II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 159

5. Liebele
Esclei box 10/2
22. Februar 1896.
Seite 2.
Beil. z. Boh. Nr. 52.
und verhältnißmäßig gesünder organisirt ist als der naiven Geplander heraus, aus der Anletung, mit der] Durch diese Frage ist er mit dem tragischen Schicksale
empfi dsame und eitle Fritz. Theodor ist ein Freundj sie an dem Studenten hängt, aus der Sorge, mit derseiner Tochter, der er jede Freiheit gewährt, verknüpft;
vom Schlage des Carlos im „Clavigo“, nüchtern und sie in alle Lebensverhältnisse des Geliebten eindringenj er kennt im Herzensgrunde die Leichtfertigkeit so wenig
wie sie, er irrt und leidet mit ihr und wird mit ihr
möchte, aus der Eifersucht gegen jene vornehme Dame,
ehrlich, realistisch bis an die Grenze des Cyuismus,
um derentwillen sie Fritz jüngst im Theater vernach= zugrunde gehen. Zunächst wirft das Schicksal in
aber in der Consequenz dieser Lebensanschauung weit
einer Liebesscene zwischen it und Christine seine
lässigt hat. Fritz sucht für seinen Theil abzulenken und
ungefährlicher als der „sinnlich übersinnliche“ Schwär¬
Schatten voraus. Fritz hal im Gedränge seiner Duell¬
zu dämpfen; er spielt den überlegenen Lebemann, der
mer, der zwischen Himmel und Hölle schwankt. Theodor
angelegenheit das mit Christine verabredete Rendezvons
das anhäugliche Mädchen sanft in die Grenzen der
würde sich schon aus Rücksicht auf Sicherheit und Be¬
versäumt und sucht das Mädchen während der Abwe¬
„Liebelei“ zurückführt. Aber es geht ihm nicht vom
quemlichkeit niemals mit einem Verhältniß belasten,
senheit des Vaters in seiner Wohnung auf. Der
Herzen; Christinens Ernst greift in seine Seele hin¬
über dem das Damoklesschwert einer furchtharen Ver¬
Zauber der Schlichtheit und Hingebung umgibt ihn,
über, ihre Junigkeit thut ihm web wie ein Vorwurf
antwortung schwebt, er verlacht die Eitelkeit, die sich
und ohne es auszusprechen, fühlt er, daß jener große
und verschärft das Gefühl trauriger Ahnung, das ihn
dämonische Neigungen vor gankelt, und wenn eine
Roman, um den er sein Leben wagen muß, eine
erfüllt. Aeußerlich überwiegt trotz alledem die leichtfertige
Weile mit einem „süßen Mädel“ herumschwärmt, so
geckische Thorheit gewesen, während ihn hier im Be¬
Lustigkeit, bis ein schriller Glockenton, der einen nächt¬
läßt er der Auserwählten selbst keinen Zweifel dar¬
reiche der vermeintlichen „Liebelei“ aller Zauber der
lichen Gast anmeldet, diese Stimmung durchbricht.
über, daß es sich um ein Abenteuer von heute auf
Liebe, alle Innigkeit weiblicher Hingebun; umbegt.
Theodor drängt die Mädchen in's Nebenzimmer, und
morgen handelt. Als aufrichtiger Freund ist er ärger¬
Ein verhangnißvolles Zu spät! schwebt über allen
Fritz empfängt den unerwarteten und doch längst heim¬
lich über die Affaire, in die sich Fritz eingelassen hat,
Entzückungen dieses schlichten Gesprächs, und eine
lich gefürchteten Besuch. Die Unterredung mit dem
und sucht ihn durch vermeintlich harmlosere Freuden
angstvolle Ahnung gibt jedem Worte eine tiefere Be¬
Gaste ist kurz und inhaltsschwer. Der Mann der
abzulenken. Zu den letzteren rechnet er auch eine Lie¬
deutung. Da Fritz endlich vom Theodor abgeholt
„dämonischen Frau“ (Hr. Schmid:) sucht den Ver¬
belei mit einem jener unbewachten kleinbürgerlichen
wird und eine Reise vorschützt, die ihn für mehrere
führer auf und legt ihm die Beweise seiner Schuld
Mädchen, die früher oder später einem Anbeter in's
Tage fernhalten wird, bricht der Schmerz des einfachen
vor. Scharfe Redensarten werden ausgetauscht; der
Garn laufen und bei denen doch Irgendeiner der Erste
Hinweis auf einen Zweikampf zügelt die Leidenschaft Mädchens mit elementarer Gewalt hervor. Im dritten
sein muß. Theodor legt für seinen Theil auf das
Acte tritt die Katastrophe ein. Fritz ist im Duell ge¬
des Betrogenen, der sich mit der Aussicht auf Genug¬
letztere Vorrecht kein Gewicht und vertreibt sich die
fallen, der älte Griger, dem die Tochter Unkerdeß ihr
thuung zufrieden gibt. Theodor spricht dem Freunde
Zeit mit der hübschen Modistin Mizi Schlager (Frl.
Muth zu, Fritz sucht sich zu beherrschen, und den Abenteuer und ihren Fehltritt gestanden hat, kennt den
Moller), die schon einige Erfahrung über die Natur
ganzen Verlauf des Unglücks und sucht die Tochter,
Mädchen, die wieder in den Salon gerufen werden,
und Dauer ähnlicher Verhältnisse besitzt; den Collegen
wird die Lustigkeit von vorhin vorgegaukelt. Mizi ist die in fieberhafter Angst des Geliebten harrt, auf das
hat er mit Mizis Freundin Christine (Fel. Fasser)
gleich wieder auf den alten Ton gestimmt, aber Chri= Aeußerste vorzubereiten. Sie hört aus seinen milden
bekanntgemacht, einem Mädchen, das er ungefähr so
Worten nur die Unglücksbotschaft heraus, sie liest das
stine fühlt das Aengstliche der Situation und bangt
hoch taxirt wie seine eigene Geliebte. Theodor,
Schreckliche von dem Gesichte Theodors herab, der sich
für den Geliebten, von dem sie schweren Herzens Ab¬
der bei Fritz wie zu Hause ist, hat beide Mädchen
mit Mizi ein findet, um zu trösten; sie erräth, daß ihr
schied nimmt. Die übermüthigen Grüße der Lustigen
zu einem Souper in der Wohnung des Freundes
Fritz um ein Weib gefallen ist, und die schöne Dame,
hallen noch von der Gasse in die Stube zurück, in der
eingeladen, und der durch seinen gefährlichen Roman
die sie vom Theater herkennt, und in ihren jähen
Frtz unter der Last des furchtbaren Erlebnisses zu¬
bedrückte Genosse läßt sich diese kleine Zerstreuung gerne
Schmerz mischt sich die furtchbare Erkenntniß, daß sie
sammenbricht. Der zweite Act führt in ein anderes Milieu,
gefallen. Die Mädchen treffen pünctlich ein, und der
in dem Leben des Mannes, der ihr Alles war, nichts
in Christinens Heim, in die Wohnung des Violin¬
humoristische Theodor gibt den Ton eines Festes an,
als ein Spielzeug, ein Nebending, eine „Liebelei“ ge¬
spielers Weiring vom Josefstädter Theater (Hr. Rencker),
in dem Harmlosigkeit und naive Verlorenheit, Ausge¬
wesen ist. Sie will den Todten sehen; aber die Erde
der sein ganzes Glück in seiner Tochter findet. Der
lassenheit und Kinderfröhlichkeit durcheinanderklingen.
hat ihn bereits aufgenommen. Nichts bleibt ihr zurück
alte Geiger ist ein wunderlicher Philosoph, so eine Art
Eine gewisse Leichtfertigkeit ist Allen miteinander natür¬
als das Gefühl der Scham und der Verzweiflung; sie
Meister Anton ins Wienerische übersetzt, „Einer, der
lich, den frühreifen Lebemännern und den Mädchen,
stürzt aus dem Hause fort, Theodor und Mizi ver¬
die Welt nicht versteht,“ aber mit seiner weichen Natur
die es kaum gewohnt sind, wie Damen behaudelt zu
folgen sie, um sie zu retten, aber der Alte, der sie
zu ganz anderen Ergelnissen gelangt, als das nor¬
werden. Dennoch unterscheidet man deutlich zwei Strö¬
kennen muß, bricht mit den Worten: „Sie kommt
dische Naturell des Helbel'schen Kleinbürgers; er führt
mungen in diesem Gewoge der Bohème; Mizi ist ganz
nicht wieder“ zusammen.
den Findelbogen und nicht die Axt, und aus seiner
auf einen Ton mit ihrem Theodor gestimmt; sie ist
Schnitzlers Schauspiel ist eine Anklagetragödie
Skepsis tönt nicht der rauhe Trotz hervor, der die
anstellig und gewandt in der Improvisation derartiger
wie die meisten bürgerlichen Dramen unserer Zeit, die
Welt verurtheilt, sondern die milde Nachgiebigkeit, die
Scherze, deren flüchtige Bedeutung sie kennt, sie erfreut
nicht aus theatralischen Eindrücken, sondem aus der
sich zuletzt den Verhältnissen anschmiegt. Er hat jahre¬
sich an der Torte und am süßen Wein und macht im
Tiefe der Lebensbeobachtung hervorgehen. Schuld und
lang seine arme Schwester behütet und sie unter seinem
Mai keine Pläne für den August. Christine ist zum
Untergang der Helden wachsen aus den geselschaftlichen
Schutz freudlos dahinsiechen gesehen, ihm schaudert
ersten Male in ein derartiges Verhältniß hineingerathen,
Verhältnissen hervor, in denen sich die Chataktere ver¬
vor einem gleichen Schicksal seines Kindes, und in
für sie ist die „Liebelei“ eine große Liebe, die ihr ganzes
stricken. Aber kein Wort vorlauter Tendenz dringt
seiner Beklommenheit virft er die Frage auf, ob die
Wesen erfüllt, sie nimmt Alles furchtbar ernst, ihre
über die Schranken der künstlerischen Darstellung her¬
Tugend in einem eingeengten, kargen Dasein für einen
schrankenlose Hingebung und ihre Rechte auf den Ge¬
aus; Alles ist gesehen und empfunden, in der Hand¬
kurzen Glückstraum der Jugend entschädigen kann.
liebten. Sie sagt es nicht, aber man hört es aus ihrem
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damit hatte man ein unerschöpfliches Thema
Jetzt begann zwischen den beiden jungen Paris. Ich will Sie bei meinen Bekannten
angeschlagen.
Leuten ein von vielem Lachen unterbrochenes einführen.“
Dinah erinnerte sich gerade über das Prak¬
„Danke sehr für Ihre besondere Liebens¬
Initiges Geylander.
keinen Gebrauch tische der umgelegten Krägen, als Lonkian in