II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 167

Liebeler
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Intalienhandlung, Frdinandstraße 36
Vom dutschen Landestheater. Die
„1 Frau, welche es biraut, daß sie so tugendhaft gewesen,!
1ihrem Manne die Treue zu bewahren, hat in Gia¬
cosa's „Recht der Seele“ ihr Zwiegefecht mit dem #
Gatten auszukämpfen, den sie für immer verläßt,
nachdem der Geliebte, gegen den sie spröde gewesen. C
sich erschossen hat. Der Vater, welcher bereut, einstens
seine Schwester so behütet zu haben, daß sie tugend¬
haft bleiben mußte und daher zu keiner rechten Le¬
bensfreude gekommen ist, macht deshalb in Schnitz¬
lers „Liebelei“ seine Tochter zu einem schlecht behü¬
teten Mädchen, das nach ihrem verliebten Abenteuer C
mit einem Wicht, dessen Lebensblüthe sich vor der
Zeit ins Welke entfärbt, verzweiflungsvoll aus dem
Leben flüchtet. Beide Schauspiele haben Samstag
bei ihrer ersten, wie gestern bei ihrer zweiten Auf¬
führung zufolge des dichterischen Werthes, der ihnen
i= innewohnt, einem großen Theil des Publicums die
lebhafteste Antheilnahme abgerungen. Dem jungen
Wiener Autor Arthur Schnitzler war mit seinem dra¬
matisirten Zustandsberichte aus gewissen Lebenskreisen
Wiens der Erfolg leichter gemacht, wie dem Mai¬
länder Giacosa, dessen einactigem Bilde herben Zwie¬
spalts kein Spielraum gegeben ist, sich plansibler zu
entfalten. Die Gattin, die sich bitter beklagt, daß ihr
Gemahl habe ruhig schlafen können, während sie voll
Sehnsucht nach einem Anderen schlaflos in die Kissen
biß, diese Specie der unverstandenen Frau spielte
gewandt Frau Buska, und die Herren Kirch und Engels¬
dorf hielten die Stimmung in dem melancholisch=
geistvollen Terzett geschickt und einheitlich fest. In
Schnitzler's Lebensbild, das im dritten Act zum Lei=S
chenbild wird, spielen Frl. Moller und Herr Tauber
gleichsam aus einer leichtblütigen Lumpennatur heraus #
ein lustiges, ein köstliches Duo. Für den Elenden, der
in erhitzter Eile seine Jugend vergendet, dessen Feuer ##
verlodert ist und der sich schon angemodert füblt, noch
ehe er niedergeschossen in die Grube fällt, verlangt auch nach
einem anderen Schauspieler als es Herr Gregory ist,
doch ist ihm gelungen, Manches recht gut zu machen.
Trefflichst gerathen war dem Frl. Fasser die Gestalt
der Armen, die Liebelei mit Liebe erwibert und zu
Grunde geht. Herr Reucker als deren Vater und Frl.
Klein als die Nachbarin suchten uns echte Wiener
Typen zu vermitteln. Hervorrufe folgten jedem Acte
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Bohemia Nr. 51.
Theater- und Mnsik-Nachrichten.
** Neues deutsches Theater. Von den beiden
neuen Schauspielen, die gestern das Publicum in
Spannung erhielten, will das eine viel bedeuten,
während durch das andere thatsächlich ein Zug des
Bedeutenden hindurchgeht. Der Einacter: „Rechte
der Seele“ von Giacosa ist eine psychologisch an¬
gehauchte Studie, die an die halbgelungenen Versuche
der Impressionisten erinnert. Kecke Farbenstriche, aber
kein Bild. Was der Autor in einer kurzen Scenen¬
folge nicht uninteressant anzudeuten versucht, wäre selbst
in einem ausgewachsenen Drama schwer zu sagen. Das
dreiactige Schauspiel „Liebelei“ von Arthur
Schnitzer dagegen ist beredt und epigrammatisch zu¬
gleich, ein psychologisches Drama, das sein Motiv er¬
schöpft und dabei niemals weitschweifig wird, ein
Meisterstück des Milieus, an dem der feinste Humor
seinen Antheil hat, und zugleich ein ergreifendes
Drama, dessen sparsame Naturlaute tief erschüttern.
Für den dramatischen Einfall des Italieners trat in
erster Linie Frau Buska mit einer stark beseelten
und wohlgegliederten Darstellung ein. In Schnitzlers
„Liebelei“ — einem Werke, in dem ein feines und
ernstes dramatisches Talent an uns herantritt —
wirkten schauspielerisch mit besonderem Glücke Frl.
Fasser (Christine), Herr Tauber (Theodor) und
Frl. Moller (Mizi) für einen starken Erfolg, der
ein nachhaltiger zu werden verspricht.
A. A.
(ean2en Theater.m4
4— Neues deutsches Theater. (Das
neue einactige Stück des Italieners Giacosa:
„Rechte der Seele“ behandelt nach Art der Pro¬
verbes einen etwas überspitzten Conflict zwischen Mann
und Frau; es ist geschickt gemacht, aber in der Moti¬
virung nicht unanfechtbar. Unter den Darstellern hielt
nur Frau Buska die richtige Stimmung ein. Der
Einacter fand eine freundliche Aufnahme. — Viel tiefer
in der Anlage ist das Schauspiel: „Liebelei“ von
Arthur Schnitzler. Der Dichter, vielleicht der beru¬
n
fenste Vertreter der Wiener Moderne, gibt in dem Stücke,
das nach Art der neuesten Dichtung auf die Ausmalung P
di
innerer Erlebnisse das Hauptgewicht legt, ein Wiener
Sittenbild von ernstem Gepräge und feiner Psychologie.
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Was man auch gegen die scheinbare Handlungslosigkeit
ge
vom theatralischen Standpunkt einwenden könnte, es istl kei
ein wirklicher Poet, der aus dem Werke zu uns spricht.
ko
Das Schauspiel hatte einen starken Erfolg. In der Auf¬
V.
führung traten die Fräulein Fasser und Moller
gil
und Herr Tauber am wirksamsten hervor. F. A.
7— Vum Nenen Deutschen Thegter!“