II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 191

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Max Karfunkel's Nachrichten-Bureau, Argus“
Berlin C., Poststrasse 29. Telephon V, 1227.
Paris.
New-Vork.
London.
(Liest alle Zeitungen der Welt und liefert aus denselben
Ausschnitte über jeden Gegenstand.)
Nachrichten.
Frankfurt a. M.
8-TEB.96
Berliner Brief.
Berlin, den 6. Febrikgr.
Endlich nach mon telangen Kämpfen hat nun auch das
„Deutsche Theite“ einen Erfolg zu verzeichnen. Ist
es auch kein Erfolg mit Päiken und Trompeten, so ist es
immerhin ein Erfolg, in ehrlicher Erfolg, zu dem Brahm,
der Direktor des „Deutschen Theaters“, noch mehr zu
beglückwünschen ist, äls der junge Autor des Stückes,
Arthur Schnitzler aus Wien, denn die kolossalen Aus¬
gaben für die Ausstattung der letzten Durchfälle hatten
bedenkliche Löcher in die Theaterkasse gerissen. Man muß
es dem rührigen Direktor des „Deutschen Theaters“ nach¬
sagen, daß er selbst aus seinen Niederlagen Nutzen zu
ziehen weiß, indem er aus denselben mit feinem Gefühl
die augenblickliche Stimmung der Berliner Theaterkund¬
schaft herausfühlt und im Handumdrehen ein Stück zu
serviren weiß, das allen Anforderurgen dieser Gourmand¬
laune entspricht. Mit einer ziemlichen Dosis Realismus
ist auch dieses Stück gepfeffert, aber doch so, daß man
beim Schlucken wenigstens keinen Brechreiz verspürt, wie
bei der historischen Pastete „Florian Geyer“, denn
Schnitzler's Realismus in seinem Schauspiel Liebelei“
ist durchaus genießbar und vor allem — appetitlich. Der
fante Cargeruch, der von Hauptmann's dramatischen
Saucen ausgeht, verdirbt Einem weder den Genuß noch
die Verdauung. Ja Schnitzler thut noch ein Uebriges
und mischt in seine „Liebelei“ überaus gemüthliche, an
das Wiener Volksstück erinnernde Gewürze, die über das
Brutale in der Doppel=Liebschaft seines Helden leicht und
pikant hinwegtäuschen.
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Varkariuntefs Nachrichten Durenn. Inn¬
venin C. Poststrase 20. Tlepion v. 1297.
London.
New-Vork.
Paris.
(Liest alle Zeitungen der Welt und liefert aus denselben
Anschmite aber Jodon Gesensund)
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Berliner Bühnenberichte.
* Nach so mancher wildbewegten Première war dem
DeutschenTheater endlich ein starker, völlig ungetrübter
Erfolg beschieden und während des ganzen Abends der
mit einem gebrochenen Krug begann und mit einem ge¬
brochenen Herzen endete, herrschte zwischen Bühne und
Zuschauerraum jene innige Verbindung, die sich nur aus
den feinen Reizen eines wirklichen Dichterwerks und aus
einer meisterlichen, darstellerischen Vermittelung entspinnt.
Frau Agnes Sorma war die Christine der Liebelei“
Diese unvergleichliche Künstlerin hat hier wieder emmal
aus tiefstem Empfinden heraus eine Gestalt geschaffen, die
sich unvergeßlich dem Gedächtniß einprägt. Es giebt gegen¬
wärtig wohl kaum noch eine zweite Künstlerin der deutschen
Bühne, die mit so meisterlicher Beherrschung ihrer Kunst
einen solchen Zauber der Persönlichkeit und eine so un¬
widerstehliche Macht auf die Seelen der Hörer vereint¬
Die ganze Aufführung war eine der besten, die das
Deutsche Theater seit Langem geboten hat. Als Modistin
Mizi war Gisela Schneider von einer prachtvollet
Frische und appetitlichstem Humor, und Herr Jarno als
echt weaner'sches Früchtl bot eine köstliche Leistung von
flottester Liebenswürdigkeit. Rudolf Rittner spielte den
Fritz mit schlichtester Natürlichkeit, und der alte Musikant¬
war in der aus dem Leben schöpfenden Kunst Reicher's
eine so echt wirkende Gestalt, daß man sich unwillkürlich
fragte: „Wo hast Du nur den Alten schon gesehen?" Die
Episode des Gatten brachte Hermann Rissen zu ein¬
dringlichster Wirkung. Wir haben uns so viel mit dem
modernen Pocten beschäftigt, daß uns jetzt in der vor¬
gerückten Stunde, nur wenig Zeit für den Dichter des
„Zerbrochenen Krug“ und die Darstellung des Kleist'schen
Werkes übrig bleibt. Hermann Müller hat als Dorf¬
richter Adam eine ganz vortreffliche Leistung geboten und
in vielen Zügen diesen alten Sünder und Dorftyrannen
wohl getroffen, ohne aber Alles heraus zu holen, was in
dieser wunderbaren Komödiengestalt steckt. Für die Marthe
Rull ist die Komik Marie Meyer's sozusagen nicht feist
genug. Als verbissene Frau Strumpfwirker hingegen in
der „Liebelei“ zeigte sich die Charakterkunst der aus¬
gezeichneten Darstellerin in ihrer ganzen Schärfe, die hier
auch erforderlich wär. Eine entzückende Eva war Fräulein
Staale-