II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 649

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Liebel
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Telephon 12801.
Alex. Weigl’s Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Ausschnitt
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Nelos „OBSERYEP“
Nr. 71
I. österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, IX/1, Türkenstrasse 12.
* Filiale in Budapest: „Figyelö“ -
Vertretungen in Berlin, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom, Stockholm.
Berliner Tageblatt
Ausschnitt aus:
vom: (/1715.
FEUILLETON
F. E. Agnes Sorma spielte gestern im Berliner Theater
Grillparzer und Schnitzler, Alt=Wien und Neu=Wien, das
königlich persisch drapierte Wienertum des „Esther“=Fragments und
das melancholisch=sinnenfreudige, ganz unverhüllte und gegenwärtige
Wienertum der „Liebelei“.
In beiden Stücken haben wir die Künstlerin hier oft gesehen.
Mit Ludwig Barnay als König war Agnes Sorma einst in ihrer
Maienfülle die lieblichste Jüdin. Und wenn nun der Mai ver¬
gangen und nur die Fülle geblieben: ihr Spiel hat noch
immer süßen Zauber. Ebenso liebenswürdig altklug in der
Szene mit dem Vater, den der Himmel in Gestalt des leeren
Herrn Connard über sie verhängt hatte; ebenso heroisch bedeutend
Für
im Gespräch mit dem König, der in Herrn Mischke einen sehr wür¬
digen und auch sehr trockenen Vertreter fand; ebenso voll prächtiger
Glut in den letzten Worten der aufflammenden Leidenschaft, die die
Losungsworte und leider auch die Schlußworte des unvollendeten sis.
Kunstwerks sind. Im ganzen hoch über ihrer Umgebung, in der ein
as
Abel sonst so verständiger Schauspieler wie Herr Willy Rohland##
Abel durch Stillosigkeit besonders auffiel.
Schnitzlers „Liebelei“ wurde von den Herrschaften des Berliner
Theaters besser gespielt. Nur daß die Darstellung, wie in zwei Teile gie
Inha gebrochen, halb Spree und halb Donau war. Harry Walden,n
blä
ein kluger und angenehmer Fritz, Herr Pittschau, der betrogene gg“
wod
Ehegatte, und selbst Clara Wenck, die die Strumpfwirkersfrau all=jche
Lebe
zu gemütlich gab, waren ganz norddeutsch, ganz schwarzweiß. Schwarz=Mit¬
theil
gelb war aber der muntere Theodor des Herrn Wehrlin, noch
mehr Fräulein Jenny Rauch, von der es wie ein Straußscher
Walzer strömte.
Zwischen diesen Agnes Sorma als Christine. Nicht so wienerisch wie
Hansi Niese, nicht so vornehm=tendenziös wie Adele Sandrock, aber
bis auf die frauliche Erscheinung ein ganzes echtes, rechtes Mädel,
traumwandlerisch betäubt unter den Strahlen der Liebe die ihr
zum Schicksal wird. Die leisen humoristischen Züge der Rolle werden
mehr zurückgedrängt. Alles ist auf Herzensweichheit und Empfind¬
samkeit gestimmt; stets ist eine Träne bereit, das Auge zu feuchten;
das ganze Stück wird der Künstlerin zu einem einzigen Abschiednehmen
von dem Geliebten.
So wirkte Schnitzlers Schauspiel auch gestern wieder tief. Es ist
und bleibt ein liebes Stück, in seiner Einfachheit reicher als der
„Schleier der Beatrice“ den, beladen mit Gedankenprunk und äußerem
Glanz, uns eben das Deutsche Theater gezeigt hat.

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Nr. 98
„OBSERY
L. österr. behördl. conc. Bureau i Seitungsberichte u. Personalnachrichton
Wien, IX/1, Tünkenstrasse 17.
— Filiale in Budapest: „Figyelö“
Vertretungen in Berlin, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom, Stockholmn.
Ausschnitt aus:
Das Kleine Journal (Berlin)
vo: (00
Cheater und Kunst.
Berliner Theater.
Agnes Sorma spielte gestern Grillparzers „Esther“
und die Christine in Schnitzlers „Liebelei“ Als Esther
kennen wir die Künstlerin noch aus der guten Zeit des
Deutschen Theaters, als Josef Kainz sein König und Agnes
Sorma seine Hadassa war. Die holde Anmut, die „fromme Un¬
befangenheit“ der so jäh zum Glanz des Thrones empor¬
geführten Esther sind Agnes Sorma durch alle Fähr¬
nisse ihrer zahllosen Gastspielfahrten treu geblieben. „Fast scheint's
ein Märchen“ aber es ist wahr. Daß diese von echter, lieb= inclusive
lichster Naivetät umflossene Gestalt, der doch auch das charakte= Porto.
ristische Temperament nicht fehlt, gestern nicht so eindringlich zu Zahlbar
wirken vermochte, wie einst, daran war nicht Agnes Sorma* Voraus.
schuld, sondern nur ihre Umgebung. Man konnte kaum etwas je ist da
Stimmungsloseres sehen, als diese „Esther“=Aufführung. Be= cht es der
sonders der König Ahasveros! Hans Mischke hieß er. Ein
ern.
Glück für ihn, daß Beleidigungen verstorbener, auswärtiger Poten¬
taten nach deutschen Recht nicht strafbar sind. Soviel Monate haltend die
Gefängnis gibt es gar nicht, wie sein trostlos nüchterner Ahasver [dorgen
Zeitung
sonst verdient hätte. Und die Regie! Den prachtvollen Monolog
schaftlich
des geistvollen Skeptikers im ersten Akt ließ sie den Darsteller in
Diese Mit
Gegenwart des ganzen Hofes mit voller Lungenkraft hinaus¬
schreien. Es war sehr hart. — Zum Glück fand Frau Sorma
wenigstens in „Liebelei“ ein vortreffliches Ensemble. Seit der
#er##n Aufführung des Schnitzler'schen Schauspiels im Deutschen
Theater haben uns viele Künstlerinnen von klangvollem
Namen die Christine vorgespielt. Keine von ihnen, auch
nicht eine
einzige
keine Sandrock, keine Niese,
keine Else Lehmann, j#cht gerade in dieser Rolle an Agnes
Sorma heran. Die schlchte, rührende Tragik des süßen Mädels,
das, wo andere liebeln, gleich mit vollem Herzen lieben muß,
das schon an seiner ersten Liebelei zu Grunde geht, keine
hat sie so ergreifend und so innerlich auszuschöpfen ge¬
wußt, wie Agnes Sorma. Wie diese Frau lacht und weint, das
ist eine künstlerische Offenbarung. Bei ihrem Weinen denke
ich nicht an die wirkn an Träuen, die ihr ins Ange kommen.
Solche Tränen weinen andere Schauspielerinnen auch, wenn sie!
ein bischen nervös veranlagt sind. Aber Agnes Sorma hat
Tränen in der Stimme, wie vor ihr vielleicht nur Hedwig Niemann¬
Raabe, und aus ihren Angen blickt ein tiefes Weh, das viel er¬
schütternder wirkt, als auch das salzigste Wasser. Diese Christine
fand denn auch gestern wieder den stürmischen Beifall des
dicht gefüllten Hauses und nach den beiden letzten Akten mußte
die Künstlerin immer wieder und wieder vor der Gardine er¬
scheinen. Jenny Rauch und Arthur Wehrlin standen
ihr mit besonderem Glück als munteres Liebespaar zur Seite.
Harry Walden blieb anfangs ein bischen zu sehr
ußerlicher Eleganz stecken, erst im zweiten Akt
wärmere Töne.
Der liebenswürdige Darsteller
büten, daß ihm auf die Dauer die Erbprinzen
#erden. Sehr lobenswert waren auch Leo
lara Wenck. Als „ein Herr“ machte
einen außerordentlich betrogenen Eindruck.
hm eine Pistolenkugel. Trotzdem machte
ung des Mannes, den er zum Duell
essel so bequem wie möglich. Derartige
ehend erledigt zu werden.
Sch.
enen e Peeen
s herzlich. Man sollte auf Grillparzer verzichten
und hätte dann einen Theaterabend von unanfecht¬
barem Werte.