II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 362

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Lieb
5. Laszelei
Preis 10 Pfg.
No. 4.
München, 17. Oktober 1896.
1. Jahrg.


Wocken-Rundschau über das gesammte Münchener

Herausgegeben und redigirt von
P *
Theaterleben.
Julius Schaumberger
unter ständiger Mitwirkung von
Max Halbe, Wilbelm begeler, Franz Beld, Oscar Panizza, Georg Schaumberg, Frank Wedekind, Haus Richard, u. A.
Eescheim jeden Samstag. — Preis vierteljährlich Mk. 1.25. Cinzelne Nummer 10 Pfh: — Abonnement nehmen entgegen die Expedition Herzegspitalstraße Nr. 19
(Telephen=Ruf 7652), und Mar Höher, Musikalienhandlung, Domfreiheit (Telephon=Ruf 879). — Inserate die vierspantige Perizeile 25 Pfg.
„Waldmeister.“
Inhalt: „Liebelei“. — „Wer war's?“
vornehm, nicht „hoftheaterfähig“ genug; man wollte
„Er fliegt.“ (Schluß.) — Aus
Mefisto auf Reisen.
sich den Luxus gestatten, mehr auf „Vornehmheit“ zu
Mephisto's Pillenbüchse. — Inserate.
halten, als das Burgtheater. Aber wo liegt denn die
wahre Vornehmheit? Liegt sie darin, daß in einem
„Liebelei.“
Stücke nur hochdeutsch gesprochen wird? Liegtesie darin,
daß man die freie Sprache des Herzens für plebeisch
Schauspiel in drei Akten von Arthur Schnitzler.
hält? Liegt sie darin, daß man die Lüsternheit nur
Im Deutschen Theater zum erstenmal aufgeführt am
13. Oktober 1896.)
durch parfümirte Schleier blicken läßt — wie in
„Madame sans gene“? Oder liegt sie in der naiven
Der Roman des jungen Lebemannes, der sich im
Ehrlichkeit, die jedem echten
Genußleben der „großen Welt“
Künstler, jedem echten Kunst¬
übersättigt und in einem Liebes¬
werk eigen ist?
verhältniß mit einem leb¬
Wie stets mit den edelsten
frischen, unverdorbenen Mädel
Begriffen am meisten Mi߬
aus dem Volke den Jung¬
brauch getrieben wurde und
brunnen zur Restaurirung
wird, so auch mit dem der „Vor¬
seiner Nerven sucht, dieser
nehmheit". Darf denn wirklich
Roman ist wohl schon vor
nur das sich vornehm dünken,
Arthur Schnitzler, wer weiß wie
was seidene Roben und Spitzen¬
oft, geschrieben worden. Aber
wäsche trägt? Kann nicht in
Keinem war es gegeben, diesem
einem. Satinkleidchen, unter
Verhältnisse so viel Poesie
einem Leinenhemdchen mehr
—abzugewinnen und Keinem ist
Vornehmheit wohnen? Und
es daher geglückt, aus diesem
abgesehen davon: das hat die
Motiv ein so feines, ent¬
Kunst mit dem Ewigen
zückendes Kunstwerk zu schaffen,
gemein: vor ihr ist Alles
wie es dem jungen Wiener
Nar
*
gleich. Was für Menschen
Dichter in dem Schauspiel

der Künstler schildert, vor ihm
gelungen ist, das den Namen
Alma Reinier.
und durch ihn stehen sie alle auf
„Liebelei“ führt und das
derselben Stufe. Dadurch, wie er sie und ihr Schicksal
in dieser Woche, ein volles Jahr nach seinem glück¬
gestaltet, werden sie vornehm oder gemein. Ist Dosto¬
lichen Debut am Wiener Burgtheater und ein halbes
jewski's „Raskolnikow“ ein weniger vornehmes Kunst¬
Jahr nach seiner nicht minder günstigen Aufnahme in
werk als etwa ein Roman von Paul Heyse, weil die
Berlin, zu uns nach München gekommen ist. Höchst
Menschen dort in Lumpen, hier in theueren Kleidern
wahrscheinlich hätten wir es nie hier zu sehen bekommen,
gehen, weil sie dort die Sprache des Instinktes und
wenn nicht das „Deutsche Theater“, das so viele fremde
der Leidenschaft, hier die der Convention sprechen? Eine
Unterlassungssünden gut zu machen auf dem besten
Theaterleitung, welche ein Werk nach seiner in Aeußerlich¬
Wege ist, wenn nicht Direktor Meßthaler uns damit
keiten liegenden „Vornehmheit" beurtheilt, verschafft uns
beschenkt hätte. Das Hoftheater soll das Stück -
von ihrer eigenen Vornehmheit einen seltsamen Begriff.
abgelehnt haben. Vermuthlich war es ihm nicht —