Liebelei
box 10/1
5. Luin
%
Gdiete
14. Januar 1896.
Kleine Presse
Lichlingesuter ricter Bögel, mnöcdenlich zur Wnterstrtaung
aber keneswegsden einschen Gesichtepmnt ur Beurthelung aus= 1 hr
verwenden.
machen. Wir haben auch zu bedenken, wie sich das Werk zu Verdi's
D
Zum Schlusse geben wir noch die nachfolgende Zusammen¬
früheren Schöpfungen verhält, und dann drängt sich uns auch die
D
stellung der Sektion für Thierschutz in Gera (Reuß): Alles¬
weitere Frage auf, welche Stellung Verdi's „Falstaff“ gegenüber
en
fresser (gekochtes Fleisch, wenn andere, namentlich Singvögel,
der romantischen Oper Otto Nicolai's „Die lustigen Weiber von
nicht Zutritt haben, auch Kartoffeln und Brod): Star, Dohle,
Windsor“ einnimmt, die ja ihre Handlung ebenfalls dem Drama
säc
Rabenkrähe, Nebelkrähe, Saatkrähe, Elster, Eichelhäher, Tannen¬
Shakespeares entnimmt. Nicolai's „lustige Weibe:“ sind heute noch
häher. Körnerfresser (mehlige und ölige Sämereien ge¬
81
an allen deutschen Opernbühnen mit Fug und Recht heimisch, und
mischt): Heckenbraunelle, Haubenlerche, Feldlerche, Heidelerche,
ein
daher ist es für deutsche Leser auch die brennendste Frage: Droht Verdi
Alpenlerche, Grauammer, Goldammer, Lerchensporner, Schnee¬
S.
mit seinem „Fallstaff“ uns den herzigen, melodiequellenden Nicolai
sporner. Schneefink, Buchfink. Bergfink, Berghäufling, Erlenzeisig,
vom Herzen zu reißen? Antwort: nein, ganz entschieden nicht. Ab¬
ge
Leinfink, Stieglitz, Hänfling, Gimpel, Hakengimpel, Rebhuhn.
gesehen davon, daß sich im Wettbewerb auf dem ätherischen Gebie
na
Insekten= und Körnerfresser (mehlige und ölige grobe
der Kunst die Dinge bei weitem nicht so hart stoßen und verdrängen,
die
Sämereien, Speck, gekochtes Fleisch): Großer, mittlerer und kleiner
wie etwa in der industriellen Konkurrenz, kann Verdi für den
zu
Buntspecht, Spechtmeise, Sumpfmeise, Tannenmeise, Haubenmeise,
liebenswürdigen Nikolai keine Gefahr bilden, weil die beiden Werke
Kohlmeise, Schwanzmeise, Blaumeise. Insekten= und
bei enger Verwandtschaft der Handlung in der musikalischen Aus¬
Beerenfresser (geriebene Möhre, gekochtes Fleisch, Apfel und
sol
gestaltung vollkommen divergente Wege gehen. Als Nikolai 1844
Zwetschenstückchen): Seidenschwanz, Schwarzamsel, Ringamsel,
ein
in sein Tagebuch die Bemerkung schrieb: „Wer jetzt in Italien
Ziemer, Schnärrdrossel, Zippdrossel, Weindrossel, Feldlerche, Heide¬
Opern schreibt, ist Verdi. Seine Opern sind aber wahrhaft scheu߬
He
lerche. Insektenfresser (Mehlwürmer, Ameisenpuppen,
lich und bringen Italien völlig herunter. Ich denke, unter diese
hat
Fleisch): Eisvogel, Grünspecht, Grauspecht, Schwarzspecht, Baum¬
Leistungen kann Italien nicht mehr sinken“.
da konnte er nicht
the
läufer, Heckenbrannelle. Zannkönig, Bachamsel, Wintergold¬
abnen, welche merkwürdige künstlerische Wandlungen Verdi, der
hähnchen, Bergstelze, Bachstelze.
„Scheußliche" noch durchmachen würde, daß der Italiener, der da¬
bei
mals das melodiöse Prinzip in der Oper bis zum Banalen und
Kunst und Wissenschaft.
zum Brutalen walten ließ, noch einmal durch den Einftuß eines
Schauspielhaus. „Liebelei“ ein dreiaktiges
großen deutschen Künstlers, Richard Wagners, zum Einhalt und
Schauspiel von Dr. Arthur Schnitzler, ist am Samstag
schließlich zum Verfolgen eines ganz anderen Schaffenspfades ver¬
zur Erstaufführung gelangt und hat bei einer im Ganzen vorzüg¬
anlaßt werden würde. Eines Pfades, der, ohne je die Bahn Nico¬
lichen Darstellung sehr warme Aufnahme gesunden. Der Verfasser,
lai's zu kreuzen, doch dem italienischen Komponisten auch bei deutschen
der sein Stück bisher nur in Wien über die Bühne gehen sah, war
Künstlern hohe Achtung verschaffen mußte. Den Einhalt in Verdi's
anwesend und durfte nach dem 2. und 3. Akt wiederholt auf der
Schaffen markirt seine „Aida“. „Falstaff“ zeigt uns den merk¬
w0
Bühne erscheinen, um dem Publikum für die gespendeten Gunstbe¬
würdigen Künstler in einem Fahrwasser, das mit dem Wagner'schen
Akt¬
zeigungen zu donken. Er wird mit seinem Stück nicht Epoche
keineswegs ganz identisch, aber ihm parallel gerichtet ist. Die
wor
machen, aber sicherlich ist es des Aufhebens werth. Die Handlung
Musik ordnet sich der Textdichtung (einer sehr schönen Leistung des
darin ist äußerst schlicht; man würde fehlgehen, wenn man von ihr
fals.
italienischen Dichterkomponisten A. Boito, höchst gewandt ins
Tieferes erwartete, als was der Titel be agt. Es ist wirklich
Deutsche übertragen durch Max Kalbeck) unter, sie charakterisirt mit
gen¬
„Liebelei“, wie sie alle Tage vorkommt, dies Verhältniß Fritz
großer Schärfe, aber schießt nie zu bloßem Selbstzweck in Blüthe.
Die
Der „Sprachgesang“ überwiegt weitaus. Von sogenannten „ge¬
Lobheimers zu der Musikerstochter Christine Werring. Ihm.
Bra¬
dem jungen Studenten, der in Gefahr schwebte, aus Liebe zu einem
schlossenen Melodien“ sind nur wenige Beispiele vorhanden.
auf
„interessanten". „dämonischen“ Weibe tolle Streiche zu begehen,
Dazu gehören Falstaffs Madrigal „Ja, schon als Page des Herzogs
wurde das Mädchen von einem guten Freunde zugeführt,
von Norfolk“ und das süße Elfenliedchen Annas im 3. Alt, das
etwa in derselben wohlmeinenden Absicht, in der man einem
gegen Schluß hin mit ganz köstlichen harmonischen Wendungen
wirk
Kinde eine Spielerei in die Hand gibt, damit es einen Schmerz
überrascht. Melodiöse Ansätze finden sich auch besonders in den
vergesse. Und Fritz das Kind tändelt damit, erst nachlässig,
Szenen des Liebespaares Fenton und Anna, aber nie hat diese
intir
dann achtsam und achtsamer: findet das Spielzeug hübsch und
Melodik eine wuchernde, begehrliche Tendenz, sie verbleibt stets in
wütt¬
vertieft sich darin und mag sich am Abend gar nicht da¬
ihrer achtsamen, schüchtern diskreten Haltung gegenüber dem Text
die
von trennen. Aber der Abend kommt, und es muß sich davon
und der Handlung. Wer Verdi den Mann kennt, der muß
verei
trennen: jene „dämonische" Frau, die Fritz zum Verhängniß zuwer¬
über diese Resignation Verdi's des Greises erstaunen. Es ist keine
den drohte, ist eine verheirathete Frau; der Gatte entdeckt ihr Ver¬
Jou
Resignation aus Impotenz, das zeigen die vereinzelten Blüthen
hältniß zu Fritz und tödtet ihn im Zweikampf. In dem furchtbar
geschlossener Melodie, die sich hier aufschließen, es ist eine Resig¬
er d
beklommenen und einer gewissen dramatischen Spannkraft nicht
nation, entsprossen aus dem feinen Humor eines reifen Alters.
ston
entbehrenden Schlußakt des Stückes gelangt die Todesnachricht zu
Seine Spätkunst wächst in abgeklärter, kühlerer Atmosphäre, wie
glau
Christine, die ihn mit der ganzen Hingebung und Inbrunst des
das Edelweiß und die Edelraute, ohne leuchtendes Farbenspiel, aber
Spit
Werbes liebte und sich allein von ihm geliebt wähnte. Sie glaubte
noch immer frisch, lebensstrotzend, voll feiner graziöser Formen, die
wird
ja nicht daran, daß dieses Liebesglück von langer Dauer sein werde
zu studiren jedem Musikfreunde Freude gewähren muß. Welches
Verl
und gab sich doch ihren Empfindungen ganz hin: nur Einmal ganz
musikalische Leben noch in Verdi keimte und trieb, als er den
Schz
glücklich gewesen zu sein, das sollte der Trost ihres Herzens bleiben;
„Falstaff“ schuf, das beweist allein die prächtige Gesangsfuge am
sie wollte dann singen, Wie der Dichter Kan Siebel:
ander
Schlusse des Werkes und der Tonsatz für neun Stimmen im 1. Akt.
„So habe ich doch! So habe ich doch!
Was
Aber freilich — für die „breiten Schichten“ des Publikums ist
Deß freut sich die Seele und jubelt noch
das noch nichts. „Für Euch“ — so scheint der alte Herr in seinem
glaut
So habe ich doch!“
letzten Werk lächelnd zu sagen — „für Euch habe ich früher gerade voric
Und nun kommt die Botschaft, daß der Mann, dessen Herz sie
genug gethan, und Ihr werdet meiner gedenken! Aber jetzt noch ein
Leba¬
ganz zu besitzen glaubte, vor zwei Tagen um einer Andern willen
Wort an den Kreis der „Engeren“, die sich Mühe gaben, in
mehr
im Duell fiel, daß er bereits begraben ist, in der Stille. nur im
meinem Schaffen eingehender zu forschen und darin mehr entdecklen,
ville
Beisein „der nächsten Verwandten und Bekannten". „Der nächsten
als die Kraft, ein bloßes Unterhaltungsbedürfniß zu befriedigen!“
seine
Verwandten und Bekannten?“ wiederholt Christine starr und ton¬
Die Aufnahme des Werkes war hier ganz ähnlich, wie seiner Zeit
los. „Und was bin nun ich gewesen?“ Dann fährt sie auf und
auf
in Wien. Der erste Akt wurde warm, der zweite sehr warm, der
reißt sich vom Vater los — sie will zu seinem Grabe, „nicht um dort
britte nur kühl applaudirt. Der holde Tonzauber von Nicolai's
psen
zu beten“, so verhallt ihr letzter, gellender Ruf. Der alleinbleibende
Elsenszene ist nicht zu vergessen; der Mondaufgang mit dem Chor
mini.
Vater bricht stöhnend zusammen. „Was will sie? Sie kommt nicht
„O süßer Mond“ ist ein Efsekt, der aus deutschen Herzen nicht weg¬
Sai¬
wieder!... Sie kommt nicht wieder?“ So schließt das Stück, nach
zutilgen ist. Daß dagegen die ganze Intrique der „lustigen Weiber“.
eiger
modernem Gefallen, mit einem Fragezeichen. Aber dies Fragezeichen
mit dem lüderlichen Sir John und dessen Gebahren bei Verdi weit
in B
bildet keineswegs seinen vornehmsten Reiz. Sein besonderer
mehr shakespearisch geartet ist, als bei Nicolai, wird aufmerksameren
Frai
Wertl beruht in dem vollen Wahrheitstone, der uns daraus ent¬
Zuschauern nicht entgangen sein, wiewohl sich Boito in der Hand¬
ist m
gegenklingt, in der glücklichen und an seinen Zügen reichen Cha¬
lung mehrmals größere Freiheiten nimmt, als der Textdichter der
rakterzeichnung aller Figuren, in der vorzüglichen Beobachtungs¬
Berl,
beutschen Oper, besonders im 2. Akte. Herr Dr. Pröll sang
gabe und Schilderungskraft, die Schnitzler entwickelt. Das Stück
und spielte den Falstaff vorzüglich, es war ihm bewußt, daß
hang
wirkt wie ein dramatisches Gelegenheitsgedicht im Goethe'schen
er hier nicht nur den komischen, dickwanstigen Süffel sondern
mort
Sinne, das der Verfasser geschaffen, um sich damit eine brennende
auch den verlotterten Cavalier darzustellen habe. Die „lustigen
Pan
Erinnerung von der Seele herunterzuschreiben, so wahr und echt
Weiber“ waren durch die Damen Ralph,
(Frau Ford).
sind die Farben, so flüssig und leicht ist die Bewegung, so herzwarm
Weber (Frau Quickly) und Wendorf (Frau Page)
kühn
ist die Temperatur. Der Wiener Lokalton, auf den das Ganze ge¬
recht gut vertreten, ebenso das junge Liebespaar durch;
stimmt ist, läßt in der Souperscene des ersten Aufzuges keine Be¬
Tow
Herrn Braun und Frl. Schacko, die das Elfenlied mit ihrer
denklichkeiten aufkommen und bringt im 2. und 3. Alt interessante
ganzen natürlichen Anmuth vortrug. Herr Nawiasly (Ford)fgroß
Wiener Variationen des Themas vom Hinterhause hervor.
erzielte mit dem Eifersuchtsmonolog großen Erfolg, dieser war aller¬
und
An der sehr tüchtigen Darstellung hatten Herr Bauer alsl dings auch zur Hälfte dem Komponisten zuzuschreiben, der hier mit
Einl
box 10/1
5. Luin
%
Gdiete
14. Januar 1896.
Kleine Presse
Lichlingesuter ricter Bögel, mnöcdenlich zur Wnterstrtaung
aber keneswegsden einschen Gesichtepmnt ur Beurthelung aus= 1 hr
verwenden.
machen. Wir haben auch zu bedenken, wie sich das Werk zu Verdi's
D
Zum Schlusse geben wir noch die nachfolgende Zusammen¬
früheren Schöpfungen verhält, und dann drängt sich uns auch die
D
stellung der Sektion für Thierschutz in Gera (Reuß): Alles¬
weitere Frage auf, welche Stellung Verdi's „Falstaff“ gegenüber
en
fresser (gekochtes Fleisch, wenn andere, namentlich Singvögel,
der romantischen Oper Otto Nicolai's „Die lustigen Weiber von
nicht Zutritt haben, auch Kartoffeln und Brod): Star, Dohle,
Windsor“ einnimmt, die ja ihre Handlung ebenfalls dem Drama
säc
Rabenkrähe, Nebelkrähe, Saatkrähe, Elster, Eichelhäher, Tannen¬
Shakespeares entnimmt. Nicolai's „lustige Weibe:“ sind heute noch
häher. Körnerfresser (mehlige und ölige Sämereien ge¬
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an allen deutschen Opernbühnen mit Fug und Recht heimisch, und
mischt): Heckenbraunelle, Haubenlerche, Feldlerche, Heidelerche,
ein
daher ist es für deutsche Leser auch die brennendste Frage: Droht Verdi
Alpenlerche, Grauammer, Goldammer, Lerchensporner, Schnee¬
S.
mit seinem „Fallstaff“ uns den herzigen, melodiequellenden Nicolai
sporner. Schneefink, Buchfink. Bergfink, Berghäufling, Erlenzeisig,
vom Herzen zu reißen? Antwort: nein, ganz entschieden nicht. Ab¬
ge
Leinfink, Stieglitz, Hänfling, Gimpel, Hakengimpel, Rebhuhn.
gesehen davon, daß sich im Wettbewerb auf dem ätherischen Gebie
na
Insekten= und Körnerfresser (mehlige und ölige grobe
der Kunst die Dinge bei weitem nicht so hart stoßen und verdrängen,
die
Sämereien, Speck, gekochtes Fleisch): Großer, mittlerer und kleiner
wie etwa in der industriellen Konkurrenz, kann Verdi für den
zu
Buntspecht, Spechtmeise, Sumpfmeise, Tannenmeise, Haubenmeise,
liebenswürdigen Nikolai keine Gefahr bilden, weil die beiden Werke
Kohlmeise, Schwanzmeise, Blaumeise. Insekten= und
bei enger Verwandtschaft der Handlung in der musikalischen Aus¬
Beerenfresser (geriebene Möhre, gekochtes Fleisch, Apfel und
sol
gestaltung vollkommen divergente Wege gehen. Als Nikolai 1844
Zwetschenstückchen): Seidenschwanz, Schwarzamsel, Ringamsel,
ein
in sein Tagebuch die Bemerkung schrieb: „Wer jetzt in Italien
Ziemer, Schnärrdrossel, Zippdrossel, Weindrossel, Feldlerche, Heide¬
Opern schreibt, ist Verdi. Seine Opern sind aber wahrhaft scheu߬
He
lerche. Insektenfresser (Mehlwürmer, Ameisenpuppen,
lich und bringen Italien völlig herunter. Ich denke, unter diese
hat
Fleisch): Eisvogel, Grünspecht, Grauspecht, Schwarzspecht, Baum¬
Leistungen kann Italien nicht mehr sinken“.
da konnte er nicht
the
läufer, Heckenbrannelle. Zannkönig, Bachamsel, Wintergold¬
abnen, welche merkwürdige künstlerische Wandlungen Verdi, der
hähnchen, Bergstelze, Bachstelze.
„Scheußliche" noch durchmachen würde, daß der Italiener, der da¬
bei
mals das melodiöse Prinzip in der Oper bis zum Banalen und
Kunst und Wissenschaft.
zum Brutalen walten ließ, noch einmal durch den Einftuß eines
Schauspielhaus. „Liebelei“ ein dreiaktiges
großen deutschen Künstlers, Richard Wagners, zum Einhalt und
Schauspiel von Dr. Arthur Schnitzler, ist am Samstag
schließlich zum Verfolgen eines ganz anderen Schaffenspfades ver¬
zur Erstaufführung gelangt und hat bei einer im Ganzen vorzüg¬
anlaßt werden würde. Eines Pfades, der, ohne je die Bahn Nico¬
lichen Darstellung sehr warme Aufnahme gesunden. Der Verfasser,
lai's zu kreuzen, doch dem italienischen Komponisten auch bei deutschen
der sein Stück bisher nur in Wien über die Bühne gehen sah, war
Künstlern hohe Achtung verschaffen mußte. Den Einhalt in Verdi's
anwesend und durfte nach dem 2. und 3. Akt wiederholt auf der
Schaffen markirt seine „Aida“. „Falstaff“ zeigt uns den merk¬
w0
Bühne erscheinen, um dem Publikum für die gespendeten Gunstbe¬
würdigen Künstler in einem Fahrwasser, das mit dem Wagner'schen
Akt¬
zeigungen zu donken. Er wird mit seinem Stück nicht Epoche
keineswegs ganz identisch, aber ihm parallel gerichtet ist. Die
wor
machen, aber sicherlich ist es des Aufhebens werth. Die Handlung
Musik ordnet sich der Textdichtung (einer sehr schönen Leistung des
darin ist äußerst schlicht; man würde fehlgehen, wenn man von ihr
fals.
italienischen Dichterkomponisten A. Boito, höchst gewandt ins
Tieferes erwartete, als was der Titel be agt. Es ist wirklich
Deutsche übertragen durch Max Kalbeck) unter, sie charakterisirt mit
gen¬
„Liebelei“, wie sie alle Tage vorkommt, dies Verhältniß Fritz
großer Schärfe, aber schießt nie zu bloßem Selbstzweck in Blüthe.
Die
Der „Sprachgesang“ überwiegt weitaus. Von sogenannten „ge¬
Lobheimers zu der Musikerstochter Christine Werring. Ihm.
Bra¬
dem jungen Studenten, der in Gefahr schwebte, aus Liebe zu einem
schlossenen Melodien“ sind nur wenige Beispiele vorhanden.
auf
„interessanten". „dämonischen“ Weibe tolle Streiche zu begehen,
Dazu gehören Falstaffs Madrigal „Ja, schon als Page des Herzogs
wurde das Mädchen von einem guten Freunde zugeführt,
von Norfolk“ und das süße Elfenliedchen Annas im 3. Alt, das
etwa in derselben wohlmeinenden Absicht, in der man einem
gegen Schluß hin mit ganz köstlichen harmonischen Wendungen
wirk
Kinde eine Spielerei in die Hand gibt, damit es einen Schmerz
überrascht. Melodiöse Ansätze finden sich auch besonders in den
vergesse. Und Fritz das Kind tändelt damit, erst nachlässig,
Szenen des Liebespaares Fenton und Anna, aber nie hat diese
intir
dann achtsam und achtsamer: findet das Spielzeug hübsch und
Melodik eine wuchernde, begehrliche Tendenz, sie verbleibt stets in
wütt¬
vertieft sich darin und mag sich am Abend gar nicht da¬
ihrer achtsamen, schüchtern diskreten Haltung gegenüber dem Text
die
von trennen. Aber der Abend kommt, und es muß sich davon
und der Handlung. Wer Verdi den Mann kennt, der muß
verei
trennen: jene „dämonische" Frau, die Fritz zum Verhängniß zuwer¬
über diese Resignation Verdi's des Greises erstaunen. Es ist keine
den drohte, ist eine verheirathete Frau; der Gatte entdeckt ihr Ver¬
Jou
Resignation aus Impotenz, das zeigen die vereinzelten Blüthen
hältniß zu Fritz und tödtet ihn im Zweikampf. In dem furchtbar
geschlossener Melodie, die sich hier aufschließen, es ist eine Resig¬
er d
beklommenen und einer gewissen dramatischen Spannkraft nicht
nation, entsprossen aus dem feinen Humor eines reifen Alters.
ston
entbehrenden Schlußakt des Stückes gelangt die Todesnachricht zu
Seine Spätkunst wächst in abgeklärter, kühlerer Atmosphäre, wie
glau
Christine, die ihn mit der ganzen Hingebung und Inbrunst des
das Edelweiß und die Edelraute, ohne leuchtendes Farbenspiel, aber
Spit
Werbes liebte und sich allein von ihm geliebt wähnte. Sie glaubte
noch immer frisch, lebensstrotzend, voll feiner graziöser Formen, die
wird
ja nicht daran, daß dieses Liebesglück von langer Dauer sein werde
zu studiren jedem Musikfreunde Freude gewähren muß. Welches
Verl
und gab sich doch ihren Empfindungen ganz hin: nur Einmal ganz
musikalische Leben noch in Verdi keimte und trieb, als er den
Schz
glücklich gewesen zu sein, das sollte der Trost ihres Herzens bleiben;
„Falstaff“ schuf, das beweist allein die prächtige Gesangsfuge am
sie wollte dann singen, Wie der Dichter Kan Siebel:
ander
Schlusse des Werkes und der Tonsatz für neun Stimmen im 1. Akt.
„So habe ich doch! So habe ich doch!
Was
Aber freilich — für die „breiten Schichten“ des Publikums ist
Deß freut sich die Seele und jubelt noch
das noch nichts. „Für Euch“ — so scheint der alte Herr in seinem
glaut
So habe ich doch!“
letzten Werk lächelnd zu sagen — „für Euch habe ich früher gerade voric
Und nun kommt die Botschaft, daß der Mann, dessen Herz sie
genug gethan, und Ihr werdet meiner gedenken! Aber jetzt noch ein
Leba¬
ganz zu besitzen glaubte, vor zwei Tagen um einer Andern willen
Wort an den Kreis der „Engeren“, die sich Mühe gaben, in
mehr
im Duell fiel, daß er bereits begraben ist, in der Stille. nur im
meinem Schaffen eingehender zu forschen und darin mehr entdecklen,
ville
Beisein „der nächsten Verwandten und Bekannten". „Der nächsten
als die Kraft, ein bloßes Unterhaltungsbedürfniß zu befriedigen!“
seine
Verwandten und Bekannten?“ wiederholt Christine starr und ton¬
Die Aufnahme des Werkes war hier ganz ähnlich, wie seiner Zeit
los. „Und was bin nun ich gewesen?“ Dann fährt sie auf und
auf
in Wien. Der erste Akt wurde warm, der zweite sehr warm, der
reißt sich vom Vater los — sie will zu seinem Grabe, „nicht um dort
britte nur kühl applaudirt. Der holde Tonzauber von Nicolai's
psen
zu beten“, so verhallt ihr letzter, gellender Ruf. Der alleinbleibende
Elsenszene ist nicht zu vergessen; der Mondaufgang mit dem Chor
mini.
Vater bricht stöhnend zusammen. „Was will sie? Sie kommt nicht
„O süßer Mond“ ist ein Efsekt, der aus deutschen Herzen nicht weg¬
Sai¬
wieder!... Sie kommt nicht wieder?“ So schließt das Stück, nach
zutilgen ist. Daß dagegen die ganze Intrique der „lustigen Weiber“.
eiger
modernem Gefallen, mit einem Fragezeichen. Aber dies Fragezeichen
mit dem lüderlichen Sir John und dessen Gebahren bei Verdi weit
in B
bildet keineswegs seinen vornehmsten Reiz. Sein besonderer
mehr shakespearisch geartet ist, als bei Nicolai, wird aufmerksameren
Frai
Wertl beruht in dem vollen Wahrheitstone, der uns daraus ent¬
Zuschauern nicht entgangen sein, wiewohl sich Boito in der Hand¬
ist m
gegenklingt, in der glücklichen und an seinen Zügen reichen Cha¬
lung mehrmals größere Freiheiten nimmt, als der Textdichter der
rakterzeichnung aller Figuren, in der vorzüglichen Beobachtungs¬
Berl,
beutschen Oper, besonders im 2. Akte. Herr Dr. Pröll sang
gabe und Schilderungskraft, die Schnitzler entwickelt. Das Stück
und spielte den Falstaff vorzüglich, es war ihm bewußt, daß
hang
wirkt wie ein dramatisches Gelegenheitsgedicht im Goethe'schen
er hier nicht nur den komischen, dickwanstigen Süffel sondern
mort
Sinne, das der Verfasser geschaffen, um sich damit eine brennende
auch den verlotterten Cavalier darzustellen habe. Die „lustigen
Pan
Erinnerung von der Seele herunterzuschreiben, so wahr und echt
Weiber“ waren durch die Damen Ralph,
(Frau Ford).
sind die Farben, so flüssig und leicht ist die Bewegung, so herzwarm
Weber (Frau Quickly) und Wendorf (Frau Page)
kühn
ist die Temperatur. Der Wiener Lokalton, auf den das Ganze ge¬
recht gut vertreten, ebenso das junge Liebespaar durch;
stimmt ist, läßt in der Souperscene des ersten Aufzuges keine Be¬
Tow
Herrn Braun und Frl. Schacko, die das Elfenlied mit ihrer
denklichkeiten aufkommen und bringt im 2. und 3. Alt interessante
ganzen natürlichen Anmuth vortrug. Herr Nawiasly (Ford)fgroß
Wiener Variationen des Themas vom Hinterhause hervor.
erzielte mit dem Eifersuchtsmonolog großen Erfolg, dieser war aller¬
und
An der sehr tüchtigen Darstellung hatten Herr Bauer alsl dings auch zur Hälfte dem Komponisten zuzuschreiben, der hier mit
Einl