Liebele
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9. Jlenenennunc
„Norddeutsche Allgemeine Zeitung“:
„Vossische Zeitung" II.:
Das Deutsche Theater brachte am Dienstag das dreiaktige Schau¬
Das ist der Inhalt des Stücks, seine bündige Anekdote. Was das
spiel „Liebelei“ von Arthur Schnitzler zur Aufführung, nachdem
Stück reich macht, ist die Fülle der feelischen Eindrücke, die alle eine Be¬
dasselbe schon in Wien mit Beifall ausgenommen worden Die Vor¬
ziehung auf das arme Mädchen haben. Obwohl der Dichter von einer
züge wie die Schwächen der Bühnendichtung, die wir augenbüicklich als
künstlerischen Konstruktion ausgeht, obwohl er nach alter Lustspieltechnik
die modernste bezeichnen müssen, treten kaum an einem anderen Stück
das ernste Liebespaar zu einem muntern Liebespärchen in künstlichen
aus neuester Zeit klarer zu Tage. Gesellschaftliche Typen, scharf um¬
Gegensatz stellt und eins durch das andre fortwährend beleuchtet, so ist
rissen und glücklich kontrastirt, die psychologische Seite äußerst sorgfältig
doch alles wundervoll echt, wahr und klar in dem Stück; mit einem
herausgearbeitet, Bemerkungen über Welt und Leben, die Eindruck
einzigen kühnen Griff in's Leben ist das Komplizirtesie so gefaßt, daß
machen, weniger ihrer Neuheit wegen, als weil man bisher auf dem
es einfach auf der Hand liegt. Es ist in seiner wohlig=wehen Frühlings¬
Theater dergleichen nicht so offen zu sagen pflegte, doch immerhin auch
stimmung so rührend natürlich, wie Halbes „Jugend“. Es fehlt nicht
nicht wenige Apergus, welche gerade durch die Alltäglichkeit der Wendung
an geistreich und witzig formulirten Bemerkungen, aber sie quillen aus
einen besonderen Eindruck der Wahrheit machen. Dies, in kurzer Zu¬
der Situation und sind den Leuten, die sie machen, mundgerecht. Vom
sammenfassung, die Vorzüge der Gattung, zu welcher im vorliegenden
kindisch maßlosen Lebensgenuß hebt sich eine süße Traurigkeit ab, als
Falle noch eine gewisse anmuthige, aus der feineren Novellistik stammende
fielen draußen vom Flieder die Blüthen ab. Einer freien Auffassung
Diskretion der Behandlung hinzutritt. (Folgt Inhalt.)
von Leben und Liebe, dem übermüthigen Spiel mit Herzen und Sinnen
setzt das Memento mori die Schranke. Möchte den Dichter ein ebenso
„Die Post“
gutes Finderglück zu neuen, reifen Entwürfen tragen.
Die Neuheit, mit welcher die Direktion des Deutschen Theaters
gestern Abend vor ihrem Publikum erschien, ein Schauspiel von dem in
„Berliner Fremdenblatt“:
Wien lebenden Herrn Arthur Schnitzler, betitelt: „Liebelei“ gehört
Schnitzler ein großes, psychologisch glücklich arbeitendes Talent,
zu jener Gattung von Stücken, die nicht um einen erhabenen Gedanken
bewundere die Symphonie seiner Empfindungen, die in seinem Werk
oder die Verfechtung irgend einer originellen Idee, sondern meist zu dem
harmonisch zusammenklingen, und stehe mit Andacht vor der Poesie der
Zwecke geschaffen wurden, die Nerven der Zuhörer zu erschüttern. Nicht
Liebe die der „Liebelei“ sozusagen die erloschenen Augen zudrückt.
eine grausige Schicksals=Tragödie ist es oder ein blutiges Drama, für
„Liebelei“ schließt mit einem Schmerzensschrei wahrer Liebe, und diese
das Herr Schnitzler seine Phantasie anstrengte, es spielt sich vielmehr
Liebe ist's, die dem Stück und seiner Moral, wenn davon überhaupt zu
vor uns eine schlichte Herzensgeschichte ab. Dem Schnitzler'schen Schau¬
reden — ein Ende macht. (Folgt dieser Inhalt.) Das Publikum be¬
spiel ist ein genauer Blick für das Treiben junger, lebenslustiger Männer,
reitete dem Verfasser mehrere Hervorrufe.
ein auf Wiener Anschauungen basirender, frischer Humor und Kenntniß
der Regungen des weiblichen Herzens nachzurühmen. Herr Schnitzler
„Berliner Lokal=Anzeiger“:
erntete großen Beifall.
„Liebelei“, Schauspiel in drei Akten von Arthur Schnitzler¬
„Staatsbürger Zeitung":
das war die Novität. Das Publikum fühlte sich bei diesem Stücke in
die Atmosphäre von Halbe's „Jugend“ versetzt. Ungefähr derselbe
Neu einstudirt gelangte am Dienstag Heinrich v. Kleist's „Zer¬
Stoff, nur ein anderes Milien. (Folgt Inhalt.) Und wie man von
brochener Krug“ in Verbindung mit einer dreiaktigen modernen Schau¬
einer geistvollen feuilletonistischen Schilderung gefesselt wird, wenn sie
spielnenheit: „Liebelei“ von Arthur Schnitzler zur Aufführung. —
feine Beobachtung und warme Lebenswahrheit verräth, so fühlte sich
Ein beifalls= und erfolgreicher Abend. Das neue Schauspiel
gestern das Publikum von der dramatischen Plauderei Schnitzlers an¬
stammt aus Wien und spiegelt mit realistischer Schärfe, mit dem feineren
geregt. Man verzieh dem Autor seine dramatischen Schwächen,
Empfindungsvermögen einer poctischen Seele Leben und Treiben im
denn es zeugte von soviel Geist und Talent, daß man von dem Autor
Kreise der jungen Leute, die es nach den Freuden dieser Welt durstet
gewiß noch Gutes erwarten darf. So kam ein Erfolg zu Stande,
und die hierbei im Zeitalter des fin de siecle mehr als jemals von
der schon nach dem ersten Akt einsetzte, sich nach dem zweiten
laxen Anschauungen geleitet werden. In diese vom Dunst sorgloser
steigerte und auch nach dem Schlußakt anhielt.
Frivolität erfüllte gesellschaftliche Atmosphäre wächst aber eine zarte weib¬
liche Blume hinein, um verwelken zu müssen. (Folgt Inhalt.) Der
„Berliner Börsen=Zeitung":
Verfasser hat verstanden, das Publikum zu fesseln, die
Nach schweren Niederlagen endlich wieder ein Sieg im Deui¬
vollste Theilnahme wachzurufen. Ein fesselndes Wiener Gemälde,
in seinen lokalen Farben und Stimmungstönen anziehendster Art, ver¬
schen Theater, und ein großer und ehrlich gewonnene Sieg!
wandt mit dem Stile Alphonse Daudet's. Der Verfasser hat sich mit
Nach jedem Akt rief einstimmiger Beifall, den tein Mißton
vollem ethischem Ernste in seine Aufgabe vertieft und inmitten der¬
störte den stattlichen blonden Mann vor die Rampe, der das
realistischen von sonniger Lebenswärme erfüllten Detailmalerei eine
tragische Idyll geschrieben, in dem das Ewig=Menschliche eine so rüh¬
Gestalt zur Aufführung gebracht, die über die flache Alltäglichkeit mit
rende Sprache spricht. Nächst der „Jugend“ hat die moderne Literatur
dem Idealismus ihrer Liebe und feelischen Reinheit weit hinaushebt.
nichts gleich Lieberes und Ergreifenderes geschrieben, und gleicher Stim¬
mungszauber in Gewitterschwüle durchwebt die Scenen, die die alte
Rauschender Beifall am Schluß der Akte führte zu wieder¬
und neue Tragödie vom „Verhältniß“ sich abspielt. Und da sich von
holten Hervorrufen des Wiener Autors.
diesem Schauspiel, das in seinem Genre fast vollendet dasteht, noch
„Der Reichsbote“:
Einiges mehr reden läßt, was man füglich um die mitternächtige
Das am Dienstag im Deutschen Theater zum ersten Male auf¬
Stunde nicht so rasch sagen kann, so möchte ich das morgen thun.
geführte Schauspiel in drei Akten von Arthur Schnitzler, „Liebelei“,
wurde mit großem Beifall ausgenommen. Es ist ein echt
„Börsen=Zeitung“.
modernes Drama mit wenig Handlung, viel Milieu=Schilderung und
Die Geschichte, die uns Arthur Schnitzler erzählt, ist alt und einfach,
sehr breit ausgemalten Situationen, der Gegenstand aber durch einen
Man kann von solchen Dingen alle Tage im Polizeibericht der Blätter
idealen Hauch vertieft.
lesen. Aus dieser Alltäglichkeit hat nun ein berufener Poct ein
Kunstwerk, das in seinem Genre den Stempel der Vollen¬
Die „Krenz=Zeitung“:
dung trägt, geschaffen. Und wie in jedem Künstler, so herrscht auch
Der äußere Verlauf der Handlung ist im wörtlichen Sinne all¬
in Schnitzler ein starkes ethisches Bewußtsein, das die unter schwanken¬
täglich. Indem aber der Verfasser die handelnden Personen mit all'
dem Course stehenden Moralbegriffe der Klassen corrigirt und eine Sitt¬
ihrem inneren Leben und Erleben durchsichtig machte, wie wir uns nur
lichkeit im höheren Sinne stabilirt, die über den Zeiten erhaben ist. Ich
selber durchsichtig sind, — indem er das Mit= und Gegeneinander¬
habe gestern an die „Jugend“ erinnert: ich kenne von den modernen
Spielen dieser Personen zu einem streng in sich abgeschlossenen Kreis
Werken keine keuscheren als die Halbe'sche und Schnitzler'sche Idylle.
von Handlungen und Ereignissen machte, — und indem er ein allen
Aber was das Schnitzler'sche Werk weit über das Halbe'sche erhebt,
Menschen gemeinsames Lebensinteresse dem feelischen Konflikt zu Grunde
das ist der tiefere psychologische Blick des Poeten, der sich eine bedeutend
legte, hat er doch aus dem ganz alltäglichen Vorkommniß
weitere Perspektive gestellt hat. Bei Halbe wirkt die Naivetät der Ge¬
ein fesselndes erregendes, ja erschütterndes Schauspiel
stalten an sich keusch, in der „Liebelei“ hör ich das ethische Pathos
geschaffen. Mit einmüthigem, anhaltendem Beifalle dankte
des gestaltenden Künstlers, der bewüßt das Ewig=menschliche predigt.
ihm das vollbesetzte Haus. Aus dieser Thatsache geht schon hervor,
Bei Halbe die Schuld von Kindern, die eine Thräne der Rührung in's
daß das Stück kein sogenanntes „Richtungs=Drama“ ist. Der Verfasser
Auge drückt, bei Schnitzler das erschütternde unerbittliche Schicksal
ist in der Hauptsache. „modern“ d. h. er strebt nach größter Anschaulich¬
handelnder Menschen. Die Tragik im Gewande des Ewigen und Noth¬
keit und Natürlichkeit der Bühnenvorgänge. Schwer wiegen aber die
wendigen kleidet „Liebelei“, die des Zeitlichen und Zufälligen die
Vortheile, die das Stück in seiner innerlichen Vertiefung durch das
In Wien hat das Stück Poesie ebenso wie bei
„Jugend“
gewissenhafte „Naturstudium“ des Verfassers gewonnen hat. Die Auf¬
uns seinen ehrlichen Erfolg gehabt.
führung war von tadelloser Vollendung.
S
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„Norddeutsche Allgemeine Zeitung“:
„Vossische Zeitung" II.:
Das Deutsche Theater brachte am Dienstag das dreiaktige Schau¬
Das ist der Inhalt des Stücks, seine bündige Anekdote. Was das
spiel „Liebelei“ von Arthur Schnitzler zur Aufführung, nachdem
Stück reich macht, ist die Fülle der feelischen Eindrücke, die alle eine Be¬
dasselbe schon in Wien mit Beifall ausgenommen worden Die Vor¬
ziehung auf das arme Mädchen haben. Obwohl der Dichter von einer
züge wie die Schwächen der Bühnendichtung, die wir augenbüicklich als
künstlerischen Konstruktion ausgeht, obwohl er nach alter Lustspieltechnik
die modernste bezeichnen müssen, treten kaum an einem anderen Stück
das ernste Liebespaar zu einem muntern Liebespärchen in künstlichen
aus neuester Zeit klarer zu Tage. Gesellschaftliche Typen, scharf um¬
Gegensatz stellt und eins durch das andre fortwährend beleuchtet, so ist
rissen und glücklich kontrastirt, die psychologische Seite äußerst sorgfältig
doch alles wundervoll echt, wahr und klar in dem Stück; mit einem
herausgearbeitet, Bemerkungen über Welt und Leben, die Eindruck
einzigen kühnen Griff in's Leben ist das Komplizirtesie so gefaßt, daß
machen, weniger ihrer Neuheit wegen, als weil man bisher auf dem
es einfach auf der Hand liegt. Es ist in seiner wohlig=wehen Frühlings¬
Theater dergleichen nicht so offen zu sagen pflegte, doch immerhin auch
stimmung so rührend natürlich, wie Halbes „Jugend“. Es fehlt nicht
nicht wenige Apergus, welche gerade durch die Alltäglichkeit der Wendung
an geistreich und witzig formulirten Bemerkungen, aber sie quillen aus
einen besonderen Eindruck der Wahrheit machen. Dies, in kurzer Zu¬
der Situation und sind den Leuten, die sie machen, mundgerecht. Vom
sammenfassung, die Vorzüge der Gattung, zu welcher im vorliegenden
kindisch maßlosen Lebensgenuß hebt sich eine süße Traurigkeit ab, als
Falle noch eine gewisse anmuthige, aus der feineren Novellistik stammende
fielen draußen vom Flieder die Blüthen ab. Einer freien Auffassung
Diskretion der Behandlung hinzutritt. (Folgt Inhalt.)
von Leben und Liebe, dem übermüthigen Spiel mit Herzen und Sinnen
setzt das Memento mori die Schranke. Möchte den Dichter ein ebenso
„Die Post“
gutes Finderglück zu neuen, reifen Entwürfen tragen.
Die Neuheit, mit welcher die Direktion des Deutschen Theaters
gestern Abend vor ihrem Publikum erschien, ein Schauspiel von dem in
„Berliner Fremdenblatt“:
Wien lebenden Herrn Arthur Schnitzler, betitelt: „Liebelei“ gehört
Schnitzler ein großes, psychologisch glücklich arbeitendes Talent,
zu jener Gattung von Stücken, die nicht um einen erhabenen Gedanken
bewundere die Symphonie seiner Empfindungen, die in seinem Werk
oder die Verfechtung irgend einer originellen Idee, sondern meist zu dem
harmonisch zusammenklingen, und stehe mit Andacht vor der Poesie der
Zwecke geschaffen wurden, die Nerven der Zuhörer zu erschüttern. Nicht
Liebe die der „Liebelei“ sozusagen die erloschenen Augen zudrückt.
eine grausige Schicksals=Tragödie ist es oder ein blutiges Drama, für
„Liebelei“ schließt mit einem Schmerzensschrei wahrer Liebe, und diese
das Herr Schnitzler seine Phantasie anstrengte, es spielt sich vielmehr
Liebe ist's, die dem Stück und seiner Moral, wenn davon überhaupt zu
vor uns eine schlichte Herzensgeschichte ab. Dem Schnitzler'schen Schau¬
reden — ein Ende macht. (Folgt dieser Inhalt.) Das Publikum be¬
spiel ist ein genauer Blick für das Treiben junger, lebenslustiger Männer,
reitete dem Verfasser mehrere Hervorrufe.
ein auf Wiener Anschauungen basirender, frischer Humor und Kenntniß
der Regungen des weiblichen Herzens nachzurühmen. Herr Schnitzler
„Berliner Lokal=Anzeiger“:
erntete großen Beifall.
„Liebelei“, Schauspiel in drei Akten von Arthur Schnitzler¬
„Staatsbürger Zeitung":
das war die Novität. Das Publikum fühlte sich bei diesem Stücke in
die Atmosphäre von Halbe's „Jugend“ versetzt. Ungefähr derselbe
Neu einstudirt gelangte am Dienstag Heinrich v. Kleist's „Zer¬
Stoff, nur ein anderes Milien. (Folgt Inhalt.) Und wie man von
brochener Krug“ in Verbindung mit einer dreiaktigen modernen Schau¬
einer geistvollen feuilletonistischen Schilderung gefesselt wird, wenn sie
spielnenheit: „Liebelei“ von Arthur Schnitzler zur Aufführung. —
feine Beobachtung und warme Lebenswahrheit verräth, so fühlte sich
Ein beifalls= und erfolgreicher Abend. Das neue Schauspiel
gestern das Publikum von der dramatischen Plauderei Schnitzlers an¬
stammt aus Wien und spiegelt mit realistischer Schärfe, mit dem feineren
geregt. Man verzieh dem Autor seine dramatischen Schwächen,
Empfindungsvermögen einer poctischen Seele Leben und Treiben im
denn es zeugte von soviel Geist und Talent, daß man von dem Autor
Kreise der jungen Leute, die es nach den Freuden dieser Welt durstet
gewiß noch Gutes erwarten darf. So kam ein Erfolg zu Stande,
und die hierbei im Zeitalter des fin de siecle mehr als jemals von
der schon nach dem ersten Akt einsetzte, sich nach dem zweiten
laxen Anschauungen geleitet werden. In diese vom Dunst sorgloser
steigerte und auch nach dem Schlußakt anhielt.
Frivolität erfüllte gesellschaftliche Atmosphäre wächst aber eine zarte weib¬
liche Blume hinein, um verwelken zu müssen. (Folgt Inhalt.) Der
„Berliner Börsen=Zeitung":
Verfasser hat verstanden, das Publikum zu fesseln, die
Nach schweren Niederlagen endlich wieder ein Sieg im Deui¬
vollste Theilnahme wachzurufen. Ein fesselndes Wiener Gemälde,
in seinen lokalen Farben und Stimmungstönen anziehendster Art, ver¬
schen Theater, und ein großer und ehrlich gewonnene Sieg!
wandt mit dem Stile Alphonse Daudet's. Der Verfasser hat sich mit
Nach jedem Akt rief einstimmiger Beifall, den tein Mißton
vollem ethischem Ernste in seine Aufgabe vertieft und inmitten der¬
störte den stattlichen blonden Mann vor die Rampe, der das
realistischen von sonniger Lebenswärme erfüllten Detailmalerei eine
tragische Idyll geschrieben, in dem das Ewig=Menschliche eine so rüh¬
Gestalt zur Aufführung gebracht, die über die flache Alltäglichkeit mit
rende Sprache spricht. Nächst der „Jugend“ hat die moderne Literatur
dem Idealismus ihrer Liebe und feelischen Reinheit weit hinaushebt.
nichts gleich Lieberes und Ergreifenderes geschrieben, und gleicher Stim¬
mungszauber in Gewitterschwüle durchwebt die Scenen, die die alte
Rauschender Beifall am Schluß der Akte führte zu wieder¬
und neue Tragödie vom „Verhältniß“ sich abspielt. Und da sich von
holten Hervorrufen des Wiener Autors.
diesem Schauspiel, das in seinem Genre fast vollendet dasteht, noch
„Der Reichsbote“:
Einiges mehr reden läßt, was man füglich um die mitternächtige
Das am Dienstag im Deutschen Theater zum ersten Male auf¬
Stunde nicht so rasch sagen kann, so möchte ich das morgen thun.
geführte Schauspiel in drei Akten von Arthur Schnitzler, „Liebelei“,
wurde mit großem Beifall ausgenommen. Es ist ein echt
„Börsen=Zeitung“.
modernes Drama mit wenig Handlung, viel Milieu=Schilderung und
Die Geschichte, die uns Arthur Schnitzler erzählt, ist alt und einfach,
sehr breit ausgemalten Situationen, der Gegenstand aber durch einen
Man kann von solchen Dingen alle Tage im Polizeibericht der Blätter
idealen Hauch vertieft.
lesen. Aus dieser Alltäglichkeit hat nun ein berufener Poct ein
Kunstwerk, das in seinem Genre den Stempel der Vollen¬
Die „Krenz=Zeitung“:
dung trägt, geschaffen. Und wie in jedem Künstler, so herrscht auch
Der äußere Verlauf der Handlung ist im wörtlichen Sinne all¬
in Schnitzler ein starkes ethisches Bewußtsein, das die unter schwanken¬
täglich. Indem aber der Verfasser die handelnden Personen mit all'
dem Course stehenden Moralbegriffe der Klassen corrigirt und eine Sitt¬
ihrem inneren Leben und Erleben durchsichtig machte, wie wir uns nur
lichkeit im höheren Sinne stabilirt, die über den Zeiten erhaben ist. Ich
selber durchsichtig sind, — indem er das Mit= und Gegeneinander¬
habe gestern an die „Jugend“ erinnert: ich kenne von den modernen
Spielen dieser Personen zu einem streng in sich abgeschlossenen Kreis
Werken keine keuscheren als die Halbe'sche und Schnitzler'sche Idylle.
von Handlungen und Ereignissen machte, — und indem er ein allen
Aber was das Schnitzler'sche Werk weit über das Halbe'sche erhebt,
Menschen gemeinsames Lebensinteresse dem feelischen Konflikt zu Grunde
das ist der tiefere psychologische Blick des Poeten, der sich eine bedeutend
legte, hat er doch aus dem ganz alltäglichen Vorkommniß
weitere Perspektive gestellt hat. Bei Halbe wirkt die Naivetät der Ge¬
ein fesselndes erregendes, ja erschütterndes Schauspiel
stalten an sich keusch, in der „Liebelei“ hör ich das ethische Pathos
geschaffen. Mit einmüthigem, anhaltendem Beifalle dankte
des gestaltenden Künstlers, der bewüßt das Ewig=menschliche predigt.
ihm das vollbesetzte Haus. Aus dieser Thatsache geht schon hervor,
Bei Halbe die Schuld von Kindern, die eine Thräne der Rührung in's
daß das Stück kein sogenanntes „Richtungs=Drama“ ist. Der Verfasser
Auge drückt, bei Schnitzler das erschütternde unerbittliche Schicksal
ist in der Hauptsache. „modern“ d. h. er strebt nach größter Anschaulich¬
handelnder Menschen. Die Tragik im Gewande des Ewigen und Noth¬
keit und Natürlichkeit der Bühnenvorgänge. Schwer wiegen aber die
wendigen kleidet „Liebelei“, die des Zeitlichen und Zufälligen die
Vortheile, die das Stück in seiner innerlichen Vertiefung durch das
In Wien hat das Stück Poesie ebenso wie bei
„Jugend“
gewissenhafte „Naturstudium“ des Verfassers gewonnen hat. Die Auf¬
uns seinen ehrlichen Erfolg gehabt.
führung war von tadelloser Vollendung.
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