II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 319

ebe
5. Liei
box 10/4
Telefon 12801.
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte.
Ausschnift
„OBSERVER“ Nr. 20
20
1. österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnschrichten
Wien. IX/1. Türkenstrasse 17.
—. Filiale in Budapest: „Figyeld“ —
Vertretungen in Be. Chicago, London, Newyork, Paris, Stockholm
Ausschnitt aus: Bamburgischer Cerrecpondent
vom 1/1 00
2
S
Theater, Kunst und Wissenschaft.
G. Thalin=Theater. Gastspiel der Frau Agnes
Sorma. 4. Abend: „Liebelei“ von Arthur Schnitler
Und: „Jephtas Tochter“ von Cavalotti. — Man kann
es von Frau Sorma nur immer und immer wieder sagen:
Sie ist eine wunderbare Seelenkünderin, die des Dichters ge¬
heimste Absichten versteht; die alles, was er im starren
ungefügen Wort an Empfindungen, an Gedanken und charak¬
terisirenden Zügen niedergelegt, auslöst und die Personen des
Dramas uns menschlich so nabe rückt, daß wir mit ihnen
zittern, mit ihnen jubeln, mit ihnen zürnen und lieben.
Die Christine in Schnitzlers „Liebelei“ war wieder eine
Rolle, in der die Künstlerin das Höchste und Herrlichste ihrer
Kunst bieten konnte: Dies einfache Wiener Mädchen, das bei
seinem guten alten Papa und der ältlichen Tante gut
geborgen und behütet war, die in dem stillen Hause fried¬
lich dahinlebte, ohne von der Welt da draußen viel berührt
zu werden. Dann, nach des alten Jüngferchens Tode,
da sie mehr auf sich selbst angewiesen ist, schließt sie
sich der kecken ehrlichen feschen Mizi an, die sie mit ihm, dem
Fritz, zu sammenführt. In und mit diesem erfüllt sich ihr Schick¬
50 sal. Sie liebt ihn mit der ganzen Gluth ihrer unberührten usive
Für
irto.
100 Seele. Sie denkt nichts als ihn. Sie sehnt sich nur nach ihm, „bar
200 ist nur glücklich in seiner Gegenwart. Da bricht es herein, soraus.
500 was sie lange geahnt, er verläßt sie: angeblich nur für Tage.
" 1000 Er schreibt nicht. Fürchterliche Ahnungen quälen sie, bis end, ist das
lich sie es erfährt, daß er um einer andern willen im Dueli st es den
Abonne
Abonne #efallen..
Frau Sorma zeichnete dies Mädchen im Spiel der
irsten Akte überaus zart und in den weichsten entzückendsten
Linien. Schon die Art, in der die Künstlern ihre ersten Worte
„Ich hab Dir ein paar Blumen mitgebracht“ mit halb zagender,
halb freudig bewegter Stimme, in scheuer innigster Zärtlichkeit
sprach, malte den Charakter Christine's und die Art ihrer
Liebe in den dustigsten Farben. Dann ihre sanfte Melancholie,
ihr träumerisches Wesen, ihr Verstehen jedes Seuszers, ihr Er¬
forschen jedes Schattens auf dem Antlitz des Geliebten, ihre
stille anmuthige Hingebung: das alles schloß sich in der Dar¬
stellung der Frau Sorma zu dem zartesten Pastellbild zusammen.
Der zweite Aufzug mit dem reizenden Idyll im Dachstübchen
Christines vertiefte noch den Eindruck dieses Bildes. Doch schon
liegt die bange Furcht vor dem Unbekannten, die Angst des
Mädchens, den Geliebten zu verlieren, wie ein Schleier darüber.
Der dritte Akt steigert Christines Angst ins Ungemessene, bis
die Katastrophe fürchterlich über sie hereinbricht. Da wächst sich
bad einloche zurückbaltende Kind zur tragischen Heldin aus Ihr¬
Liebe erfüllte ihr ganzes Sein. Nach ihrem Zusammenbruch
kennt sie nichts anderes mehr. Nur der Tod kann diesem
gebrochenen Herzen Frieden bringen. Frau Sorma war in der
letzten S### geradezu gewaltig. Ihre Verzweiflung wirkte bis
ins Tiefste erschütternd. Zugleich aber wer sie die sein ab¬
wägende Künstlerin, die die überaus schwierige Scene genial zu
meistern wußte. Die Minuten zwischen den beiden Höhepunkten
des Auftrittes, dem Empfang der Todesnachricht und dem Aus¬
bruch wahnsinnigster Verzweiflung, die das Mädchen in den Tod
treidt, wußte Frau Sorma mit so fein abgetöntem Spiel, mit so viel
verschiedenen Nüancen in der Darstellung tiefsten Seelenschmerzes
10