II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 153

Liebelei
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3. Tntnnntuns
seiner Künstlerschaft erstrebt. Der instrumentale
Gatten, der nur eine kurze Seene hat. trefflich. Fräulein
Theil der Over oder viel mehr des heiteren musi¬
Landori nahm die Cbristine im Anfang etwas
kalischen Dramas ist von köstlicher melodiöser Viel¬
zu schwer und tragiich, sie müß liebenswürdiger
gestaltigkeit, geistreich und in den liebenswürdigsten
erscheiner; später, vor allem im zweiten Akte, wur
Variationen umspielt die Tonsprache des Orchesters
ihr Spiel natürlich und ansprechend, nur trat zu¬
die derbkomische, von Arrigo Boito, nach Shake¬
weilen bittere Gereiztheit, an Stelle mädchenhaften
speare's „Lustige Weiber“ und „Heinrich der Vierte“.
zart weiblichen Gekränktseins. In den tragischen
sehr bühnenwirksam bearbeitete Handlung, und
Scenen des letzten Aufzugs schlug die Darstellerig
weckt stets aufs Neue die Bewunderung vor dem
starke, aber wohl angebrachte Accente an, da es
vielseitigen italienischen Altmeister. Welch ein
dem Autor hier, wie oben ausgeführt, vor allem
Weg von Nebucadnezar und Hernani zu Alda,
mehr auf die äußeren, unmittelbar fortreißenden
Othello, und Falstaff. Dabei begegnen wir Verdi
Wirkungen, als auf psychologische Folgerichtigkeit
am vermuthlichen Endziele seiner großen Laufbahn
ankam. Recht natürlich und auch mit vielem Humor
auf dem früher fast nie von ihm betretenen Ge¬
stattete Fräulein Bock die leichtsinnige Mohistin
biete der komischen Oper. Er lenkt bei aller Selbst¬
Mizi Schlager, einen dem Leben unmittelbar ent¬
ständigkeit auf demselben oft in die Pfade eines
nommenen Typus aus. Fräulein Sophie König
der ersten Meister. Rossi#i war für die großen
charakterisirte die nach einer sturmbewegten Vergangen¬
Parlando=Recitative, für die bunt bewegten leben¬
heit in den Hafen einer stillbürgerlichen Ehe einge¬
sprühenden Ensembles und Finalsätze, zu denen das
laufene klatschsüchtige, aber lebenskluge Frau Binder
Libretto des „Falstaff“ so natürlich und ungezwungen
in ganz meisterhafter Weise, Fräulein Widmann
Gelegenheit bie'et, Verdi's Vorbild. Kurz, der
gab die kleine Lina angemessen. Das Zusammenspiel,
instrumentale Ty und die mehrstimmigen Num¬
sowie die Inscenirung waren gut, der anwesende
mern des neuen Werkes sind von wahrhaft bezau¬
Autor ward mit den sämmtlichen Darstellern wieder¬
bernder Schönheit. Weniger gut sind die Solisten
holt gerufen.
in „Falstaff“ bedacht. Nicht als ob es für sie an
Das dem Schauspiel folgende neu einstudirte
originellen hübschen Sätzen mangelt, nur sind die¬
einaktige Lustspiel von G. vor Moser „Die Ver¬
selben meist sehr kurz, ohne die sonst eigenen effekt¬
sucherin“ wandelte durch seine zwar hausbackenen
vollen Abschlüsse und die von Verdi früher so oft
aber ungemein lustigen Situationen bald die ernste
geforderten Virtuosenstücke. Sie heben sich nur
Stimmung, die sich der Zuschauer bemächtigt hatte,
leicht aus dem einheitlichen Ganzen hervor, denn
in eine recht fröhliche. Herr Bauer (Seeberg) und
der greise Tondichter wollte nicht blenden, sondern
Fräulein Gündel (Frau von Leuthen) spielten das
durch feinere Wirkungen fesseln. Ob ihm dies auf
sich gegenseitig meidende und durch einen Zufall
die Dauer den breiteren Massen gegenüber gelingen
zusammengeführte Paar ganz prächtig, im ächten
wird, bleibt eine offene Frage, die sich in Deutsch¬
feinen Lustspieltone, und in schönster Charakteristik.
land um so schwieriger zu seinen Gunsten entscheiden
Die jungen Eheleute wurden durch Herrn A. Meyer
dürfte, als wir eine meisterhafte, durch mehr als
und Fräulein Bock frisch und liebenswürdig, der
vier Jahrzehnte eingebürgerte, den gleichen Stoff
beschränkte Diener Karl durch Herrn Strohecker
behandelnde komische Oper in Otto Nicolai's „Die
mit glücklicher trockener Komik gegeben.
lustigen Weiber von Windsor“ besitzen. Hat deren
L. Oper. Nur ein außerordentlich beanlagter
Librettist, Mosenthal, den Stoff vielleicht etwas
Künstler, ein aus dem Vollen kräftig schöpfender
derber bearbeitet, so sind doch die Gestalten und
genialer Meister vermag noch nach ruhmreicher
Weisen des Nicolai'schen Werkes mit Recht dermaßen
mehr als ein halbes Jahrhundert währender geistiger
volksthümlich geworden, daß bei dem Anhören des
Arbeit ein Werk zu schaffen, wie die lyrische Komödie
Verdi'schen „Falstaff“ der, wie oben ausgeführt
„Falstaff“. Giuseppe Verdi hat in dieser seiner
den Sängern und somit der Mehrzahl der Hörer
letzten Oper ganz neue Wege eingeschlagen. Er,
weniger Sinnfälliges bietet, von selbst Vergleiche
dem sonst die volksthümlichsten Melodien stets in
wachgerufen werden. Dieselben werden Nicolai's
überraschender Fülle entströmten, und dessen Gesänge
reizendem Werke aber nirgends Erhebliches von der
die Lieblingsaufgaben aller Opernkünstler beider
lang andauernden und berechtigten Beliebtheit
Welthälften waren, verlegt in „Falstaff“ den künst¬
rauben. Wir müssen unserer Theaterleitung jeden¬
lerischen Schwerpunkt in das Orchester, und stellt
falls dankbar sein, daß sie das interessante neue
den Vokalisten fast ausschließlich recitativartige Auf¬
Werk Verdi's, dessen Text Max Kalbeck trefflich
gaben. Was Wagner in den Meistersingern so
übertragen, in einer überaus gelungenen Auf¬
glänzend durchgeführt, hat der italienische Meister
in „Falstaff“ mit hohem Glücke und vornehmer] führung gebracht hat. Der größte Antheil an