II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 648

Liebelei
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vermehren helfen, die im besten Fall an kleinen Provinz¬
bühnen eine Gage beziehen, die zum Verhungern zu groß
und zum Leben zu klein ist. Umso überraschender und umso
Für
50 angenehmer berührt ist der berufsmäßige Besucher der¬
usive
100
## artiger Vorstellungen, wenn er einmal anstatt der üb 7o.
## lichen Talentlosigkeit und Mittelmäßigkeit wahre, echte lbar
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Oraus.

100 Begabung und diese gleich in meyrsacher Auflage antrifft,
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Im Das war in der am 9. d. M. im Theatersaal des eng## st das
Abonnen lisch=französischen Konversationsklubs veranstalteten Vor¬ #s den
Abonnen
stellung der Fall, in der wir zwei junge Damen und
einen Herrn entdeckten, die sicher sein dürfen, daß sie bei
□ fleißigem Weiterspielen einer glänzenden Karriere ent¬
##nd die
Inhaltsa gegengehen werden. Man gab Schnitzlers „Liebelei.
blätte Der Saal war dicht gefüllt, zumeist wohl von guten Be¬rgen¬
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kannten der Darsteller, aber auch von einem starken Bruch= itung)
wodurch
teil von Leuten vom Fach, Schauspielern, Theateragenten ättliche
Leben d
se Mit¬
und Schriftstellern. In dem Kreise der letzteren herrschte
theilung
vor Beginn der Vorstellung und während der ersten
Szenen eine Stimmung, die etwa jener gleicht, in der
der geübte Schwimmer den Versuchen ängstlicher Anfänger
zusieht. Da wurde gewitzelt, ironisiert, gelächelt, getuschelt“
und gekichert, aber je mehr die Handlung sich ihrem Höhe¬
punkt näherte, umsomehr wich die Ulkstimmung der ernsten
Aufmerksamkeit und rückhaltslosen Anerkennung.
Und
diesen Umschwung hatten die Trägerinnen der beiden weib¬
lichen Hauptrollen und der Darsteller des alten „Weiring“
bewirkt. Zuerst brach sich das Gefühl wärmster Anerkennung
und Wertschätzung, die Ueberzeugung, daß man es da mit
einem großen, echten Talent. zu tun habe, zu gunsten der Dar¬
stellerin der „Mizzi Schlager“, die ja freilich im ersten
Akt auch die bei weitem leichtere Aufgabe hat, Bahn. Die
Trägerin dieser Partie, Fräulein Hilda Jenik, nahm schon
bei ihrem Erscheinen durch ihre brillante, vornehme Er¬
scheinung, ein pikantes Köpfchen mit zwei schelmisch blitzenden
Augen auf einem wohlgeformten Körper, ein. Schon die
ersten Worte, die sie zu sprechen hatte, bewiesen aber, daß
sie in natürlicher Weise zu plaudern, daß sie sich degagiert
zu bewegen und auf den weltbedeutenden Brettern mit
einer Sicherheit zu bewegen versteht, die sonst erst nach
jahrelanger Bühnenwirksamkeit erworben wird. Auch ihr
Temperament ist echt und von mitreißender Impulsivität,
sie hat es aber bereits jetzt so in der Gewalt, daß si
nicht ein einzigesmal in irgend eine Uebertreibung verfiel
oder den Eindruck der Absichtlichkeit hervorrief. Wir machen
unsre Bühnenleiter auf dieses junge sympathische Talent
schon jetzt aufmerksam. Es wäre schade, wenn Fräulein
Jenik uns von einer reichsdeutschen Bühne weggeschnappt
würde. Ebenso groß ist die Begabung der Darstellerin der
„Christine“, des Fräuleins Rolla v. Hasaty. Daß über¬
haupt eine so blutjunge Dame wie diese Kunstnomze uns
die ganze „Christine“, namentlich jene des ersten Akts,
in dem uns Frau Sorma unvergeßlich ist, die schon bei
ihrem Erscheinen mit dem ersten neugierig scheuen Blick,
den sie um sich wirft, die Schlacht gewonnen hat, zu
zeben im stande ist, halten wir für ausgeschlossen; für
ebenso ausgeschlossen halten wir es aber auch, daß irgend
eine gleichalterige Kollegin der Debütantin nach so kurzer
Vorbereitung den zweiten und dritten Akt und namentlich
den letzten mit so tieser Wirkung zu geben vermag wie
Fräulein v. Hasaty. Sie spielt mit tiefer, den Zuhörer
ofort in ihren Bann ziehender Leidenschaft und warmer,
vohlig wirkender Empfindung, dabei. trotzdem man ihr
die tiefe eigene Ergriffenheit anmerkt, nicht einen Augen¬
lick die Herrschaft über sich selbst verlierend. Die Angst
im den Geliebten, der Schmerz, daß man ihr nicht einmal
die Teilnahme an seiner Leichenfeier gestattete, kam in er¬
freifender Weise zum Ausdruck. Man hat in Fräulein von
dasaty, deren Intentionen ebenfalls durch eine prächtige
Bühnenerscheinung wirksam unterstützt werden, drama¬
isches Vollblut vor sich, von dem die Theatergeschichte
offentlich noch viel zu erzählen haben wird. Ein Dar¬
teller, wie man ihn selten findet, ist auch Herr Ferron.
Die Einfachheit seiner Darstellung ist gleich lobenswert wie
eine Natürlichkeit. Man vergißt in seiner Darstellung, daß
Theater gespielt wird, man glaubt vielmehr, Zeuge eines
virklichen Erlebnisses zu sein. Das ist die höchste Auf¬
jabe, die der Mime lösen kann. Diese drei Darsteller waxen
vährend der ganzen Dauer der Vorstellung Gegenstand
egeisterter Ovationen. Man wird in Wien noch öfter von
ihnen hören.