II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 598

Liebelei
5. Seennnennn
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Kunst und Wissenschaft.
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Literatur und Theater.
Leipziger Schauspielhaus.
Leipzig, 16. Dezember. Gestern führte uns Agnes
Sorma die „Esther“ in dem Grillparzerschen Frag¬
ment und die Christine in Arthur Schnitzlers Schau¬
spiel: „Liebele:“ vor. Das Fragment des österreichischen
Dichters erfreut sich hoher Schätzung, weil die Führung der
großen Hauptscenen zwischen dem König und Esther von
schöner dramatischer Bewegung und Wirkung ist. Vielleicht
war gerade diese Scene der Grund, daß Grillparzer aus
dem Stoff nicht wie Racine ein fünfaktiges Trauerspiel schuf,
sondern es bei dem Fragment bewenden ließ, er hätte diesen
dramatischen Gianzpunkt später nicht übertreffen können.
So ist denn „Esther“ als Fragment wie Schillers „Deme¬
trius“ am Wiener Burgtheater und anderen Bühnen auf¬
geführt worden, umsomehr, als Esther zwar nicht für die
großen Tragödinnen, aber für die liebenswürdigen Dar¬
stellerinnen anmutiger und edler Weiblichkeit eine willkom¬
mene Aufgabe ist. Agnes Sorma spielte die ersten Scenen
lebhaft und temperamentvoll, wo in den Hauptscenen mit
dem König eine warme Fürsprecherin für die Königin, bis
die Erklärung des Fürsten, daß diese ihn nie geliebt
habe, ihre Fürsprache entwaffnet, so daß sie, als der
König erklärt, ohne sie den einsamen Weg bis zu des
Todes Pforten wandeln zu müssen, den Kranz sich aufs
Haupt setzt und dem König sich zu eigen gibt.* Dies sowohl
wie der wohlgetroffene Ton des letzten entscheidenden Wortes
„Zares“ sprachen für die Künstlerschaft des Gastes, und doch
muß die Kritik einige Ausstellungen machen. Agnes Sorma
brachte durchaus nicht alle Verse des Dichters zur schönen
Geltung; einige wurden zu hastig vorübergejagt; bisweilen
tat auch die Darstellerin zu viel in der Pantomimik, und
zwar auf Kosten der Lebenswahrheit, welche doch für die
Künstler der modernen Richtung das höchste Gesetz ist. Bei
den Worten:
Es ist das Weib vom Selbst des Manns ein Teil,
Und wer hat seinen Arm sich abgehauen
Weil er ihm nicht gefiel, den Fuß verkürzt,
Weil er zu lang, das Auge ausgebohrt,
Weil braun es war, nicht blau —
wies der Gast mit lebendigen Gestikulationen auf den Arm,
auf den Fuß, auf das Auge hin — das ist aber eine Ueber¬
ladung des Geberdenspiels, denn kein Sterblicher wird, be¬
sonders wenn er nur vergleichsweise spricht, seine Worte mit
solchen Fingerzeigen unterstützen. Im ganzen aber war diese
Esther eine ebenso anmutige wie sympatische Bühnengestalt,
und auch das Publikum war dieser Ansicht, welches der Dar¬
stellerin reichen Beifall zollte. Der König, in welchen der Dichter
viel von seiner pessimistischen und verbitterten Weltanschauung
hineingeheimst hat, wurde von Herrn Brückner anfangs als
düsterbrütender Melancholiker dargestellt, aber auch seine
Wandlung, nach der plötzlichen Erscheinung dieser weiblichen
Lichtgestalt hob er glaubwürdig hervor. Der vielgeschäftige
Haman, der etwas von einem persischen Polonius hat, wurde
von Herrn Bornstedt gut gezeichnet und Elisabeth
Anders als Zares gab der Entrüstung über des Königs
Benehmen seiner Gattin gegenüber warmen Ausdruck. Die
Grillparzerschen Verse haben etwas Herbes und sprechen sich
nicht leicht. Den energischen Aufschwung verselben gab Herr
Hofmann als Mardochai gut wieder und in der Gruppe,
die sich im Palast versammelte, wohl am besten Herr Bar¬
tholomé als Bigthan.
Von dem prachtigen Schlosse des persischen Monarchen
in die bescheidene Wohnung des Violinspielers Hans Weiring
in Wien ist ein großer Sprung. Hier lebt, wie wir aus
[Schnitzlers „Liebelei“ ersehen, eine Louise Müllerin,
eine Geigerstochter, die aber ihr Herz nicht an einen
vornehmen Kavalier gehängt hat, sondern an einen
jungen Studenten, ein ernstgesinntes und tieffühlendes
Mädchen, Christme, die den Liebeleien ihrer Kreise
fremd ist und eine ihr Herz und ihr ganzes Leben be¬
herrschende Empfindung hegt. Den Gegensatz hat Arthur
Schnitzler im ersten Akt mit zu breiter Zuständlichkeit aus¬
gemalt; die Exposition ist neuartig, aber es fehlen ihr die
dramatischen Accente; daß der Dichter aber diesen Gegensatz
selbst erfaßte, gibt seinem Schauspiel größeren Wert als
vielen seiner späteren Erzeugnisse. Christine erfährt, daß ihr
Geliebter wegen einer Liaison mit einer verheiratheten Dame
ein Duell besteht — dadurch ist sie innerlich vernichtet. Er
ist im Duell gefallen; sie hat auch einen Toten zu beklagen
und wenn sie am Schluß selbst aus dem Leben scheiden will,
so weiß man nicht recht, welches der beiden Motive für sie
das entscheidende ist. Diese etwas zwiespältige Beleuchtung
der Katastrophe stört den Gesamteindruck. Stille Wasser
sind tief — im ersten Akt macht Christine den Eindruck eines
stillen Wässerchens; sie hat etwas Unscheinbares und Agnes
Sorma hält sie im Schatten, schon im Interesse der drama¬
tischen Steigerung. Dieser erste Alt gehörte der flotten Jung¬
gesellenwirtschaft einer studentischen Bobême. Herr Mehnert
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