II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 158

5. Liebele
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Grce en
22. Februar.
1396.

Beilage zur Bohemia Nr. 52.
Aufsätze wolle man an die Redaction, Anzeigen an die Administration und Bezuggelder an die Expedition der „Bohemia“ senden.

N E P
Se
das stolze Weib, das ohnedies schwer leidet, fühlt sich] in solchen Momenten des höchsten Affectes die Worte
Theater.
angeekelt von diesem Mißtrauen und gibt ihm zu ver= zu dehnen, sollte sie an sich bekämpfen. Diese Dehnungen
** Neues deutsches Theater. („Rechte
stehen, daß sie ein nutzloses Opfer gebracht hat. Das
verstärken nicht den Ausdruck, sie verdünnen ihn und
der Seele“ von Giacosa und „Liebelei“ von
nimmt ihm alle Haltung und Besinnung, er schwankt
machen ihn theatralisch. Den schw Hherzigen und
Schnitzler.) Die modernen Italiener gehen nelan¬
zwischen Extrerien; bald zerfließt er in vertrauensvoller
schwachdenklichen Ehemann gab Herr Kirch mit einem
Den „ bald nimmt er den Ton des Gebieters an,
cholisch und nachdenklich auf den Pfaden der Franzosen
guten Ausdruck für die nervöse Erregung und den
de zu verhören und zu richten hat. Zuletzt will er sich
einher; sie mischen den Sinn für Sensation mit
raschen Wechsel der Stimmungen; eine allzugroße
Schwürmerei und den berechnenden Caleül mit einer
drich brutale Zirtlichkeit überzeugen, daß seine Frau lineare Bestimmtheit des Ausdrucks wird er sich im
Dosis von Mystik. Das Talent Giacosas, das bleiche
U#n und ihm allein gehört. Da durchbricht die gequälte! Conversationsstücke abgewöhnen müssen, um weichere
Frau den Zwang, her auf sie ausgeübt wird, und be¬
Wangen und kluge Augen hat, ist uns schon durch das
Uibergänge zu finden. Den Vertrauten Marius gab
freit ihre Seele in dem Geständniß, daß sie jenen Vetter
Drama „Sündige Liebe“, das Sonnenthal nach Prag
Herr Engelsdorff im entsprech nden Tone der
geliebt hat, nur diesen und niemals einen anderen Mann.
brachte, vertraut geworden; in dem Einacter „Rechte
schonenden Rückhallung, nur wie fast. alle Rollen mit
Paul glaubt nun zu imponiren, dem er den Herrn
der Seele“, der dieser Tage neu auf die Scene kam,
einem Uibermaß conventioneller Geberden. Die Dar¬
hervorkehrt, der das ungetreue Weib aus dem Hause
geberdet es sich vielleicht noch feiner, aber so überfein,
steller wurden wiederholt hervorgerufen.
weist. Aber Anna klammert sich an dieses Urtheil wie
daß die Spitze bricht. Das alte Thema von der un¬
Während Giacosa die große Empfindung ins
an ein erlösendes Wort; unbekümmert um die ver¬
verstandenen Frau wird da in Andeutungen erledigt,
Schaufenster stellt und dabei sein Motiv mit einer
beren Sinn nicht vernormen, sondern erlauscht werden zweifelten Bitten ihres Gatten, der sie gleich darauf
gewissen künstlerischen Blasirtheit behandelt, die mit
wlll. Man muß den Juhalt dieses dramatischen Epi- wieder zu halten sucht, eilt sie davon wie Ibsens Nora
dem Ra##nhasten liebäugelt und die natürlichen Vor¬
gramms rasch erzählen, wenn der Leser nicht nur von auf Nimmerwiedersehen. Der Vorwucf ist interessant,
aussetzungen unterschätzt, stellt der hochbegabte Wiener
der Handlung, sondern auch von dem überstürzten und ohne Frage rührt der Autor an psychische Ge¬
Autor Arthur Schnitzler dir Blasirtheit dar und
Tempo dieses Einacters eine Vorstellung erhalten soll. heimnisse der zartesten Art. Aber alle Voraussetzungen
läßt aus ihr die große Empfindung unvermuthet und
Baul (Hr. Kirch) — ein Mann aus jener Gese.lschafts=liegen im Dunkel, daher der Eindruck des Abgerigenen,
doch überzeugend, so natürlich und so tragisch bervor¬
schichte, die zu Allem Zeit hat — wird durch eine Ent= Gewaltsamen und Uiberspitzten. Das Ganze wirkt wie
wachsen, daß wir von ihrer inneren Wahrheit aufs Tiefste
deckung in furchtbare Aufregung versetzt; in dem über= eine Katastrophe ohne Unterbau, wie eine Thurispitze
ergriffen werden. Schnitzler scheint in seinem Schauspiel
lieferten Nachlasse seines Vetters Ludwig, der sich in den Wolken. Wie kam diese Frau zu diesem Mann?
„Liebelei“ nur mit dem Leben zu spielen und erzählt
kürzlich den Tod gegeben hat, findet er Briefe, welche Hat sie ihn aus Berechnung gtheiratet, worauf eine
uns doch mehr von den Rechten der Seele als sein
die Ursache des Selbstmordes enthüllen. Ludwig ist Stelle hinzudeuten scheint, die von seiner Geschicklich¬
anspruchsvollerer italienischer Rivale. Uiber dem Ge¬
keit, eine behagliche Existenz zu gründen, berichtet —
aus unglücklicher Liebe zu Pauls Gattin Anna (Fr.
triebe von Studenten und Grisetten schwebt in seinem
Buska) in den Tod gegangen. Annas Briefe erhärten
wo bleibt dann der große Stolz, die herbe Ent¬
Schauspiel die tragische Muse dahin und wirft ihren furcht¬
diese Thatsache und zugleich die tadellose Tugend der
schlossenheit ihrer Seele? Hat sie ihn trotz alledem
bar ernsten und doch verklärenden Blick auf die Irrthümer
Frau, welche die stürmischen Anträge des Vetters ener¬
einmal geliebt — woher nimmt sie die erbarmungslose
einer halb verderbten Jugend, die, ohne es zu ahnen,
Uiberlegenheit, mit der sie seine Schwäche geißelt?
gisch zurückgewiesen und der Liebe zu ihrem Manne
in ein großes Schicksal hineintändelt; sie kündigt sich
Die Rechte der Seele sind die ersten in jedem Drama;
den unzweidentigsten Ausdruck gegeben hat. Der Fall
mit keinem großen Worte an, und doch fühlt man sich
aber zu den ersten Pflichten des Dichters gehört, der
wäre nun vor jedem Untersuchungsrichter klargestell.
von ihrem Hauche umwittert. Der erste Act führt uns
aber Paul weiß nicht genug, er möchte Alles wissen
Seele einen Körper zu geben. Hinter allen Räthseln
in das Junggesellenheim eines blutjungen Lebemannes,
und mit rauher Neugier in das geheimste Seelenleben
steht ein letztes, das der Drametiker nicht lösen kann;
des Studenten Fritz Lobbeimer (Hr. Gregory), der auf
seiner Frau eindringen. Eifersucht gegen den Todten
aber bis an das Letzte wollen wir herangeführt sein,
Kosten seiner begüterten Eltern die Freuden der Gro߬
nagt an seinem schwachen Herzen, weil der ganze un¬
bis an den Horizont, der das Irdische umgrenzt. Das
stadt in vollen Zügen genießt. Er gehört zu den jungen
glückliche Rotan, in den sogar sein Bruder Marius
einactige Stück von Giacosa — ein Stück in des
Männern, welche sich einbilden, das Leben zu studiren,
Wortes buchstäblicher Bedeutung — hat keinen Horizout,
(Hr. Engeisdorff) eingeweiht war, ihm fremd geblieben
wenn sie den Schaum seiner Freuden abschöpfen, er
Gespielt wurde das Fra ment Leben mit Temperameut
ist. Er benimmt sich wie der Ehemann Tolstojs in der
hat einen standesgemäßen großen Roman und eine
und Verständniß. Fr. Ouska hat bekanutlich viel
Kreutzersonate, wie ein lauernder Feind, wie ein Jäger
kleine Liebelei. Der Roman spielt in das Nachbarhaus
Beredtsamkeit des Schweigns; sie wußte das stille,
auf dem Anstand. Unbekümmert um die seelische Ver¬
hinüber, wo eine „dämonische“ Frau aus Uibermuth
stolze Leid und den Trotz der Uiberlegenheit in kurze
fassung der Frau, um derentwillen ein Mensch, ein
mit Gefahren spielt. Die Liebelei vermittelt der Col¬
Vetter, ein Freund in den Tod gegangen, drängt er in
Worte zu bannen. Auch der Moment der seelischen
lege Theodor (Herr Tauber), ein unter gleichen Lebens¬
Befreiung gelang ihr im Wesentlichen, nur die Manier,
die Gattin, um ihr ihr Geheimniß zu entlocken, und
bedingungen stehender Mann, der indeß viel einfacher



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wechselte einen kräftigen Händedruck mit einem
die Briefe, die der junge Mann bekam, nicht
Die Jagd nach einem Manne.
blonden, blassen jungen Mann, der mit untadel¬
auf den Namen „Florimond“ lauteten; er nahm
Pariser Sittenroman aus der Gegenwart
hafter Eleganz gekleidet war.
aber das Gesagte alsogleich wieder zurück aus
von Charies Foley.
Der mit „Florimond Angeredete war mit! Jurcht einen ## gut #####en
he# haihan Gu##
(Fortsetzung.)