iebelei
5. L
box 10/2
In ein modernes, nervös überreiztes Milieu führt
uns auch „Liebelei“ ein Sittengemälde aus dem
Leben der Wiener Jugend von ergreifender innerer
Wahrheit. Zwei junge verwöhnte Lebemänner, Fritz
Lobheimer und Theodor Kaiser, kennen das Leben
nur von der Sonnenseite. Sie sind nicht gewohnt,
irgend etwas ernst zu nehmen, nicht die Ehre anderer,
nicht ihr eigenes Leben und auch nicht die Liebe —
die vor allem nicht; dem da ist ja doch alles nur
Scherz, Flirt, Tändelei, Liebelei. Theodors Freundin
die leichtlebige Mizi Schlager, theilt diese bequeme
Anschauung. Sie freut sich das Augenblicks, ohne sich
über das „Morgen“ Gedanken zu machen. „Wer wird
denn im Mai an den August denken!“ lacht sie, denn
sie weiß, „so lange währt die ewige Liebe nicht.“ Wie
Mizi das Spielzeug Theodors, so ist Christine, die¬
Tochter des Violinspielers Weiring, Fritzens Zeitver¬
treib. Der Gedanke, eines der Mädchen könnte diese
Liebelei für wirkliche Liebe nehmen, liegt den Freun¬
den ganz fern. Nur manchmal überkommt es Fritz,
der übrigens gleichzeitig der bevorzugte Günstling
einer verheiratheten Dame aus der guten Gesellschaft
ist, blitzartig wie eine Ahnung, daß Christinens Gefühl
für ihndecht ist. Diese liebt ihn mit der ganzen scheuen
Innigkeit einer ersten tiefen Neigung und hat sich ihm
in dem beglück enden Bewußtsein seiner Gegenliebe
schrankenlos hingegeben. Wohl sagt sie sich, daß ihr
Glück kein dauerndes sein wird, und verlangt auch
kein bindendes Wort von ihm. „Du hast mir nichts
versprochen, und ich habe nichts von Dir verlangt...
Was dann aus mir wird, ist ja ganz einerlei. Ich bin
doch einmal glücklich gewesen, mehr will ich ja vom
Das ist die Situation zu Anfang
„
Leben nicht“
* des Stückes. Wir sehen die vier jungen Leute in
G
Montagsblatt a. B. Nr. 8.
Fritzens mit elegantem Comfort ausgestattetem Jung¬
gesellenheim zu einem fröhlichen Abendessen versammelt.
Aber eine eigentlich dehagliche Stimmung will nicht
recht in Gang kommen. Es liegt über der trefflich aus¬
geführten Scene wie Gewitterschwüle. Theodor ist ver¬
gebens bemüht, Fritzens Besorgnis, daß seine Bezie¬
hungen zu jener Dame entdeckt sind, zu zerstreuen,
und erzwingt im Verein mit Mizi, der einzig Unbe¬
fangenen in der Gesellschaft, eine forcirte Lustigkeit¬
Da klingelts draußen. Die Gäste gehen ins Neben¬
zimmer, und hereintritt der betrogene Gatte. Nach
kurzem Wortwechsel fordert er Fritz zum Zweikampfe.
Die Mädchen, über die Bedeutung des Besuches ge¬
täuscht, bleiben noch eine Weile und entfernen sich
dann mit Theodor in aller Lustigkeit Die beiden fol¬
genden Aufzüge spielen in Christinens Wohnung drau¬
ßen in der Vorstadt. Wir lernen ihren Vater kennen
den alten Weiring, einen Mann von gereifter, abgeklärter
Lebensanschauung. Er betrauert den Tod einer gelieb¬
ten Schwester, die er erzogen hat und der er zeitlebens
ein gewissenhafter Beschützer war. Zu spät hat er er¬
kannt, daß ihr in dieser treuen Hut die Jugend in
aller Ehrbarkeit einsam und freudlos hingeschwunden
und daß sie ein einsames altes Fräulein geworden ist.
Und so ist sie gestorben, ohne das Glück ihres Lebens
gesunden zu haben. So soll's bei seinem Kinde nicht
auch wieder werden. Christine soll das Glück ihrer
Jugend, oder was sie dafür hält und die Erinnerung
an dieses Glück für ihr späteres Leben haben und
darum duldet er ihren Roman stillschweigend, in der
Hoffnung, ihre gesunde Natur werde selbst die schwerste
Enttäuschung verwinden. Hierin irrt er aber. Als
5. L
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In ein modernes, nervös überreiztes Milieu führt
uns auch „Liebelei“ ein Sittengemälde aus dem
Leben der Wiener Jugend von ergreifender innerer
Wahrheit. Zwei junge verwöhnte Lebemänner, Fritz
Lobheimer und Theodor Kaiser, kennen das Leben
nur von der Sonnenseite. Sie sind nicht gewohnt,
irgend etwas ernst zu nehmen, nicht die Ehre anderer,
nicht ihr eigenes Leben und auch nicht die Liebe —
die vor allem nicht; dem da ist ja doch alles nur
Scherz, Flirt, Tändelei, Liebelei. Theodors Freundin
die leichtlebige Mizi Schlager, theilt diese bequeme
Anschauung. Sie freut sich das Augenblicks, ohne sich
über das „Morgen“ Gedanken zu machen. „Wer wird
denn im Mai an den August denken!“ lacht sie, denn
sie weiß, „so lange währt die ewige Liebe nicht.“ Wie
Mizi das Spielzeug Theodors, so ist Christine, die¬
Tochter des Violinspielers Weiring, Fritzens Zeitver¬
treib. Der Gedanke, eines der Mädchen könnte diese
Liebelei für wirkliche Liebe nehmen, liegt den Freun¬
den ganz fern. Nur manchmal überkommt es Fritz,
der übrigens gleichzeitig der bevorzugte Günstling
einer verheiratheten Dame aus der guten Gesellschaft
ist, blitzartig wie eine Ahnung, daß Christinens Gefühl
für ihndecht ist. Diese liebt ihn mit der ganzen scheuen
Innigkeit einer ersten tiefen Neigung und hat sich ihm
in dem beglück enden Bewußtsein seiner Gegenliebe
schrankenlos hingegeben. Wohl sagt sie sich, daß ihr
Glück kein dauerndes sein wird, und verlangt auch
kein bindendes Wort von ihm. „Du hast mir nichts
versprochen, und ich habe nichts von Dir verlangt...
Was dann aus mir wird, ist ja ganz einerlei. Ich bin
doch einmal glücklich gewesen, mehr will ich ja vom
Das ist die Situation zu Anfang
„
Leben nicht“
* des Stückes. Wir sehen die vier jungen Leute in
G
Montagsblatt a. B. Nr. 8.
Fritzens mit elegantem Comfort ausgestattetem Jung¬
gesellenheim zu einem fröhlichen Abendessen versammelt.
Aber eine eigentlich dehagliche Stimmung will nicht
recht in Gang kommen. Es liegt über der trefflich aus¬
geführten Scene wie Gewitterschwüle. Theodor ist ver¬
gebens bemüht, Fritzens Besorgnis, daß seine Bezie¬
hungen zu jener Dame entdeckt sind, zu zerstreuen,
und erzwingt im Verein mit Mizi, der einzig Unbe¬
fangenen in der Gesellschaft, eine forcirte Lustigkeit¬
Da klingelts draußen. Die Gäste gehen ins Neben¬
zimmer, und hereintritt der betrogene Gatte. Nach
kurzem Wortwechsel fordert er Fritz zum Zweikampfe.
Die Mädchen, über die Bedeutung des Besuches ge¬
täuscht, bleiben noch eine Weile und entfernen sich
dann mit Theodor in aller Lustigkeit Die beiden fol¬
genden Aufzüge spielen in Christinens Wohnung drau¬
ßen in der Vorstadt. Wir lernen ihren Vater kennen
den alten Weiring, einen Mann von gereifter, abgeklärter
Lebensanschauung. Er betrauert den Tod einer gelieb¬
ten Schwester, die er erzogen hat und der er zeitlebens
ein gewissenhafter Beschützer war. Zu spät hat er er¬
kannt, daß ihr in dieser treuen Hut die Jugend in
aller Ehrbarkeit einsam und freudlos hingeschwunden
und daß sie ein einsames altes Fräulein geworden ist.
Und so ist sie gestorben, ohne das Glück ihres Lebens
gesunden zu haben. So soll's bei seinem Kinde nicht
auch wieder werden. Christine soll das Glück ihrer
Jugend, oder was sie dafür hält und die Erinnerung
an dieses Glück für ihr späteres Leben haben und
darum duldet er ihren Roman stillschweigend, in der
Hoffnung, ihre gesunde Natur werde selbst die schwerste
Enttäuschung verwinden. Hierin irrt er aber. Als