II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 424

Wie Nora, so schrer se Ae
Gesalt, weiche die Künstlerin und vor, wenn diese, auch in die Aenseren se
nung noch immer anziehende und fesselnde
führte, die Christine in der tragischen Her¬
Frau — und bekanntlich ist jede Frau nur
Liebelei
zensgeschichte Arthur Schnitzler's „Liebe¬
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so alt wie sie aussieht — ein Couplet, ein
lei“ durch den ganzen Jammer der Ent¬
anstimmt, so tann
Lied, ein Gstonzl
zauberung. Für die Hingabe des Wiener
man angesichts dieser noch immer
Bürgermädchens an den Geliebten, das
schelmi¬
feinpointirten, humorvollen,
Gretchenhafte der Gestalt — Frau Sorma
schen und rührenden Vortragskunst doch
wird, wie wir hören, im nächsten
nur sagen: es ist ein Wunder. Ein Wunder,
Winter das Goethe'sche Gretchen spie¬
wie es in dem aufreibenden Bühnenleben
das verträumte, sehnsüchtige
len —,
nur ganz selten vorkommt. Ueber die ges
Hangen und Bangen und den furchtbaren
strige Vorstellung von „Drei paar Schuhe“
Verzweiflungsschmerz, als ihr das Unglück
finden die Leser unter „Theater und Mu¬
entgegenstarrt, hat die Künstlerin die
sik“ Näheres. Marie Geistinger giebt diese
wahrsten und ergreifendsten Töne bereit.
„Leni Flink“ das dralle Schusterwelbchen,
Süße Mädchenhaftigkeit und schlichte In¬
das Kopf, Herz und Mund auf dem rechten
nigkeit sind der Grundton dieser Leistung.
Flecke hat, heute Abend auch im American
In der letzten Scene erreicht dieselbe einen
Theater in Brooklyn und morgen und am
tragischen Klimax, welcher die tiefste Wir¬
Donnerstag wiederholt sie die Rolle im
kung ausübte. Es ist auch hier wieder die
Germania=Theater. Am Dinstag und
vollendete Natürlichkeit, der Mangel jedes
Mittwoch spielt die berühmte und noch im¬
Pathos, was alle Herzen trifft und sie mit¬
mer die große Menge magnetisirende Künst¬
schwingen macht. Bei allem Realismus
lerin ihre Näherin und am Freitag und
ihrer Spielweise, verklärt die Sorma doch
Samstag folgt dann die Rosalinde in der
die nüchterne, so grausame Wirklichkeit
Strauß'schen Fledermaus. Das Germa¬
durch einen Schimmer von Poesie und rüh¬
nia=Theater ist an den bisherigen Geistin¬
render Schönheit. Sie tränkt jedes Wort
ger=Abenden ausverkauft gewesen und mit
mit innigstem Gefühl. Es ist mehr als
der Direktion reibt sich auch Gustav Am¬
Natürlichkeit, es ist der holde Zauber einer
berg, dessen Rattenfänger=Pfeife Marie
echt weiblichen Natur, eines reinen und rei¬
Geistinger von Neuem gefolgt ist, seelen¬
chen Herzenslebens, welcher Jeden bezwingt.
vergnügt die Hände. Es heißt, daß das
Ein abschließendes Urtheil über das Kön¬
Gastspiel bis zum 15. Mai verlängert wer¬
nen Agnes Sonna's ist nach diesen zwei
den soll.

Rollen, einen wie tiefen Einblick dieselben
auch in ihr Wesen und ihre Kunstübung
gestatteten, noch nicht möglich. Eine Schlu߬
Oper und Lonzertsaal.
bilanz des künstlerischen Vermögens dieser
neuen Erscheinung wird man erst
Der Großen Oper Zukunft in New York. —
dann ziehen können, wenn man noch
Verschiedenes.
ihre weiteren Rollen, vor Allem
das vom Dichter selbst hochgepriesene „Rau¬
Mit den Aufführungen von
Das Gastspielder Frau Agnes
tendelein“ in Gerhart Hauptmann's Mär¬
zwei Gounod'schen Werken — Nachmittags
Sorma im Irving Place Theater stehl
chendichtung „Die versunkene Glocke“ ge¬
„Faust“ und Abends „Romeo und Juliette“
im Vordergrunde des Interesses derjenigen
sehen haben wird. Was die Nora und
hat gestern im Metropolitan die Große
Christine der Sorma offenbart hat, das ist
Oper in New York ihr Ende gefunden. Noch
Kreise des New Yorker Publikums, welche
fallerdings bedeutend genug, um sie schon
einmal bekam das Publikum Gelegenheit,
vom Theater nicht nur leichte Reizung, son¬
jetzt, ohne Furcht, das Urtheil später ein¬
sich die Hände wund zu klatschen und seinen
dern eine ernste geistige Anregung erwar¬
schränken zu müssen, zu den innerlichst wir¬
singenden Lieblingen alle möglichen Ehren
ten. In ihren beiden Antrittsrollen, der
kenden Bühnengrößen der Gegenwart zäh¬
zu erweisen. Nun ist's gus, und wahr¬
Ibsen'schen Nora und der jungen Wienerin
len zu dürfen. Das Publicum drängt sich
scheinlich für längere Zeit.
Arthur Schnitzler's, hat Agnes Sorma eine
in hellen Hausen zu ihren Vorstellungen
Daß es gerade Gounod war, mit dem
und spendet ihr begeisterten Beifall; ein
schauspielerische Begabung ersten Ranges.
sich die Firma Abbey, Schoeffel und Grau
wahres „Mädchen aus der Fremde“ hat sie
eine auf den feinsten Ton gestimmte künst¬
vom Publikum verabschiedete, ist bezeich¬
dem Irving Place=Theater die regste Auf¬
nend, denn was diese Unternehmer in künst¬
lerische Persönlichkeit gezeigt und einen tie¬
merksamkeit und Theilnahme aller Freunde
lerischer Hinsicht geleistet haben für New
fen Eindruck auf Jeden gemacht, der Zeuge
einer reinen und innerlichen Kunst zuge¬
York könnte man kurzweg als „Die Ent¬
dieser Offenbarungen einer in hohem Grade
wendet. Dem ursprünglichen Programm
reckung Gounod's“ bezeichnen. Mit Gou¬
eigenartigen und fesselnden Kunsterschei¬
nach sollte die Künstlerin in der gestrigen
nod fingen sie jede Saison an und mit
nung war. Es ist ganz moderne Schauspiel¬
Nachmittags=Vorstellung ihre unvergleich¬
Zounod hörten sie auf, und wenn einmal
liche „Nora“ bereits zum letzten Male spie¬
kunst, was die Berliner Künstlerin bietet:
irgend eine Oper weniger Zugkraft bewies
len, aber die Nachfrage nach weiteren Vor¬
als man vorausgesetzt hatte, brauchte man
keine theatralische Verschminkung des Le¬
stellungen des Ibsen'schen Dramas ist eine
nur wieder auf „Faust“ oder auf „Nomeo
bensbildes, kein Schwelgen in schön klin¬
so starke, daß die Künstlerin und die Di¬
und Juliette“ zu verfallen, und ein volles
genden, aber falschen Tönen, die das Herz¬
rektion dies wahrscheinlich bei der Fest¬
Haus war gesichert. Auch vor dem Regime
chen des empfindsamen Zuschauers puppern
setzung des Repertoire's der noch bleibenden
der Firma war freilich „Faust“ schon im¬
zwei Sorma=Wochen berücksichtigen werden.
machen, kein Haschen nach Wirkungen, welche
mer eine Lieblingsoper der New Yorker ge¬
In dieser Woche spielt Agnes Sorma
die Hände der beweglichen Menge in Bewe¬
wesen, aber zu dieser Alles überragenden
zwei neue Rollen, in der ersten Hälfte die
Popularität gelangte sie doch erst durch die
gung setzen, aber von Allen, die das Cha¬
Sardou'sche „Dora“ und in der zweiten
Mitwirkung der beiden de Reszke.
rakteristische über das Theatralische stellen,
Hälfte „Lux“ in dem Schauspiele „Chie“
Stand also die nunmehr abgeschlossene
als nicht aus dem innersten Wesen der dar¬
von dem verstorbenen Baron Alexander
letzte Opernperiode New York's im Zeichen
zustellenden Gestalt hervorgegangen em¬
Roberts. Beide sind von der Berliner
Gounod's, so mag man billig fragen, in
Kritik als glänzende Leistungen der Künst¬
pfinden. Agnes Sorma wirkt, und zwar
wessen Zeichen wohl die nächste stehen wird.
terin gerühmt worden. Sardou's „Dora“
in viel höherem und tieferem Maße als es
In demjenigen Wagner's? Wohl kaum,
ist hier bekannt und oft gegeben worden;
dem leider noch immer von der Mehrzahl
denn an Wagner ist hier in den letzten Jah¬
vom Roberts'schen Drama versendet die Di¬
der anglo=amerikanischen Kritik verlangten
ren so viel gesündigt worden, daß sich seine
rektion folgende Inhaltsangabe:
Gegner und die Indifferenten vermehrt ha¬
pathetischen Gethue, der nicht von des Ge¬
In Baden=Baden verliebt sich ein Afrika¬
ben dürften.
dankens Blässe, sondern von der Unwahr¬
forscher, der von seinen Reisen heimgekehrt,
Von welchem Standpunkt aus man sie
heit der Empfindung angekränkelten Thea¬
an einem großen Werke über Afrika arbei¬
auch betrachtet: Die Situation ist so be¬
tet, in die Tochter einer Dame aus der
tersentimentalität möglich ist, durch wun¬
schaffen, daß man ihr kaum eine angenehme,
feinsten Gesellschaft und erfährt, als er ge¬
dervolle Natürlichkeit und Einfachheit, die
hoffnungsvolle Seite abgewinnen kann.
rade im Begriff steht, um die Hand des
im Dienste einer glänzend entwickelten Tech¬
Anzunehmen, daß nach einjähriger Pause
Mädchens anzuhalten, daß der Vater im
die Große Opernherrlichkeit gerade so wie¬
nil steht. Zum Bewußtsein des eigentlichen
Zuchthaus sütze. Der Afrikaforscher ist vor¬
der erstehen werde, wie wir sie während der
Schauspielerischen kommt man in einer
urtheilsfrei und heirathet dennoch seine ge¬
letzten Jahre hier erlebt haben, hieße doch
Sorma=Vorstellung kaum einen Augenblick, liebte „Lux“ die von dem Verbrechen des
wohl zu sanguinisch sein. Dieselben Zu¬
sie ist in der uns bekannten jüngeren Schau= Vaiers nichts ahnt, und wie ein Schmetter¬
spielergeneration vielleicht das leuchtendste lieg über dem Sumpfe“ von Vergnügen zu stände und Verhältnisse kann man