II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 599

Liebe
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habe, ihre Fürsprache entwaffnet, so daß sie, als der
König erklärt, ohne sie den einsamen Weg bis zu des
Todes Pforten wandeln zu müssen, den Kranz sich aufs
Haupt setzt und dem König sich zu eigen gibt.=Dies sowohl
wie der wohlgetroffene Ton des letzten entscheidenden Wortes
„Zares“ sprachen für die Künstlerschaft des Gastes, und doch
muß die Kritik einige Ausstellungen machen. Agnes Sorma
brachte durchaus nicht alle Verse des Dichters zur schönen
Geltung; einige wurden zu hastig vorübergejagt; bisweilen
tat auch die Darstellerin zu viel in der Pantomimik, und
zwar auf Kosten der Lebenswahrheit, welche doch für die
Künstler der modernen Richtung das höchste Gesetz ist. Bei
den Worten:
Es ist das Weib vom Selbst des Manns ein Teil,
Und wer hat seinen Arm sich abgehauen
Weil er ihm nicht gefiel, den Fuß vertürzt,
Weil er zu lang, das Auge ausgebohrt,
Weil braun es war, nicht blau —
wies der Gast mit lebendigen Gestikulationen auf den Arm,
auf den Fuß, auf das Auge hin — das ist aber eine Ueber¬
ladung des Geberdenspiels, denn kein Sterblicher wird, be¬
sonders wenn er nur vergleichsweise spricht, seine Worte mit
solchen Fingerzeigen unterstützen. Im ganzen aber war diese
Esther eine ebenso anmutige wie sympatische Bühnengestalt,
und auch das Publikum war dieser Ansicht, welches der Dar¬
stellerin reichen Beifall zollte. Der König, in welchen der Dichter
viel von seiner pessimistischen und verbitterten Weltanschauung
hineingeheimst hat, wurde von Herrn Brückner anfangs als
düsterbrütender Melancholiker dargestellt, aber auch seine
Wandlung, nach der plötzlichen Erscheinung dieser weiblichen
Lichtgestalt hob er glaubwürdig hervor. Der vielgeschäftige
Haman, der etwas von einem persischen Polonius hat, wurde
von Herrn Bornstedt gut gezeichnet und Elisabeth
Anders als Zares gab der Entrüstung über des Königs
Benehmen seiner Gattin gegenüber warmen Ausdruck. Die
Grillparzerschen Verse haben etwas Herbes und sprechen sich
nicht leicht. Den energischen Aufschwung verselben gab Herr
Hofmann als Mardochai gut wieder und in der Gruppe,
die sich im Palast versammelte, wohl am besten Herr Bar¬
tholomé als Bigthan.
Von dem prächtigen Schlosse des persischen Monarchen
in die bescheidene Wohnung des Violinspielers Hans Weiring
in Wien ist ein großer Sprung. Hier lebt, wie wir aus
Schnitzlers „Liebelei“ erseben, eine Louise Müllerin,
eine Geigerstochter, die aber ihr Herz nicht an einen
vornehmen Kavalier gehängt hat, sondern an einen
jungen Studenten, ein ernstgesinntes und tieffühlendes
Mädchen, Christme, die den Liebeleien ihrer Kreise
fremd ist und eine ihr Herz und ihr ganzes Leben be¬
herrschende Empfindung hegt. Den Gegensatz hat Arthur
Schnitzler im ersten Akt mit zu breiter Zuständlichkeit aus¬
gemalt; die Exposition ist neuartig, aber es fehlen ihr die
dramatischen Accente; daß der Dichter aber diesen Gegensatz
selbst erfaßte, gibt seinem Schauspiel größeren Wert als
vielen seiner späteren Erzeugnisse. Christine erfährt, daß ihr
Geliebter wegen einer Liaison mit einer verheiratheten Dame
ein Duell besteht — dadurch ist sie innerlich vernichtet. Er
ist im Duell gefallen; sie hat auch einen Toten zu beklagen
und wenn sie am Schluß selbst aus dem Leben scheiden will,
so weiß man nicht recht, welches der beiden Motive für sie
das entscheidende ist. Diese etwas zwiespältige Beleuchtung
der Katastrophe stört den Gesamteindruck. Stille Wasser
sind tief — im ersten Akt macht Christine den Eindruck eines
stillen Wässerchens; sie hat etwas Unscheinbares und Agnes
Sorma hält sie im Schatten, schon im Interesse der drama¬
tischen Steigerung. Dieser erste Akt gehörte der flotten Jung¬
gesellenwirtschaft einer studentischen Bohême. Herr Mehnert
als Fritz Lobheimer war der Vertreter der leichtlebigen Moral
und Ungeniertheit; er spielte dies bemooste Haupt mit vielem
Humor. Sehr übermütig, vielleicht zu burschikos war
die Mizzi der Martha Kolmar, welche ohne Schaden
ihrer Wildheit einige Dämpfer aufsetzte. Auch der Theodor
Kaiser des Herr Hartmann war offenbar kein Fuchs mehr,
wenn er auch sein Studium mehr in den Boudoirs vor¬
nehmer Damen, als in den Hörsälen gemacht hat. Die
Scenen mit Christine, besonders im zweiten Akt, spielte er
mit warmer Empfindung, man sah, wie das trauliche Heim
mit seiner Idylle ihn gefangen nahm. Hier war Agnes
Sorma von gewinnendem Liebreiz, die Ahnung eines herein¬
brechenden Unheils, von der sie ergriffen war, gab sie mit
feinen Zügen wieder. Im letzten Akt erhob sie sich auf die
Größe ihrer Darstellungskunst, da war ihr Spiel ergreifend
und packend, nur hatte die elementare Gewalt, mit der ihr
Gefühl sich Bahn brach, anfangs etwas zu Grelles, fast Un¬
schönes. Dann aber riß sie die Zuhörerschaft im Sturme
des Affektes mit sich fort zu einem begeisterten Schlu߬
applaus. Der alte Hans Weiring des Herrn Forsch, die
Katharina Binder der Agnes Wenkhaus, der Herr des
Herrn Grevenberg waren gute Charaktertypen.
Rudolf von Gottschall.
Musik.
Klavier=Abend von Anton Foerster.
Leipzig, 16. Dezember. Im städtischen Kaufhaussaale gab
Herr Anton Foerster mit einem gut gewählten
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