II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 327

Liebelei
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Nr. 13. (Morgen=Ausgabe.)
Zeitung.
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mit gleicher Leidenschaft erwidere. Und Fritz heuchelt ihr
tnehmen. Da der dieser Filiale vorstehende Kommis wußte,
diese Liebe. Oder nein! Er heuchelt nicht; denn solange er
aß der angeblich bestellende Wirt bisher nie Kunde des
mit ihr zusammen ist, liebt er sie wirklich, die Größe ihrer
beschäfts gewesen war, so hielt er den Ueberbringer des
Liebe bezwingt auch ihn. Doch wenn er von ihr getrennt
Scheins dadurch hin, daß er sich erst mit dem Hauptgeschäft
ist, so sehnt er sich wohl nach ihr, nach dem stillen ruhigen
n Verbindung setzen müsse, da er die verlangte Sorte nicht
Glück, das er noch nie so rein, wie bei ihr genossen, aber er
auf Lager habe. Gleichzeitig erkundigte er sich bei dem Wirt.
ist nicht stark genug, die alten Ketten zu sprengen.
der die Bestellung angeblich gemacht hatte, per Telephon.
Die beiden jungen Mädchen, Fritz und sein Freund
Sofort setzte er die Polizeiwache in Kenntnis, die den sauberen
Theodor verleben einen vergnügten Abend, es wird vorher
Vogel festnahm. Der Verhaftete soll bereits von verschiedenen
gegessen, getrunken, gespielt und gesungen, ja auch getanzt.
Behörden gesucht sein.
Doch mitten in die harmlose Lustigkeit, die Fritz seine bangen
Sorgen fast vergessen läßt, platzt plötzlich der getäuschte Ebe¬
mann hinein. Während die Mädchen und Theodor unter
Gerichtliche Nachrichten.
einem Borwande ins Nebenzimmer gebracht werden, sprechen
Landgericht. (Strafkammer 1.) Auf abschüssiger
sich die beiden Männer aus. Fritz kann nicht leugnen. Er
Bahn. Der bei einem hiesigen Weinhändler als Reisender ange¬
ist bereit die geforderte Genugthnung zu geben.
stellt gewesene G. hatte sich zum Nachteil seines Prinzipals der
Christine in natürlich ahnungslos. Sie glaubt sich von
Unterschlagung und Urkundenfälschung schuldig gemacht und war
Fritz junig geliebt, und sie glaubt das um so fester, als er
hierfür zu 10 Monaten Gefängnis verurteilt worden. Nach
sie am nächne Tage — kurz vor dem Durell — in ihrer
Verbüßung dieser Strafe etablierte G. zunächst ein eigenes
Wohnung aufsucht und zärtlicher und inniger als je ist.
Geschäft und verheiratete sich, geriet aber dann in
Was kümmert es sie, daß die Welt bereits über das „Ver¬
Konkurs. Er wurde dann von seinem früheren, von ihm
hältnis“ zu reden anfängt. Sie fühlt sich vor ihrem eigenen
betrogenen Prinzipal wieder angestellt. Die Dankbarkeit
Gewissen frei von Schuld, sie fühlt sich berechtigt,
dafür bethätigte G. dadurch, daß er in 26 Fällen Geldbeträge,
Glück voll zu genießen. Auch ihr
vielleicht nur kurzes
Altora und in
die er für seinen Prinzipal hier, in
Vater, der alte Musikus Weiring, steht auf einer die landläufige
G. hat dann
Wandsbeck einkassiert hatte, unterschlug.
Moral hoch überragenden sittlichen Warte; auch er will
in Mölln ein Geschäft errichtet, da er aber keinen
sie das Glück wahrer Liebe genießen lassen, unbekümmert um
Kredit finden konnte, hat er durch verschiedene unwahre An¬
das Gerade der Welt. Nur allzu kurz ist das Glück. Fritz
gaben, bei denen auch eine Erbschaft eine Rolle spielte, sowie
wird im Duell getötet. Christine erfährt es erst zwei Tage
ferner durch auf den Namen seiner Schwiegermutter ge¬
später. Nicht die Nachricht selbst von dem Tode des ge¬
fälschte Briefe sich Kredit und Ware sowohl in Mölln wie
liebten Mannes ist es, die sie völlig zu Boden wirft, sondern
in Hamburg verschafft. Außerdem hat G. noch 6 Wechsel
daß ihr jäh und erschütternd das Bewußtsein aufzudämmern
j im Betrage von 6 bis 800 Mk. per Wechsel angefertigt und
beginut, daß Fritz ihre Liebe niemals wirklich erwidert hat,
sich darauf bei verschiedenen Leuten Vorschüsse geben lassen.
duß sie, die in ihm ihren Herrgott, ihrer Seele Seligkeit
Als ihm schon das Messer an der Kehle stand und ihm die
sah, ihm nichts war, nichts als ein Spielzeug seiner Laune.
Verhaftung drohte, ließ er seine Schwiegermutter nach Mölln
Da sie, deren ganzes Leben in ihrer Liebe aufging, nichts
kommen und verlangte von ihr, sie solle in Bezug auf einen
mehr von der Welt erhoffen kann, so stürzt sie fort, um ihm
von ihm auf ihren Namen gefälschten Wechsel schriftlich
in den Tod zu folgen.
erklären, sie habe den Wechsel unterschrieben. Als die
Das ist der schlichte Inhalt des Stückes. Was aber
Schwiegermutter sich dessen weigerte, soll G. einem kräftigen
Schnitzlers Schauspiel einen bleibenden Wert giebt, ist nicht,
Schimpfwort die Worte hinzugefügt haben: „Wenn Du das
was er uns sagt, sondern wie er es uns sagt. Er zeigt uns
nicht thust, bekommst Du einen Trut“. G. der sonst im
wahre, wirkliche Menschen, die fühlen, wie wir fühlen, sprechen,
Allgemeinen geständig ist, leugnet jedoch das Letztere. Der
wie wir sprechen, und handeln, wie wir handeln würden.
Staatsanwalt beantragt 1 Jahr 10 Monate Zuchthaus und
Namentlich sind ihm die beiden Mädchen gelungen, am besten
nachdem der Verteidiger Dr. Hallier in Betreff einzelner Fälle
und naturwahrsten wohl die fröhliche gutherzige Mizi, dock
für Freisprechung und im Ganzen für geringeres Strafmuß
plaidiert hat, verurteilt das Gericht G. unter Annahme
heute noch dieses Wort gebrauchen kann — ist in ihrer schlichte
mildernder Umstände zu 1 Jahr 9 Monate Gefängnis und
Natürlichkeit, ihrem innigen, echt weiblichen Gefühl von
2 Jahren Ehrverlust unter Anrechnung von 2 Monaten
ergreifender Lebenswahrheit. Ein wenig erinnern diese
Untersuchungshaft.
beiden Mädchen an Musette und Mimi aus Murgers
(Strafkammer 3.) Tod durch ein Motorwagen.
herrlichem „Zigennerleben“, nur daß Christine eine
(Schluß aus der Abendausgabe.) Der Zeuge Kelling befand sich
größere Tiefe des Empfindens als die unglückliche Mimi
zur Zeit des Unfalles auf der Dammthorbrücke. Er hat gehört,
besitzt. Gut gelungen ist auch Theodor, der ewige Student,
daß P. auf dem Höhepunkt der Brücke Glockensignale gab. In
dem nichts auf der Welt eine Sorge macht, nicht einmal sein
demselben Augenblick sah er den alten Herrn auf der Brücke und
drohendes Examen. Am wenigsten herausgearbeitet ist Fritz,
hörte, wie P. ihm Hel Hel zuruf. Der Mann habe aber eine
dessen schwantendes Empfinden zuns nicht immer ursächlich
unrichtige Wendung gemacht und sei in Folge dessen unter den
verständlich ist, sondern als etwas Zufälliges erscheint. Und
Wagen gekommen. Der Wagen des P. sei so langsam ge¬
alle diese Menschen reden wie wirkliche Menschen. Die Zei¬
fahren, daß man bequem nebenher gehen konnte. Auch mehrere
#ten haben sich seit Schiller verändert. Uns erscheint heut das
Zeugen, die sich auf dem Wagen befanden, sind der Ansicht,
Pathos, mit dem Ferdinand und Luise sich unterhalten, be¬
daß P. alles gethan hat, um den Unfall zu vermeiden, und daß
reits fast unverständlich. Uns erscheint ein einfaches: „Ich
Sch. durch eigene Unvorsichtigkeit den Unglücksfall verursacht hat.
liebe Dich“ und „ich bin Dir gut“ natürlicher und richtiger.
Aus den Aussagen des Inspektors der Straßenbahn=Gesell¬
Und wir sollren doch auch nachgrade aufhören uns zu
schaft, welcher die Wagenführer zu instruieren und zu prüfen
wundern, wenn jemand, der allein auf der Bühn zurückbleibt,
hat, geht hervor, daß die Instruktion der Führer keine sehr
nicht sofort in einen Monolog ausbricht, sondern still stehen
eingehende ist. Ein Sachverständiger ist der Meinung, der
bleibt, oder wortlos aus Fenster eilt, um einem andern nach¬
Wagen sei wohl nicht so langsam gefahren, wie ein Zeuge
zuschauen.
dies behauptet hat. Es sei ein Fehler des P. gewesen, die
Dem gestrigen Publikum war es offenbar nicht recht, daß
Bremse loszulassen. Auf eine Emtfernung von 5 Schritten
es so wenig Handlung und so viel fein und sorgfältig aus¬
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hätte P. den Wagen nicht zum Stehen bringen können. Der
geführte Seelenmalerei vorgefuhrt erhielt. Es ist ja eine
Staatsanwalt führt aus, daß er der Ansicht sei, daß P.
alte Klage der Direktoren, daß die Stücke, die ausschließlich
keinen Gegenstrom gegeben habe, daß es daher nicht erwiesen
Vorgänge des innersten Seelenlebens behandeln, nicht recht
sei, daß er vollständig nach seiner Instruktion gehandelt habe.
ziehen wollen, und den „Tasso“ aufzuführen ist bekaumtlich
Andererseits habe aber die Verhundlung nicht ergeben, daß
ehrenvoll, bringt aber nicht Gewinn. Wenn aber das
auch durch eine strikte Befolgung der Instruktion der Unfall hätte
hiesige Publikum dem gestrigen Stück so sehr fremd gegen¬
zermieden werden können; er beantrage daher die Freisprechung
über stand, so ist das doch wohl Schuld der Theaterleitung, die
des P. und müsse noch hinzufügen, daß auch die Straßen¬
es fast ängstlich bisher vermieden hat, der modernen Richtung
bahngesellschaft hier Verschulden trifft. Der Verteidiger Dr.
gerecht zu werden. Alles aber muß allmählich gelernt werden,
Rieselbach schließt sich dem Antrage des Staatsanwatts an.
namentlich auch das Verständnis für neue Kunstrichtungen.
Das Gericht spricht P. kostenles frei.
] Wie lauge hat es gedauert, ehe man sich an das gewöhnt
Atton### Avril. (Landgericht, Strafkammer I.) #####mas Magnen##vomarein Muslkalisetn .—
sbrsitzender: Landgerichtsrat Rabe, Stautsanwalr: Clovius.
dem Pu#kum bietel! Heute lacht niemand mehr, wer
Sesteehen
Die Haushälterin Magdalena Kath. Peters und ihr Bräu¬
Tristan Isolde „minutenlang in stummes Glück versunken
gam, der Schlachtergeselle Karl Einicke waren wegen wieder¬
ansieht. In der Oper sind wir es eben gewohnt; aber im
hiten Diebstahls resp. Hehlerei angeklagt. Die Haushälterin,
Schauspietscheint es noch immer komisch zu wirken. Es war
kelche sich im Dienst eines Malzbonbanfabrikanten befand,
nicht erfreulich, daß gestern fast immer vornehmlich gelacht
u diesem fortgesetzt in vielen Fällen Kleidungsstücke, Schmuck¬
wurde, wenn Fritz Christinen auch nur sekundenlang mit inniger
inwein. Rotwein und Champagner
los einen langen Kuß auf die
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