Liebe.
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Breslauer Theate.
H. H—r. Neues Sommer=Theater. „Liebelei.“ Direktor
Halm dürfte sich wohl für ewige Zeiten um den Franz Joseph=Orden
Kin Oesterreich vulgär Franzesußorden genannt) gebracht haben, da er
ohne zwingenden Grund das Stück eines M unes aufführen ließ, der
aus dem österreichischen Sanitätscorps ausg nloßen ist und höchstens noch
Chancen hat, bei der Heilsarmee Reserveleutnant zu werden. Zu seiner
Entschuldigung kann er allenfalls anführen, daß er nicht ehrgeizig ist und
daß er außerdem das Stück in seinen wichtigsten Rollen grade besonders sive
to.
gut besetzen konnte. Denn Schnitzlers Schauspiel, in dem neben feinster par
und minutiösester Schilderung so vieles nur zart und undeutlich anges raus.
deutel ist, wird uns in seinen Charakteren nur dann recht verständlich
18
werden, wenn die Hauptfiguren so echt wienerisch, wie nur möglich, ge¬ t d
geben werden. Dazu gehört freilich mehr als die vollendete Beherrschung 's den
des Dialekts, wiewohl sie fast unerläßlich ist; es gehört vor allem intimste
Kenntniß des Wienerthums mit seinen einschmeichelnden Vorzügen und „a die
liebenswürdigen Schwächen dazu, intimere Kenntniß, als sie ein Künstler gen¬
selbst aus dem besten Wienerischen Stücke schöpfen könnte. Daß dieses tung")
völlige Aufgehen in der Rolle wenigstens bei den meisten möglich war, Leben
verlieh der gestrigen Aufführung ihren Reiz und ihren Erfolg. Allen lungen
voran stand unser Gast, Emil Höfer, der uns gestern so recht schmerz¬
lich zum Bewußtsein kommen ließ, wieviel, wir an ihm verloren haben.
Viele im Publikum mureten ein wenig, daß die Rolle, namentlich in den
beiden Schlußalten, so klein sei. Aber Höfer zeigte auch in dieser,
#übrigens im ersten Akte recht ausgedehnten Rolle, sein großes Talent in
der Entfaltung liebenswürdigen Humors, natürlichster Ungezwungenheit,
wormer Herzlichkeit. In dem Moment, in dem er die Bühne betrat, ver¬
breitete sich sofort Behaglichkeit bei allen Hörern. Der Beifall, der ihn
bei seinem Erscheinen begrüßte, blieb ihm den Abend über treu. Ganz.
vorzüglich war auch Frl. Mizzi Mayer als Christine. Anfangs schien
es zuweilen, als ob sie dieses überweich gezeichnete liebe Wiener Mädel
noch zarter und hingebungsvoller spielte, als unbedingt nöthig wäre.
Aber im letzten Akte, in ihrem Schmerze und ihrer Verzweiflung, zeigte
sich ihr großes Können wieder auf vollster Höhe. Das war echte Kraft
und echte Leidenschaft! Recht fesch und lustig spielte Frl. Lobe, der
derartige Rollen besonders gut zu liegen scheinen, die Freundin Mizi; auch
ihr Leichtsinn war unzweifelhaft wienerischer Art. Nicht ganz so glück¬
lich sand sich Herr Wierth mit der Rolle des Fritz ab; er fiel im Spiel
und auch im Dielekt aus dem Rahmen. Es muß allerdings zugegeben
werden, daß die Rolle des Fritz, der ohne recht ersichtliche Ursache so un¬
händig heiß geliebt und vergöttert wird, die schwerste und undankbarste des
Stückes ist. Aber ein wenig liebenswürdiger und wärmer hätte Herr
Wierih schon sein dürfen. Herr Rameau mühte sich mit der Rolle des
alten Violinspielers redlich ab, ohne sie indessen ganz zu erschöpfen; er ist
wohl doch für diese Art Rollen noch zu jung. Die Regie war bei Herrn
Walden in besten Händen. Das annähernd ausverkaufte Haus war
mit seinem Beifall nicht sparsam. Zweifellos werden auch die weiteren
Gastspiele Höfers das gleiche Interesse erwecken.
e
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Breslauer Theate.
H. H—r. Neues Sommer=Theater. „Liebelei.“ Direktor
Halm dürfte sich wohl für ewige Zeiten um den Franz Joseph=Orden
Kin Oesterreich vulgär Franzesußorden genannt) gebracht haben, da er
ohne zwingenden Grund das Stück eines M unes aufführen ließ, der
aus dem österreichischen Sanitätscorps ausg nloßen ist und höchstens noch
Chancen hat, bei der Heilsarmee Reserveleutnant zu werden. Zu seiner
Entschuldigung kann er allenfalls anführen, daß er nicht ehrgeizig ist und
daß er außerdem das Stück in seinen wichtigsten Rollen grade besonders sive
to.
gut besetzen konnte. Denn Schnitzlers Schauspiel, in dem neben feinster par
und minutiösester Schilderung so vieles nur zart und undeutlich anges raus.
deutel ist, wird uns in seinen Charakteren nur dann recht verständlich
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werden, wenn die Hauptfiguren so echt wienerisch, wie nur möglich, ge¬ t d
geben werden. Dazu gehört freilich mehr als die vollendete Beherrschung 's den
des Dialekts, wiewohl sie fast unerläßlich ist; es gehört vor allem intimste
Kenntniß des Wienerthums mit seinen einschmeichelnden Vorzügen und „a die
liebenswürdigen Schwächen dazu, intimere Kenntniß, als sie ein Künstler gen¬
selbst aus dem besten Wienerischen Stücke schöpfen könnte. Daß dieses tung")
völlige Aufgehen in der Rolle wenigstens bei den meisten möglich war, Leben
verlieh der gestrigen Aufführung ihren Reiz und ihren Erfolg. Allen lungen
voran stand unser Gast, Emil Höfer, der uns gestern so recht schmerz¬
lich zum Bewußtsein kommen ließ, wieviel, wir an ihm verloren haben.
Viele im Publikum mureten ein wenig, daß die Rolle, namentlich in den
beiden Schlußalten, so klein sei. Aber Höfer zeigte auch in dieser,
#übrigens im ersten Akte recht ausgedehnten Rolle, sein großes Talent in
der Entfaltung liebenswürdigen Humors, natürlichster Ungezwungenheit,
wormer Herzlichkeit. In dem Moment, in dem er die Bühne betrat, ver¬
breitete sich sofort Behaglichkeit bei allen Hörern. Der Beifall, der ihn
bei seinem Erscheinen begrüßte, blieb ihm den Abend über treu. Ganz.
vorzüglich war auch Frl. Mizzi Mayer als Christine. Anfangs schien
es zuweilen, als ob sie dieses überweich gezeichnete liebe Wiener Mädel
noch zarter und hingebungsvoller spielte, als unbedingt nöthig wäre.
Aber im letzten Akte, in ihrem Schmerze und ihrer Verzweiflung, zeigte
sich ihr großes Können wieder auf vollster Höhe. Das war echte Kraft
und echte Leidenschaft! Recht fesch und lustig spielte Frl. Lobe, der
derartige Rollen besonders gut zu liegen scheinen, die Freundin Mizi; auch
ihr Leichtsinn war unzweifelhaft wienerischer Art. Nicht ganz so glück¬
lich sand sich Herr Wierth mit der Rolle des Fritz ab; er fiel im Spiel
und auch im Dielekt aus dem Rahmen. Es muß allerdings zugegeben
werden, daß die Rolle des Fritz, der ohne recht ersichtliche Ursache so un¬
händig heiß geliebt und vergöttert wird, die schwerste und undankbarste des
Stückes ist. Aber ein wenig liebenswürdiger und wärmer hätte Herr
Wierih schon sein dürfen. Herr Rameau mühte sich mit der Rolle des
alten Violinspielers redlich ab, ohne sie indessen ganz zu erschöpfen; er ist
wohl doch für diese Art Rollen noch zu jung. Die Regie war bei Herrn
Walden in besten Händen. Das annähernd ausverkaufte Haus war
mit seinem Beifall nicht sparsam. Zweifellos werden auch die weiteren
Gastspiele Höfers das gleiche Interesse erwecken.
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