Lieb
5. Mnnnnennn
box 10/3
lesen in der preisgekrönten und wahrhaft vortrefflichen Monogre
über „Heinrich von Kleist“ von Otto Brahm, was Wur
daß der Direktor des Deutschen Theaters diesem Lustspiel seine
sondere Sorgfalt zugewendet und das Urteil des Literarhistor
gewissermaßen thatsächlich bestätigt hat. Ganz ausgezeichnet abe
es ihm gelungen, das war wirklich ein Bild aus dem Leben
vollen satten Farben und herzhaft lachendem Humor, als sei
alter Niederländer aus dem Rahmen herabgestiegen. Der D
echt im Kolorit, nur hie und da etwas zu grell aufgetra
der fleißige und begabte Künstler kann sich jetzt schon den besten
stellern dieser Itolle an die Seite stellen, und beseitigt er noch
Zuvick, dann bleibt nichts mehr zu wünschen übrig. Der Ke
der unverfrorenen Frechheit mit dem bösen Gewissen war von gera
überwältigender Wirkung. Wenn er auch die Szene und das Inte
beherrschte, standen die Andern ihm doch ebenbürtig zur Seite,
Schreiber Licht mit seinem kriechenden Ehrgeiz (Hans Fisch
Frau Martha Null, die streitbare, prozeßsüchtige Bäuerin (M.
Meyer), Eva und Ruprecht (Helene Staglé und Paul Bie
feld), diese naiven Charaktere voll frischen poetischen Lebens, kur
alle wurden so, wie sie der feinsinnige Kritiker Brahm entwi
von den Künstlern des Direktor Brahm überzeugend vorgeführt,
war ein wirklicher Genuß, der mit freudigem Beifall gewürdigt
gelohnt wurde.
Auch „aus dem Leben des Tages, aus Beobachtung und
fahrung geschöpft“, erschien sodann zum ersten Mule: „Liebe
Schauspiel in 3 Akten von Arthur Schnitzler. Aber hier war
„Wirklichkeitssinn“ weder frisch, noch kräftig und behaglich. Aus
frischen Landluft in die schwüle, sentimental parfümirte Grise
katmosphäre. Neben dem klassischen Realisten nahm sich der mod
Realist im Ganzen recht trübselig aus, und sein Aufputz stach
jener schmucklosen Natürlichkeit durch geschminkte Fadenscheinigkeit
vorteilhaft ab. Daß ein junger Mann ein Verhältnis hat,
Modistin ist und Mizi Schlager heißt, ist auch außerhalb W
nichts ungewöhnliches, und nirgend wird es auffallen, wenn d
umgekehrte Tugendspiegel seinen Freund von der Lie
der von der Eifer
verheirateten Frau,
mit
des Gatten drohenden Gefahren halber, abzubringen
und kein besseres Gegenmittel kennt, als die etwas
barere Freundin seiner Geliebten, die auch sofort bereit ist, sich
nehmen zu lassen. Und so soupirt denn dieses Vierblatt den ga
ersten Akt hindurch in der Wohnung des Geheilten, die Garten
aus „Faust“ nur daß das kupplerische Paar nichts teuflisches
sich hat, wihrend das andere allerdings die Sache mit vorschr
mäßiger Sentimentalität anfaßt. In dieses Liebesmahl platzt
steinerne Gast hinein, „ein Herr“, wie er auf dem Zettel heißt,
Gatte jener Dame, der die Beweise ihrer Untreue in Händen
und von dem Liebhaber Rechenschaft fordert. Die weibli
Teilnehmerinnen des Quartetts waren vor dem Besuch in das Ne
zimmer geflüchtet, haben also den Grund der Störung nicht erfah
über einer brünstigen Abschiedsumarmung des neuen Liebespa
senkt sich der Vorhang, und der Dichter erscheint. Der zu
Akt spielt im Dunstkreis, will sagen in dem bescheid
Stübchen Greichens, die aber Christine Weiring heißt und
Tochter eines Violinspielers am Josephstädter Theater ist, br
Mann und zärtlicher Vater, im übrigen Witwer. Ein Brackenb
wird in der Ferne gezeigt, aber Gretchen, die auch Klärchen hei
könnte, liebt nur ihn, der weder ein Faust noch ein Egmont ist.
brave Nachbarin, die den ehrlich gesinnten Diurnisten in Bereitse
hält, warnt, man munkelt schon. Vergeblich, die Bethörte hält unerschüt
lich an seiner Liebe fest, der sie Ehrlichkeit und Dauer zutraut, obn
die erfahrene Freundin ihr vorhält, daß sie dafür es
dumm angefangen habe. Das ist ein realistisches Mäd¬
das immer schon an
den Nächsten denkt. Der V
geht in's Theater, der Geliebte erscheint hat er ihr
gestern seinen Besuch versprochen. Er sieht sich überall um, d
kosen sie, bis ihn der Freund abholt, morgen findet das Duell st
Natürlich weiß sie nichts davon, über einer brünstigen Abschie
umarmung der Liebenden senkt sich der Vorhang, und der Dichter
scheint. Im dritten Akt, der den Schauplatz nicht wechselt, harrt
des Geliebten. Statt seiner kommt der Vater, sie hat ihm
vorher alles offenbart, und ist er stillschweigend fortgegang
Wahrscheinlich hat er
den linkshändigen Schwiegersohn
gesucht und einen Toten gefunden. Langsam bereitet
sein Kind vor, was er nur andeutet, erfährt sie von
Freund, der mit dem letzten Gruße herbeieilt, von seiner
liebten begleitet. Furchtbare Seelenkämpfe, schier endlose Marter,
sie den gewaltsam sie Zurückhaltenden sich entreißt. Während
beiden jungen Leute ihr nacheilen, bricht der alte Vater mit
Schmerzensruf zusammen: „sie kommt nicht wieder,“ auch der A
hang fällt, und nur der Dichter kommt noch mehrere Male zum V
schein. Das Deutsche Theater weiß seine Dichter zu ehren.
Gewiß ein bemerkenswertes Talent, dem noch die Ruhe und R
fehlt, und das auf falschem Wege befangen. Eine endlose Rede
eine sehr dünne und unerquickliche Handlung, und dabei sind
Konflikte weder modern, noch interessant. Der Dialog ist stellenw
—7
sehr frisch und gewandt, und soll es dem Dichter als besonderes A
dienst angerechnet werden, daß sein Held zwar kein H
aber doch wenigstens kein Lump ist. Das von einem Wie
verfaßte und in Wien spielende Stück wurde von Wien
vortrefflich dargestellt und erhielt so einen anmutenden Lokalt
Der Preis gebürt Agnes Sorma (Christine), die das grisett
hafte Gretchen meisterlich mit vollendeter Natürlichkeit entwickelte
durch ihre hinreißende Kunst die Qual der Schlußszene gänzlich 1
gessen machte. Dicht an sie heran ragte Emanuel Reicher (Ha
Weiring), ein vollendeter Künstler, wenn er nicht künstelt und sein
natürlichen Gang nicht auf dem Cothurn emporstelzt. Wie rührend
schon die äußere Erscheinung und Haltung des alten verschlisse
Orchestergeigers mit dem künstlerischen Anstrich, wie
die
väterliche Angst bei
der Vorbereitt
greifend
des ahnungslosen Kindes auf den entsetzlichen Schlag. Jose
Jarno (Theodor Kaiser) und Gisela Schneider (M
PER
5. Mnnnnennn
box 10/3
lesen in der preisgekrönten und wahrhaft vortrefflichen Monogre
über „Heinrich von Kleist“ von Otto Brahm, was Wur
daß der Direktor des Deutschen Theaters diesem Lustspiel seine
sondere Sorgfalt zugewendet und das Urteil des Literarhistor
gewissermaßen thatsächlich bestätigt hat. Ganz ausgezeichnet abe
es ihm gelungen, das war wirklich ein Bild aus dem Leben
vollen satten Farben und herzhaft lachendem Humor, als sei
alter Niederländer aus dem Rahmen herabgestiegen. Der D
echt im Kolorit, nur hie und da etwas zu grell aufgetra
der fleißige und begabte Künstler kann sich jetzt schon den besten
stellern dieser Itolle an die Seite stellen, und beseitigt er noch
Zuvick, dann bleibt nichts mehr zu wünschen übrig. Der Ke
der unverfrorenen Frechheit mit dem bösen Gewissen war von gera
überwältigender Wirkung. Wenn er auch die Szene und das Inte
beherrschte, standen die Andern ihm doch ebenbürtig zur Seite,
Schreiber Licht mit seinem kriechenden Ehrgeiz (Hans Fisch
Frau Martha Null, die streitbare, prozeßsüchtige Bäuerin (M.
Meyer), Eva und Ruprecht (Helene Staglé und Paul Bie
feld), diese naiven Charaktere voll frischen poetischen Lebens, kur
alle wurden so, wie sie der feinsinnige Kritiker Brahm entwi
von den Künstlern des Direktor Brahm überzeugend vorgeführt,
war ein wirklicher Genuß, der mit freudigem Beifall gewürdigt
gelohnt wurde.
Auch „aus dem Leben des Tages, aus Beobachtung und
fahrung geschöpft“, erschien sodann zum ersten Mule: „Liebe
Schauspiel in 3 Akten von Arthur Schnitzler. Aber hier war
„Wirklichkeitssinn“ weder frisch, noch kräftig und behaglich. Aus
frischen Landluft in die schwüle, sentimental parfümirte Grise
katmosphäre. Neben dem klassischen Realisten nahm sich der mod
Realist im Ganzen recht trübselig aus, und sein Aufputz stach
jener schmucklosen Natürlichkeit durch geschminkte Fadenscheinigkeit
vorteilhaft ab. Daß ein junger Mann ein Verhältnis hat,
Modistin ist und Mizi Schlager heißt, ist auch außerhalb W
nichts ungewöhnliches, und nirgend wird es auffallen, wenn d
umgekehrte Tugendspiegel seinen Freund von der Lie
der von der Eifer
verheirateten Frau,
mit
des Gatten drohenden Gefahren halber, abzubringen
und kein besseres Gegenmittel kennt, als die etwas
barere Freundin seiner Geliebten, die auch sofort bereit ist, sich
nehmen zu lassen. Und so soupirt denn dieses Vierblatt den ga
ersten Akt hindurch in der Wohnung des Geheilten, die Garten
aus „Faust“ nur daß das kupplerische Paar nichts teuflisches
sich hat, wihrend das andere allerdings die Sache mit vorschr
mäßiger Sentimentalität anfaßt. In dieses Liebesmahl platzt
steinerne Gast hinein, „ein Herr“, wie er auf dem Zettel heißt,
Gatte jener Dame, der die Beweise ihrer Untreue in Händen
und von dem Liebhaber Rechenschaft fordert. Die weibli
Teilnehmerinnen des Quartetts waren vor dem Besuch in das Ne
zimmer geflüchtet, haben also den Grund der Störung nicht erfah
über einer brünstigen Abschiedsumarmung des neuen Liebespa
senkt sich der Vorhang, und der Dichter erscheint. Der zu
Akt spielt im Dunstkreis, will sagen in dem bescheid
Stübchen Greichens, die aber Christine Weiring heißt und
Tochter eines Violinspielers am Josephstädter Theater ist, br
Mann und zärtlicher Vater, im übrigen Witwer. Ein Brackenb
wird in der Ferne gezeigt, aber Gretchen, die auch Klärchen hei
könnte, liebt nur ihn, der weder ein Faust noch ein Egmont ist.
brave Nachbarin, die den ehrlich gesinnten Diurnisten in Bereitse
hält, warnt, man munkelt schon. Vergeblich, die Bethörte hält unerschüt
lich an seiner Liebe fest, der sie Ehrlichkeit und Dauer zutraut, obn
die erfahrene Freundin ihr vorhält, daß sie dafür es
dumm angefangen habe. Das ist ein realistisches Mäd¬
das immer schon an
den Nächsten denkt. Der V
geht in's Theater, der Geliebte erscheint hat er ihr
gestern seinen Besuch versprochen. Er sieht sich überall um, d
kosen sie, bis ihn der Freund abholt, morgen findet das Duell st
Natürlich weiß sie nichts davon, über einer brünstigen Abschie
umarmung der Liebenden senkt sich der Vorhang, und der Dichter
scheint. Im dritten Akt, der den Schauplatz nicht wechselt, harrt
des Geliebten. Statt seiner kommt der Vater, sie hat ihm
vorher alles offenbart, und ist er stillschweigend fortgegang
Wahrscheinlich hat er
den linkshändigen Schwiegersohn
gesucht und einen Toten gefunden. Langsam bereitet
sein Kind vor, was er nur andeutet, erfährt sie von
Freund, der mit dem letzten Gruße herbeieilt, von seiner
liebten begleitet. Furchtbare Seelenkämpfe, schier endlose Marter,
sie den gewaltsam sie Zurückhaltenden sich entreißt. Während
beiden jungen Leute ihr nacheilen, bricht der alte Vater mit
Schmerzensruf zusammen: „sie kommt nicht wieder,“ auch der A
hang fällt, und nur der Dichter kommt noch mehrere Male zum V
schein. Das Deutsche Theater weiß seine Dichter zu ehren.
Gewiß ein bemerkenswertes Talent, dem noch die Ruhe und R
fehlt, und das auf falschem Wege befangen. Eine endlose Rede
eine sehr dünne und unerquickliche Handlung, und dabei sind
Konflikte weder modern, noch interessant. Der Dialog ist stellenw
—7
sehr frisch und gewandt, und soll es dem Dichter als besonderes A
dienst angerechnet werden, daß sein Held zwar kein H
aber doch wenigstens kein Lump ist. Das von einem Wie
verfaßte und in Wien spielende Stück wurde von Wien
vortrefflich dargestellt und erhielt so einen anmutenden Lokalt
Der Preis gebürt Agnes Sorma (Christine), die das grisett
hafte Gretchen meisterlich mit vollendeter Natürlichkeit entwickelte
durch ihre hinreißende Kunst die Qual der Schlußszene gänzlich 1
gessen machte. Dicht an sie heran ragte Emanuel Reicher (Ha
Weiring), ein vollendeter Künstler, wenn er nicht künstelt und sein
natürlichen Gang nicht auf dem Cothurn emporstelzt. Wie rührend
schon die äußere Erscheinung und Haltung des alten verschlisse
Orchestergeigers mit dem künstlerischen Anstrich, wie
die
väterliche Angst bei
der Vorbereitt
greifend
des ahnungslosen Kindes auf den entsetzlichen Schlag. Jose
Jarno (Theodor Kaiser) und Gisela Schneider (M
PER