Liebelei
5. Li## box 11/I
Dr. Max Goldschmidt
Bureau für Zeitungsausschnitte und Verlag
der Wissenschaftlichen Revue.
Berlin N., Auguststr. 87 part.
Telephon Amt III, No. 3051.
Ausschnitt.
G
Friedenauer Zeitung
2906r. 901
4 Bedanerlicherweise vor leeren Bänken ging gestern
die Erstaufführung des Schnitzlerschen Schauspiels „Liebelei“
im Freien The#terzu Friedenau in Szene. Das
wär diesmal doch etwas fürs Gemüt. Herr Siegfried
Böhm, der im Duell fällt und Frl. Olga Hübner, die frei¬
willig dem Liebestod entgegengeht, gabengder Darstellung!
in virtuoser Weise den richtigen Inhalt. Und Frl.
Radamsky reproduzierte die Demimonde mit frappierendem
Talent. Einen glücklichen Wurf that die Direktion mit
dem Engagement des
Herrn
Fritz
Grunwald.
Frl. Liban und Herr Baron gaben dem Ganzen
die
nötige Abrundung.
sich
anschliczende
derb=russische Schwank „Ein Heiratsantrag“ nahm leider
der „Liebelei“ die nachhaltige tief=ernste Wirkung. „Man
sollte, wenn man das Theater bewegt verlassen könnte,
nicht mit Scherzen, die alles Erhabene zerstören, belästigt
werden. Zu einer anderen Zeit würde der „Heiratsantrag“
vorteilhafter erscheinen. Wenn man lacht, soll mans von
Herzen! „Liebelei“ war aber doch mehr als sentimental,
darum der Kontrast unangenehm; daran ändert das beste
Künstlerium nichts.
ugson —beschtosselt:
#uf4. Der Geschäftsführung und der Rechnung der ihr
Alkoholverwaltung für 1900 wird die Genehmi¬
bemen, welche die Interessen dieser Wahlkreise
Dabel verammten.
gung erteilt. 2. Das Betriebsbudget der ge¬
darum, ob das Liel ihrer Wünsche auf dem vor allem wahrzunehmen versprechen, von
nannten Verwaltung für 1902 mit einem für
Wege der Gesetzgebuig erreichbar oder ob dazu Demagogen im kleinen, denen der Blick für
die Kantone verfügbaren Einnahmenüberschuß
das Ganze fehlt und die nicht gewählt würden,
eine Verfassungsrei ision erforderlich sei. Man
ihr das bitter vermißte Liebesglück wieder finden wird.
schmerzlich und vorwurfsvoll ausklingen — zur Statue
Sie wird seine königliche Gattin.
Amors gewenoet, wirft sie die Frage auf: „Versprichst
Feuilleton.
Grillparzer hat diese große Liebesscene im zweiten
du viel und hältst du also Wort?“ Könnte nicht auch
Akt mit der ganzen wunderbaren Feinheit seiner psycho¬
Chrisiine ebenso sprechen, sie, der Gott Eros ein
logischen Charakterisierungskunst entworfen und durch¬
Theater.
rasches, heißes Glück und die furchtbarste Enttäuschung
geführt. Für eine begabte Schauspieterin liegt hier eine
gebracht hat? Eine weiche, sinnliche Stimmung zieht
4. Gastspiel Agnes Sorma: „Esther“.
der schönsten, dankbarsten Aufgaben vor; denn nicht sowohl
sich durch die beiden Dramen; im Mittelpunkt beider
„Liebelei". (30. Oktober.)
was Esther spricht, als was sich von ihrer Gefühlswelt
steht eine Frauengestalt, deren ganzes Wesen nur Hin¬
T. Zwei Werke österreichischer Dichter hat das vierte
unausgesprochen in ihren Mienen spiegelt, gilt es hier
gebende Liebe ist, die von ihr allein Licht und Leben
Gastspiel der Frau Sorma kombiniert: das Esther¬
1
delikat und glaubhaft zu schildern. „Auch was du nicht
empfängt, die in Nacht und Tod versinkt, wenn der
Fregment Grillparzers und Schnitzlers „Liebelei“. Es
sprachst, hoff' ich, sei wahr“, sagt der König zu Esther;
lodernden Flamme in ihrem Innern das grausam:
fällt uns nicht ein, eine Parallele zwischen dem Schaffen
dieses Wort weist der Darstellerin der Rolle den Weg.
Schicksal die Nahrung entzieht. Und Esther, das schöne
der beiden Wiener zu ziehen; an die Größe Grillparzers
Frau Sorma ist ihn siegreich gegangen. Schon im ersten
Judenmädchen? Ist nicht auch sie lauter Sinnenfreude,
reicht Arthur Schnitzler nicht von ferne heran, und seine
Akte, da sie zum Palast des Königs entboten wird,
die, jahrelang scheu zurückgehalten, sich herrlich ent¬
Entwicklung als Dramatiker seit der „Liebelei“ vom
bricht neben der schein Furcht vor dem, was ihr be¬
falten darf an der Brust des Königs, der sie aus der
Jahre 1895 macht es durchaus unwahrscheinlich, daß er
vorsteht, die freudige Erwartung leuchtend hervor; erst
Verachtung liebend zu sich emvorhebt?
je zu solchen Höhen emporsteigen werde. Das dreiaktige
vor dem König jedoch, der ihr Herz im Fluge gewinnt,
Das Esther=Fragment Grillparzers gehört zu den
*„Schauspiel“ „Liebelei“ ist vielmehr bis heute ine beste
erhält dann diese Erwartung ihren konkreten Inhalt;
köstlichsten Schöpfungen des großen Dichters; nur zwei
Leistung auf dem Gebiete des dramatischen Schaffens
zwar nur wie durch einen Schleier hindurch läßt sie den
Akte des Dramas sind ausgeführt worden; sie konnten
geblieben, ja man kann sagen: wenn von Schnitzler als
König sich ins Herz schauen, und auch dann, als sie
— mit Weglassung der zweiten Scene des zweiten Aktes,
Theaterdichter #esprochen wird, so denkt jedermann in
sicht, daß es dem König ernst mit seinem Liebeswerben
die bereits hinüberreicht zu der weitern dramatischen
allererster Linie an dieses Stück. Aber gerade in der
ist, giebt sich ihr Glück mehr in ihrem Ausdruck, als
Entwicklung des Stückes — für die Bühne gerettet
„Liebelei“ finden sich doch Züge, die an Grillparzer erin¬
in ihren kargen Worten zu erkennen; aber aus dem einen
werden, da sie in sich ein abgeschlossenes Ganzes bilben.
nern: die Gestalt der Christine, deren ganzes Dasein
Wort „Herr“ hört Ahasver heraus, wie es um Esther
Seine erste Gattin hat der König Ahasver verstoßen,
vollständig von der Leidenschaft der Liebe ausgefüllt und
bestellt ist: „Der Ton entschied.“ Mit wärmstem
weil sie einer Laune des Gatten sich nicht gefügt hat;
beherrscht wird, für die es nichts Höheres und Herr¬
Interesse folgten die Zuschauer dem fein und liebens¬
aber ihr Verlust hat den König tief getroffen: „als seine
licheres giebt als das Liebesglück in seiner ganzen Fülle
würdig gestaltenden Spiel der Künstlerin, und rauschen¬
Entrüstung verflogen war, erinnerte er sich an Vasthi
und Kraft, ist sie nicht eine moderne Schwester der
der Beifall rief Frau Sorma mehrmals an die Rampen.
und was sie gethan und gelitten hatte“ — heißt es im
Hero in Grillparzers Drama, für die ja ebenfalls das
Mit diesem lebensvollen, aus Klugheit, Zurückhaltung
Buche Esther. Da tritt ihm aus der Schar der Mäd¬
Lenanem-nhalt mehr besitzt nachdem die
und Herzenswärme prächtig gemischten Spiele der
chen, die, um in seinem Herzen die schmerzlich empfun¬
Liebe zu Leander in ihr Herz eingezogen ist, und deren
Künstlerin hielt die Deutlichkeit des Sprechens nicht
dene Lücke auszufüllen, zur Auswahl ihm zugeführt
Existenz in dem Moment erlischt, da der Geliebte als Leiche
überall gleichen Schritt; schon in Fuldas Lustspiel
worden sind, Esther entgegen, und er entdeckt durch ihr
vom Meer zu ihren Füßen vergetragen wird. Jeder kennt¬
Schweigen noch mehr als durch ihre Rede, daß er bei waren die Verse infolge gar zu raschen Sprechens nicht!
den Vers Ja#thes, in den „ Des Meeres und der Liebe Wellen“.
5. Li## box 11/I
Dr. Max Goldschmidt
Bureau für Zeitungsausschnitte und Verlag
der Wissenschaftlichen Revue.
Berlin N., Auguststr. 87 part.
Telephon Amt III, No. 3051.
Ausschnitt.
G
Friedenauer Zeitung
2906r. 901
4 Bedanerlicherweise vor leeren Bänken ging gestern
die Erstaufführung des Schnitzlerschen Schauspiels „Liebelei“
im Freien The#terzu Friedenau in Szene. Das
wär diesmal doch etwas fürs Gemüt. Herr Siegfried
Böhm, der im Duell fällt und Frl. Olga Hübner, die frei¬
willig dem Liebestod entgegengeht, gabengder Darstellung!
in virtuoser Weise den richtigen Inhalt. Und Frl.
Radamsky reproduzierte die Demimonde mit frappierendem
Talent. Einen glücklichen Wurf that die Direktion mit
dem Engagement des
Herrn
Fritz
Grunwald.
Frl. Liban und Herr Baron gaben dem Ganzen
die
nötige Abrundung.
sich
anschliczende
derb=russische Schwank „Ein Heiratsantrag“ nahm leider
der „Liebelei“ die nachhaltige tief=ernste Wirkung. „Man
sollte, wenn man das Theater bewegt verlassen könnte,
nicht mit Scherzen, die alles Erhabene zerstören, belästigt
werden. Zu einer anderen Zeit würde der „Heiratsantrag“
vorteilhafter erscheinen. Wenn man lacht, soll mans von
Herzen! „Liebelei“ war aber doch mehr als sentimental,
darum der Kontrast unangenehm; daran ändert das beste
Künstlerium nichts.
ugson —beschtosselt:
#uf4. Der Geschäftsführung und der Rechnung der ihr
Alkoholverwaltung für 1900 wird die Genehmi¬
bemen, welche die Interessen dieser Wahlkreise
Dabel verammten.
gung erteilt. 2. Das Betriebsbudget der ge¬
darum, ob das Liel ihrer Wünsche auf dem vor allem wahrzunehmen versprechen, von
nannten Verwaltung für 1902 mit einem für
Wege der Gesetzgebuig erreichbar oder ob dazu Demagogen im kleinen, denen der Blick für
die Kantone verfügbaren Einnahmenüberschuß
das Ganze fehlt und die nicht gewählt würden,
eine Verfassungsrei ision erforderlich sei. Man
ihr das bitter vermißte Liebesglück wieder finden wird.
schmerzlich und vorwurfsvoll ausklingen — zur Statue
Sie wird seine königliche Gattin.
Amors gewenoet, wirft sie die Frage auf: „Versprichst
Feuilleton.
Grillparzer hat diese große Liebesscene im zweiten
du viel und hältst du also Wort?“ Könnte nicht auch
Akt mit der ganzen wunderbaren Feinheit seiner psycho¬
Chrisiine ebenso sprechen, sie, der Gott Eros ein
logischen Charakterisierungskunst entworfen und durch¬
Theater.
rasches, heißes Glück und die furchtbarste Enttäuschung
geführt. Für eine begabte Schauspieterin liegt hier eine
gebracht hat? Eine weiche, sinnliche Stimmung zieht
4. Gastspiel Agnes Sorma: „Esther“.
der schönsten, dankbarsten Aufgaben vor; denn nicht sowohl
sich durch die beiden Dramen; im Mittelpunkt beider
„Liebelei". (30. Oktober.)
was Esther spricht, als was sich von ihrer Gefühlswelt
steht eine Frauengestalt, deren ganzes Wesen nur Hin¬
T. Zwei Werke österreichischer Dichter hat das vierte
unausgesprochen in ihren Mienen spiegelt, gilt es hier
gebende Liebe ist, die von ihr allein Licht und Leben
Gastspiel der Frau Sorma kombiniert: das Esther¬
1
delikat und glaubhaft zu schildern. „Auch was du nicht
empfängt, die in Nacht und Tod versinkt, wenn der
Fregment Grillparzers und Schnitzlers „Liebelei“. Es
sprachst, hoff' ich, sei wahr“, sagt der König zu Esther;
lodernden Flamme in ihrem Innern das grausam:
fällt uns nicht ein, eine Parallele zwischen dem Schaffen
dieses Wort weist der Darstellerin der Rolle den Weg.
Schicksal die Nahrung entzieht. Und Esther, das schöne
der beiden Wiener zu ziehen; an die Größe Grillparzers
Frau Sorma ist ihn siegreich gegangen. Schon im ersten
Judenmädchen? Ist nicht auch sie lauter Sinnenfreude,
reicht Arthur Schnitzler nicht von ferne heran, und seine
Akte, da sie zum Palast des Königs entboten wird,
die, jahrelang scheu zurückgehalten, sich herrlich ent¬
Entwicklung als Dramatiker seit der „Liebelei“ vom
bricht neben der schein Furcht vor dem, was ihr be¬
falten darf an der Brust des Königs, der sie aus der
Jahre 1895 macht es durchaus unwahrscheinlich, daß er
vorsteht, die freudige Erwartung leuchtend hervor; erst
Verachtung liebend zu sich emvorhebt?
je zu solchen Höhen emporsteigen werde. Das dreiaktige
vor dem König jedoch, der ihr Herz im Fluge gewinnt,
Das Esther=Fragment Grillparzers gehört zu den
*„Schauspiel“ „Liebelei“ ist vielmehr bis heute ine beste
erhält dann diese Erwartung ihren konkreten Inhalt;
köstlichsten Schöpfungen des großen Dichters; nur zwei
Leistung auf dem Gebiete des dramatischen Schaffens
zwar nur wie durch einen Schleier hindurch läßt sie den
Akte des Dramas sind ausgeführt worden; sie konnten
geblieben, ja man kann sagen: wenn von Schnitzler als
König sich ins Herz schauen, und auch dann, als sie
— mit Weglassung der zweiten Scene des zweiten Aktes,
Theaterdichter #esprochen wird, so denkt jedermann in
sicht, daß es dem König ernst mit seinem Liebeswerben
die bereits hinüberreicht zu der weitern dramatischen
allererster Linie an dieses Stück. Aber gerade in der
ist, giebt sich ihr Glück mehr in ihrem Ausdruck, als
Entwicklung des Stückes — für die Bühne gerettet
„Liebelei“ finden sich doch Züge, die an Grillparzer erin¬
in ihren kargen Worten zu erkennen; aber aus dem einen
werden, da sie in sich ein abgeschlossenes Ganzes bilben.
nern: die Gestalt der Christine, deren ganzes Dasein
Wort „Herr“ hört Ahasver heraus, wie es um Esther
Seine erste Gattin hat der König Ahasver verstoßen,
vollständig von der Leidenschaft der Liebe ausgefüllt und
bestellt ist: „Der Ton entschied.“ Mit wärmstem
weil sie einer Laune des Gatten sich nicht gefügt hat;
beherrscht wird, für die es nichts Höheres und Herr¬
Interesse folgten die Zuschauer dem fein und liebens¬
aber ihr Verlust hat den König tief getroffen: „als seine
licheres giebt als das Liebesglück in seiner ganzen Fülle
würdig gestaltenden Spiel der Künstlerin, und rauschen¬
Entrüstung verflogen war, erinnerte er sich an Vasthi
und Kraft, ist sie nicht eine moderne Schwester der
der Beifall rief Frau Sorma mehrmals an die Rampen.
und was sie gethan und gelitten hatte“ — heißt es im
Hero in Grillparzers Drama, für die ja ebenfalls das
Mit diesem lebensvollen, aus Klugheit, Zurückhaltung
Buche Esther. Da tritt ihm aus der Schar der Mäd¬
Lenanem-nhalt mehr besitzt nachdem die
und Herzenswärme prächtig gemischten Spiele der
chen, die, um in seinem Herzen die schmerzlich empfun¬
Liebe zu Leander in ihr Herz eingezogen ist, und deren
Künstlerin hielt die Deutlichkeit des Sprechens nicht
dene Lücke auszufüllen, zur Auswahl ihm zugeführt
Existenz in dem Moment erlischt, da der Geliebte als Leiche
überall gleichen Schritt; schon in Fuldas Lustspiel
worden sind, Esther entgegen, und er entdeckt durch ihr
vom Meer zu ihren Füßen vergetragen wird. Jeder kennt¬
Schweigen noch mehr als durch ihre Rede, daß er bei waren die Verse infolge gar zu raschen Sprechens nicht!
den Vers Ja#thes, in den „ Des Meeres und der Liebe Wellen“.