Liebe
5. 1
box 10/5
Bonntagsblatt der New¬
Vergnügen taumelt. Nur eine Sehns
Beispiel einer seelischen Durchdringung
hat die junge „Zigeunerin“ die von
auch der scheinbar geringsten Aeußerlichkeit,
Mutter durch alle Luxusbäder ges
jeiner alle Kunst in Natur verwandelnden
wird, — die Sehnsucht nach einer Heim
und als reinste Natur erscheinen lassenden
Diese wird ihr auf dem alten Thürf
Familiensitze des Afrikaforschers.
Vergeistigung und Verinnerlichung. Sie
junge Frau schwelgt in Seligkeit, mit ih
steht hierin der Réjane und der Duse am
Frohsinn kehrt sie das ganze elter
nächsten, an die letztere erinnerte auch, na¬
Schloß um und um, bald aber merkt
mentlich im letzten Akte der „Nora“, manche
haß man ihren Verkehr meidet. Die
Beste und mancher aus dem Innersten der
gebung des Afrikaforschers, die auf
praltische Christenthum eingeschworen
Seele heraufklingende Ton. Auch den
verhängt den Boykott über die junge F
litzschnellen Wechsel des Gesichtsausdrucks,
und endlich werden ihr die Augen geöf
ie mimische Meisterschaft, welche jede see¬
sie erfährt die Schande ihres Vaters.
ische Regung aus diesem feinen, bewegli¬
Gatte, der sie selbst darüber aufklärt,
hen Gelüste sprechen macht, hat die deutsche
die unbedachte Aeußerung fallen, daß e
Aermste aus Mitleid geheirathet habe.
künstlerin mit der großen Italienerin ge¬
teinsam. Agnes Sorma ist eine ganz rüber ist die junge Frau so empört, da
den Mann verläßt und ihrer Mutter f
inerliche Menschendarstellerin, welche die
Diese vereinigt sich mit ihrem wieder
jähigkeit hat, in die dunkelsten Tiefen der
dem Zuchthaus entlassenen Gatten und
seiblichen Seele hineinzuleuchten, jeder
drei begeben sich in die Spielholle
Schattirung der weiblichen Empfindungs¬
Monte=Carlo. Dort will der Entgleist
durch das Spiel rehabilitiren, es miß
oelt den wahrsten und echtesten Ausdruck zu
ihm, er erschießt sich, und nun sinkt
jeben. Ihre „Nora“, welche begeisterten Bei¬
Tochter in die Arme des Afrikafor
all weckte, ist ein vollendetes Muster
der seiner entlaufenen Gattin nachgerei
noderner Schauspiel=Kunst. Wie sie
Jetzt erst haben sie sich wieder gefun
ie fröhliche Lerchennatur der Nora
„Dora“ kommt morgen, Dinstag
Mittwoch, „Chic“ Donnerstag, Freita
er ersten Scenen in erquicklichster
Samstag zur Aufführung. Das S
Frische zur klarsten überzeugender An¬
zer'sche Lustspiel „Epidemisch“ und die
chaulichkeit brachte, die Ausgelassenheit der
aktige Ganer'sche Oper „Graf und
Nutter, die vertrauende Liebe zum Gat¬
bilden das Programm des heutigen
en, den Stolz auf ihr Geheimnis und dann
Konzerts. Die Saison schließt am
en jähen Umschlag, als der schwere Flü¬
tag, den 4. Mai.
selschlag des Schicksals dieses gläubige
Kinderherz erzittern läßt, das war wun¬
Wie zu erwarten stand, he
dervolle, goldechte Kunst. Und dann die¬
die New Yorker ihrer, wie
ses plötzliche Heranreifen des leichtsinnigen
große Glück, ihnen so plötzlich in den
Kindes zur ernsten, das Beschlossene un¬
fallenden Marie Geistinger
beugsam That werden lassenden Frau, der
ebenso rauschenden wie herzlichen Em
Stimmungswechsel, diese herrliche Wieder¬
bereitet. Der Donnerstag der
gabe des Hangens und Bangens, mit wel¬
Woche war der „größte“ Abend,
chem ihre Nora das „Wunderbare“ erhofft,
das Germania=Theater seit seinem B
ersehnt und erfleht und doch dem Augen¬
noch gehabt hat. Es gab den wi
blicke entgegenfürchtet — der ganze süße
Beifall, so überhaupt; aben w
Zauber einer reichen weiblichen Natur liegt
auf diesen Scenen. Hier offenbarte die
sprach an dieser geweihte Stätte,
Sorma eine Kraft des Gemüthlebens, eine
sonst nur das reinste Deutsch=Ameri
Fülle der Empfindung und eine darstelle¬
geredet wird, das unverfälschteste
rische Meisterschaft, das Empfundene zum
risch. Marie Geistinger hatte
wahrsten Ausdruck zu bringen, wie man ihr
nur selten auf der Bühne begegnet. Eine Debüt eine frühere Glanzrolle ihre
pertoire's, die Therese Krones, gew
der hinre ßendsten Einzelschönheiten ist dann
schon nach der ersten Hälfte der Vorst
die Erstarrung Nora's, als der brutale
waren sich die ob all' und jedes, w
Egoismus des Mannes sich vor ihr
Künstlerin sehen und hören ließ, ent
enthüllt und auf sie einstürmt. Das
mirten Zuschauer einig, daß die
Bild, welches diese regungslos sich an
That unverwüstliche Geistinger noch
das Klavier lehnende Gestalt, dieses
des Sehens= und Hörenswerthen
starre, marmorblasse Gesicht, aus dem
schwere Menge bietet. Daß die Zei
nur die dunklen, immer größer wer¬
spurlos an der Operetten= und Vol
denden Augen herausleuchten und er¬
Diva vorübergegangen ist, wird woh
schreckt, verwundert, flehend, klagend
mand, der Augen im und Ohren am
dem wilden Auf und Ab des erregten
hat und nicht aus diesen oder jenen
Mannes folgen, bietet, wird nicht sobald in
den dem lieben Publico Sand in die
der Erinnerung der Zuschauer verlöschen.
streuen will, behaupten wollen. Au
Die ganze Leistung, welche den reizvollen
üppigst blühende Baum kann nicht
Charakter der Ibsen'schen Gestalt mit
zaust den Herbst= und Winterst
wundervoller Klarheit analysirt, und den¬
trotzen. Aber noch immer ist das
selben sicherer und überzeugender, als es
der Geistinger, trotzdem hie und da n
nach Henrik Ibsen's eigenem Ausspruch
bedächtige Zug auffällt, so lebendig 1
eine zweite zeitgenössische Darstellerin ver¬
kant und voll charakteristischen Detail
mag, aus der Kinderfröhlichkeit des ersten
alle New Yorker Soubretten in's
zum Ernste des britten Aktes hinüberführt,
nia=Theater wallfahren und dieser
ist eine schauspielerische Großthat, welche
sterin abzugucken versuchen sollten,
Agnes Sorma den Ersten ihrer Kunst zuge¬
sich, um mit dem Schiller'schen W
sellt.
ster zu reden, „räuspert und spuckt
Wie Nora, so schreitet auch die zweite
wenn diese, auch in der äußeren
Gestalt, welche die Künstlerin uns vor¬
nung noch immer anziehende und fe
führte, die Christine in der tragischen Her¬
Frau — und bekanntlich ist jede Fr.
zensgeschichte Arthur Schnitzler's „Liebe¬
so alt wie sie aussieht — ein Coup
lei", durch den ganzen Jammer der Ent¬
Lied, ein Gstanzl anstimmt, so
zauberung. Für die Hingabe des Wiener
man angesichts dieser noch
Bürgermädchens an den Geliebten, das
feinpointirten, humorvollen,
Gretchenhafte der Gestalt — Frau Sorma
schen und rührenden Vortragskun
wird, wie wir hören, im nächsten
nur sagen: es ist ein Wunder. Ein
Winter das Goethe'sche Greichen
en spie¬
wie es in dem aufreibenden Bül
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Bonntagsblatt der New¬
Vergnügen taumelt. Nur eine Sehns
Beispiel einer seelischen Durchdringung
hat die junge „Zigeunerin“ die von
auch der scheinbar geringsten Aeußerlichkeit,
Mutter durch alle Luxusbäder ges
jeiner alle Kunst in Natur verwandelnden
wird, — die Sehnsucht nach einer Heim
und als reinste Natur erscheinen lassenden
Diese wird ihr auf dem alten Thürf
Familiensitze des Afrikaforschers.
Vergeistigung und Verinnerlichung. Sie
junge Frau schwelgt in Seligkeit, mit ih
steht hierin der Réjane und der Duse am
Frohsinn kehrt sie das ganze elter
nächsten, an die letztere erinnerte auch, na¬
Schloß um und um, bald aber merkt
mentlich im letzten Akte der „Nora“, manche
haß man ihren Verkehr meidet. Die
Beste und mancher aus dem Innersten der
gebung des Afrikaforschers, die auf
praltische Christenthum eingeschworen
Seele heraufklingende Ton. Auch den
verhängt den Boykott über die junge F
litzschnellen Wechsel des Gesichtsausdrucks,
und endlich werden ihr die Augen geöf
ie mimische Meisterschaft, welche jede see¬
sie erfährt die Schande ihres Vaters.
ische Regung aus diesem feinen, bewegli¬
Gatte, der sie selbst darüber aufklärt,
hen Gelüste sprechen macht, hat die deutsche
die unbedachte Aeußerung fallen, daß e
Aermste aus Mitleid geheirathet habe.
künstlerin mit der großen Italienerin ge¬
teinsam. Agnes Sorma ist eine ganz rüber ist die junge Frau so empört, da
den Mann verläßt und ihrer Mutter f
inerliche Menschendarstellerin, welche die
Diese vereinigt sich mit ihrem wieder
jähigkeit hat, in die dunkelsten Tiefen der
dem Zuchthaus entlassenen Gatten und
seiblichen Seele hineinzuleuchten, jeder
drei begeben sich in die Spielholle
Schattirung der weiblichen Empfindungs¬
Monte=Carlo. Dort will der Entgleist
durch das Spiel rehabilitiren, es miß
oelt den wahrsten und echtesten Ausdruck zu
ihm, er erschießt sich, und nun sinkt
jeben. Ihre „Nora“, welche begeisterten Bei¬
Tochter in die Arme des Afrikafor
all weckte, ist ein vollendetes Muster
der seiner entlaufenen Gattin nachgerei
noderner Schauspiel=Kunst. Wie sie
Jetzt erst haben sie sich wieder gefun
ie fröhliche Lerchennatur der Nora
„Dora“ kommt morgen, Dinstag
Mittwoch, „Chic“ Donnerstag, Freita
er ersten Scenen in erquicklichster
Samstag zur Aufführung. Das S
Frische zur klarsten überzeugender An¬
zer'sche Lustspiel „Epidemisch“ und die
chaulichkeit brachte, die Ausgelassenheit der
aktige Ganer'sche Oper „Graf und
Nutter, die vertrauende Liebe zum Gat¬
bilden das Programm des heutigen
en, den Stolz auf ihr Geheimnis und dann
Konzerts. Die Saison schließt am
en jähen Umschlag, als der schwere Flü¬
tag, den 4. Mai.
selschlag des Schicksals dieses gläubige
Kinderherz erzittern läßt, das war wun¬
Wie zu erwarten stand, he
dervolle, goldechte Kunst. Und dann die¬
die New Yorker ihrer, wie
ses plötzliche Heranreifen des leichtsinnigen
große Glück, ihnen so plötzlich in den
Kindes zur ernsten, das Beschlossene un¬
fallenden Marie Geistinger
beugsam That werden lassenden Frau, der
ebenso rauschenden wie herzlichen Em
Stimmungswechsel, diese herrliche Wieder¬
bereitet. Der Donnerstag der
gabe des Hangens und Bangens, mit wel¬
Woche war der „größte“ Abend,
chem ihre Nora das „Wunderbare“ erhofft,
das Germania=Theater seit seinem B
ersehnt und erfleht und doch dem Augen¬
noch gehabt hat. Es gab den wi
blicke entgegenfürchtet — der ganze süße
Beifall, so überhaupt; aben w
Zauber einer reichen weiblichen Natur liegt
auf diesen Scenen. Hier offenbarte die
sprach an dieser geweihte Stätte,
Sorma eine Kraft des Gemüthlebens, eine
sonst nur das reinste Deutsch=Ameri
Fülle der Empfindung und eine darstelle¬
geredet wird, das unverfälschteste
rische Meisterschaft, das Empfundene zum
risch. Marie Geistinger hatte
wahrsten Ausdruck zu bringen, wie man ihr
nur selten auf der Bühne begegnet. Eine Debüt eine frühere Glanzrolle ihre
pertoire's, die Therese Krones, gew
der hinre ßendsten Einzelschönheiten ist dann
schon nach der ersten Hälfte der Vorst
die Erstarrung Nora's, als der brutale
waren sich die ob all' und jedes, w
Egoismus des Mannes sich vor ihr
Künstlerin sehen und hören ließ, ent
enthüllt und auf sie einstürmt. Das
mirten Zuschauer einig, daß die
Bild, welches diese regungslos sich an
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das Klavier lehnende Gestalt, dieses
des Sehens= und Hörenswerthen
starre, marmorblasse Gesicht, aus dem
schwere Menge bietet. Daß die Zei
nur die dunklen, immer größer wer¬
spurlos an der Operetten= und Vol
denden Augen herausleuchten und er¬
Diva vorübergegangen ist, wird woh
schreckt, verwundert, flehend, klagend
mand, der Augen im und Ohren am
dem wilden Auf und Ab des erregten
hat und nicht aus diesen oder jenen
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den dem lieben Publico Sand in die
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streuen will, behaupten wollen. Au
Die ganze Leistung, welche den reizvollen
üppigst blühende Baum kann nicht
Charakter der Ibsen'schen Gestalt mit
zaust den Herbst= und Winterst
wundervoller Klarheit analysirt, und den¬
trotzen. Aber noch immer ist das
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der Geistinger, trotzdem hie und da n
nach Henrik Ibsen's eigenem Ausspruch
bedächtige Zug auffällt, so lebendig 1
eine zweite zeitgenössische Darstellerin ver¬
kant und voll charakteristischen Detail
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zum Ernste des britten Aktes hinüberführt,
nia=Theater wallfahren und dieser
ist eine schauspielerische Großthat, welche
sterin abzugucken versuchen sollten,
Agnes Sorma den Ersten ihrer Kunst zuge¬
sich, um mit dem Schiller'schen W
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ster zu reden, „räuspert und spuckt
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wie es in dem aufreibenden Bül