II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 634

5. Liebel
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eigene Korrespondenten.
Telephon: III, 3051.
Berlin N. 24.

Ausschnitt aus
Die Post, Ber¬
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Kunst und Wissenschaft.
—c. Das Schiller=Theater N. der
anstaltete gestern einen Arthur Schnitzler=Abend
bei dem dieses Wiener Dichters warmblürige
Jugendwerk „Liebelei“, über dem ein Hauch von
Wehmut gleich dem Duft frühwelkender Rosch#
lagert, zur Darstellung kam. Das jüngerer a4t
entstammende übermütig groteske Lustspiel
1 Akt „Literatur“ folgte, in welchem ein Schrift¬
steller und eine Schriftstellerin, unabhängig vof¬
einander, in je einem Roman ihre eben entschlum
merte Liebe nackt der Schaulust der Menge preih¬
geben wollen. Die Aufführung der „Liebelei“ enk¬
sprach im ganzen dem Geiste der Dichtung. Elisa¬
beth Gußmann war eine wohlgelungene Verkörpe¬
rung der leichtfinnigen, durch ein gewöhnliches
Zucken der Mundwinkel gekennzeichneten Modistin
Mizi Schlager, der „die Männer alle“ keine bösen,
wohl aber viel gute Stunden wert sind. Ebenso
stand Bernhard Herrmann als ihr männliches Pen¬
dant Student Theodor Kaiser durchaus an seinem
Platze. Dasselbe läßt sich von Max Pategg sagen
welcher den Violinspieler Weiring, den Vater der
armen Christine, den Vertreter einer wehmütg¬
entsagenden Lebensfreude gab. Nicht so gut war
die Rolle des schwerblütigen Fritz Lobheimer insden
Händen von Georg Paeschke aufgehoben; erser¬
schien von vornherein zu düster. Else Wasa boh als
Christine, mit der das Stück steht und fällt, sine
gut angelegte und fein abschattierte Leistung.
Dennoch konnte man nicht vergessen, daß idie
Sentimentalität des Wiener Poeten, wie sie in den
beiden Hauptfiguren etwas gestaltlos zu tage tritt,
unserem norddeutschen Empfindungsleben nicht
ganz entspricht. Eifrigste Arbeit hatte Else Wasch,
vor allem auf den 2. Teil des letzten Aktes ver¬
wandt. Drei Schauspieler als Zuhörer an die
Wand gelehnt, während die Heldin dem Dichter
zuliebe die Bilanz seines Stückes zieht; das ergiht
sonst leicht Theater=Aufschrei, Pathos, stiere Blicke,
Wimmern und Davonstürzen. Die Regie war
durchweg zu loben, einzig beim Auftreten des
verletzten Gatten und bei dem seelischen Zusamme##
bruch des alten Violinspielers hätte sie mehr Ei¬
fachheit bekunden können. Um Gotteswillen hür
kein dick auftragendes, stummes Spiel: die Phai¬
tasie des Hörers, welche so willig mitschafft, seitt
sonst aus. — Das Lustspiel „Literatur“ wurde,
wiederum von Elisabeth Gußmann (Margarethe)
und Bernhard Herrmann (Baron Clemens), aber
auch von Erich Ziegel, der einen burschikosen Jour¬
nalisten schnauzig phlegmatisch gab, flott herunter¬
gespielt. Der warme Beifall, den das volle Haus
vor allem der „Liebelei“ spendete, war wohlverdient
Dr. Max Goldschmidt
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Telephon: III, 3051
Berlin N. 24.


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Deutsche Tageszeitung, Beriin
30 OCr. 903


Cheater= und Kunstnachrichten.
Das Schiller=Theater N. war gestern ganz
Arthur Schnitzler gewidmet. Nachdem bereits im
vorigen Jahre „Der grüne Kakadu“ d sselben Verfassers
dort erfolgreich aufgeführt worden war, war es
eine
interessante Aufgabe, in den beiden Stücken „Liebelei“
und „Literatur“ den Dichter von einer ganz anderen
Seite dem Publikum des nördlichen Schiller=Theaters vor¬
zuführen, und wie damals, so war auch gestern der Er¬
folg durchschlagend, wozu freilich die nahezu mustergiltige
Vorstellung wesentlich beitrug. Schnitzler hat vor
etwa
acht Jahren mit der „Liebelei“ am Wiener Hofburgtheater
seine Laufbahn als Bühnendichter erfolgreich begonnen und
zeigt in diesem Stücke sich besonders als trefflicher Beob¬
achter des Wiener Volkslebens. — Den Violinspieler Weiring
gab Max Pategg schlicht und einfach, aber desto ein¬
drucksvoller und zeigte gerade hierin, daß wahre Künstler¬
schaft am besten aller Zierraten entratet. Ihm stand Else
Wasa als Tochter woyl nicht ganz ebenbürtig zur Seite,
Elisabeth Gußmann und Bernhard Herr¬
mann trugen besonders zur Heiterkeit des Publikums bei.
Auch die übrigen Mitspielenden, von denen Herr Päschke
als Fritz Lobheimer besonders erwähnt sei, folgten
mit
vielem Verständnis den Intentionen des Dichters und hatten
alle ihren wohlverdienten Anteil an dem Erfolg des
Stückes. Dem Drei=Akter folgte als Lustspiel in einem
Akt „Literatur“, welches Herrn Herrmann und Fräulein
Gußmann wiederum Veranlassung gab, ihrem Temperament
als richtige Folie zu dienen und so schloß der Abend mit
einem vollen Erfolg auf der ganzen Linie.