensgüte,
Herzen im
Die Wiener Gesellschaft ist heimgekehrt zu den häuslichen Herden,
mehr zwecklose Vergnüglichkeit urd weniger bewußtes Streben,
den Geliel
und nach der langen Sommer=Erholung tritt wieder das glanzvoll¬
mehr heitere Liebenswürdigkeit ohne Zweck und Ziel, mehr gute
Mädchen.
elektrische, kunstvoll=künstliche, reichbewegt=aufregende Großstadtleben
Laune und mehr Caprice. Ein Regentag, der ihre üble Laune
sie davon,
in die alten Rechte. Seit Ende September hat man sich einge¬
weckt, kann alle ihre Berechnung, ihre Liebe, ihre ganze Zukunft
same, wer
wintert in der Stadtwohnung. Vom Staube befreit sind Bücher
über den Haufen werfen. Das ist das Schicksal der Baronesse
mittelbar
und Möbel; freier atmet der Mensch, nachdem das Naphthalin aus
Kitty Herterich, die einer armen, halbverlotterten Wiener Adels¬
Das dr
Polstern und Teppichen herausgeklopft ist. Die Großstadtgesellschaft
familie angehört, wie sie hier nicht eben selten im armen Beamten¬
Wiener S
findet wieder Gefallen an sich selbst und sucht neue Nerven¬
adel zu finden sind. Um der Wahrheit noch näher zu kommen,
heilige Lie
Anregungen. Je kühler der Herbstwind die Blätter vom Baum
hätte David der Familie einen Rest von „Vornehmheit“ lassen
junge Her
oder die Haare vom Haupte schüttelt, um so lieber spazirt man in
sollen. Der verarmte alte Grundadel, von dem er spricht, besitzt
machen sic
die lang entbehrten Theater, die jetzt mit Neuheiten wetteifern.
wohl teilweise abweichende Charakterzüge. Im Deutschen Volks¬
Christine u
Seit Jahren haben die Wiener Theater nicht soviel Wienerisches
theater spielt seltsamerweise eine Berlinerin, Frau Odilon, die
„vergnügte
gebracht wie in diesem gesegneten Monat October. Selbst das
wienerische Kitty, und obwohl sie den ganzen Sommer mit ihrem
lustige Pa
Burgtheater fühlte sich localpatriotisch angeregt, aus dem Wiener
Gemahl Girardi „lerchenfelderisch“ geübt haben soll und ihre schöne
Fritz und(
Liebesleben der jetzt wieder versammelten Hi hschulkreise zwei zeit¬
Darstellungskunst reich entfaltete, kann sie unmöglich weder im
satz. Für
weilige Liebespaare naturgetreu vorzuführen. Das „Deutsche Volks¬
Dialekt noch im Charakter die Wiener Urwüchsigkeit treffen. Die
schert sich
theater“ verstieg sich zu einer dreiactigen „Charakterstudie“ von
Baronessen Kitty und Lizzy leben bei ihrem freiherrlichen Gro߬
stehen die
Wiener „Schmetterlingen“ aus sinkenden Häusern. Raimund¬
papa, der als Versicherungsagent seine alten Verbindungen aus¬
einen Lieb
theater und Wiedener Theater suchten das galante Wienertum in
schrotet und sich dadurch ermöglicht, ein ziemlich flottes Leben nach
lebt“. Sie
lustigen Possen von der heitern Seite zu packen und das erneuerte
der Thorsperre fortzuführen. Ein guter Kerl und schwacher Charakter,
an den Au
Carltheater unter Jauner von der — nun, sagen wir — von der
gibt er seinen Enkelinnen ein nicht sehr erbauliches Beispiel und
verhältnis
Operettenseite. Im Burgtheater und Deutschen Volkstheater hatten versucht nur ausnahmsweise auf die sich selbst Ueberlassenen erzieh¬
strickt, das
die Autoren Dr. Arthur Schnitzler und J. J. David, die sich als
lich einzuwirken. Lizzy soll Lehrerin werden, findet aber kein Gefallen
Erholung“
hervorragende Talente bekundeten, mehr Glück als deren dramatische
am soliden Lernen und an dieser Zukunftsaussicht. Sie beneidet
Christine zu
Erzeugnisse „Liebelei“ und „Ein Regentag“, die modern=unerfreulich,
die von Liebhabern umschwärmte Kitty und zankt mit ihr. Es
bedürftige
wohl als Wiener Culturbilder ihren Wert haben, doch keine
herrscht ein unfreudiger, verbitterter Ton in dieser Adelsfamilie
Theater.
künstlerisch befreiende Wirkung üben. Das stärkere und tiefere Talent
ohne Vermögen und ohne Zukunft. Unter Kittys Liebhabern ist ldauernde se
ist J. J. David. Sein Werk ist auch das herbere, härtere, zu hart
kein ernster Bewerber und sie zählt schon 26 Jahre und denkt an
findet in ih
für diese gutherzigen, temperamentvollen und leichtsinnigen Geschöpfe,
die Zeit, da sie nicht mehr so schön und lustig und gefällig sein
modernes G
diese „lieben Mädel“ über denen er grausam die blutige Geißel!
würde. Da kommt der reiche Gutsbesitzer Dr. Karl v. Bauer, der (Tugend ein
schwingt. Flotter dichtet Der Medicinaldoctor Arthur Schnitzler,
Sproß einer ernsten arbeitsfrohen Familie, die sich das einstige sierinnerungs
des verstorbenen Directors der Poliklinik hoffnungsvoller Sohn;
Schloß des Freiherrn erwirtschaftet hat, eine Mischung von länd¬
hab sie so g
doch zeigt sich seine Ethik medicinisch angekränkelt und seine Kunst
licher Kernigkeit und Naivetät, mit Weltbildung und Welterfahren¬
allem Glück.
arbeitet stark mit dem photographischen Kodak. Beide neue Drama¬
heit, und sagt ihr: Er wisse zwar von ihren Verhältnissen, doch
artigen Ben
tiker besitzen die Gaben naturgetreuer Nachahmung und die künst¬
sei er ihr gut. Auf seinem Landsitz, wo er mit seiner Mutter in Tochter, „ei
lerische Zähigkeit, das scharf Beobachtete lebensvoll auf die Bretter
einförmiger Arbeitsamkeit lebe, fehle ein aufheiterndes Element; da Tante schein
zu stellen, sie sind wahr, außerordentlich lebenswahr. Vor zwanzig
würde die sonnige Heiterkeit und Leichtigkeit des herzigen Mädels Surrogate.
Jahren, da wir noch in den verlogenen Salon=Effectstücken oder
ihm grade passen und er möchte sie zur Frau haben, wenn seine lersten Liebe,
süßlichen Altweiberstücken steckten, erfreute uns jeder Theelöffel
Mutter zustimme. Ihre dankbare Aufrichtigkeit und ein Kuß, mit Fritz, der sie
Wahrheit, aber ach, seit die modernen Dichter uns die Wahrheit
welchem sie sich ihm sogleich an den Hals wirft, gewinnen ihn von Klärcher
mit Mistgabeln eingeben wollen, haben sie uns den Geschmack
vollends. Sie geht mit ihm aufs Schloß zu seiner Mutter und
ist leider kein
daran verdorben, und man flüchtet lieber zu freiester Märchenpoesie.
bleibt dort als Gast, als halbe Braut. Weiterhin werden die Be¬
Dame, bei d
J. J. David hat durch eine gediegene aber grausame Tragödie aus
ziehungen des leichtblütigen Schmetterlings zu der gediegenen und
fordert ihn
den Bauernkriegen, bei welcher nicht bloß alle Personen, sondern
klugen alten Frau sehr gut geschildert, wie die liebenswürdigen
ihm die Ahn
auch die Häuser zugrunde gingen, im Deutschen Volkstheater bereits
Eigenschaften Kittys die Mutter anziehen und ihre zügellose Zunge,
wäre, aber —
dramatischen Ruhm und durch tiefgründende Novellen nach der
die eine zügellose Erziehung verrät, sie abstoßen. Wird Kitty
erschossen un
Art von Konrad Ferdinand Meyer allgemeine literarische Anerkennung sich einleben, das Schlüsselbund der Hausfrau tragen lernen? Der
„Wie“, ruft
geerntet. Zum täglichen Brot reichte die Anerkennung bisher nicht. Beginn der Regenzeit verdirbt alles. Nur im Sonnenlicht kann
mich, die ihn
Er verdient sich dasselbe jetzt murrend als politischer BäckermeisterKitty gedeihen und glänzen. Am dritten Regentage ist sie schon
und Seligkeit
mit täglichen Leitartikeln des Neuen Wiener Journals. Für sein
völlig nervös, zänkisch, unleidlich. Der Schmetterling verliert den
kann nicht ei
Wienerisches Schauspiel „Ein Regentag“ gab offenbar die „Schmetter¬
reizvollen Farbenschmelz von den Flügeln. Sie hat zu wenig Kern
freiwillig in
lingsschlacht“ Sudermanns die Anregung. Wie unterscheiden sich in sich selbst, um sich der Langweile zu erwehren, sie ist nicht an Ar¬
Der Verfa
Wiener Schmetterlinge aus höhern armen Häusern bei ihrem Existenz=beit gewöhnt und nicht daran, ihre nervösen Launen zu beherrschen Augenblicksbil

erGan
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