II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 653

Liebelei
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da errang die persönliche Kunst der Darstellerin
doch einen hohen Grad von Achtung. Anerkennung
gebührt auch Herrn Regisseur Lenoir für die an
Stimmung und feinen Zügen reiche Inszenierung
F
inclusir.
des Schauspieles, das, mehrere Jahre in Graz nicht
Porto.
mehr gegeben und nun ganz neu besetz im gut
Zahlbar
besuchten Hause den starken Erfolg einer Novität
im Veraus.
erzielte. Es ist nicht wahr, daß, wie die ewigen
Abom „Überwinder“ glauben machen wollen, das Publi=Imitte ist das
u steht es den
Abom kum sich den Reizen eines treuen Milieus schon wie¬
ändern.
der entzogen habe. Die Kunst, das scheinbar Gering¬
Iahan fügige nicht zu übersehen, es mit dem Auge des uthaltend die
diät Dichters zu sehen und ihm seinen allenfalls bedeut=r Morgen¬
vodm samen Platz im Lebensbilde einzuräumen — (kennt leuer Zeitung")
irthschaftliche
Leben denn die Natur „klein“ und „groß“, „wichtig g. Diese Mit¬
theilu und „nebensächlich"?) — ist von der Mode nicht
abhängig. Die Kunst nicht, wohl aber die schema¬
tische Nachahmung spekulativer Nachtreter! Diese
Künst war, mag sie zeitweilig in der großstiligen
„Dramatik keinen Raum gefunden haben, zu jeder
Zeit „modern“ und die Stuben des Musikus Miller
und des Meisters Anton haben, wenn sie auch eine
andere Atmosphäre erfüllt, Kunstfamilienähnlichkeit
mit dem Dachzimmer des Hans Weiring in „Liebe¬
lei". Ein die Lebensbeobachtung auf beschränktem
Gebiete in Dichtung umwertender Schriftsteller ist
Arthur Schnitzler, und wer fähig ist, sein Werk auf
sich wirken zu lassen, der müßte sehr unehrlich sein,
es zu leugnen. In mancher höheren Region — ich
denke an die sonderbarerweise preisgekrönten sym¬
bolistischen Einakter des Dichters — hielt seine
schöpferische Kraft nicht, was sie in „Liebelei“ ver¬
sprochen hatte; hier aber, eingefriedet im wieneri¬
schen Quartier latin, schuf sie die beste Grisetten¬
tragödie unserer Tage. Was so aus der Welt, die
wir alle kennen, stammt, das darf die Bühne nicht
entfremden. Das Typische und die ungezwungene
Natürlichkeit sind daher die ersten Voraussetzungen
für die Darstellung der „Liebelei“. Ihnen kamen
unsere Schauspieler in hohem Grade nach. Das
Dioskurenpaar der leichtsinnigen „jungen Leute“
fand in den Herren de Grach und Halpern
unvergleichlich gute Darsteller. Herr de Grach
besitzt, wie hier oft schon betont worde, ein auser¬
lesenes Talent für die junge Mämnichkeit, die nicht
in Trikots gezwängt ist. Sein nervöser und von der
Melancholie eines vernachlässigten Gemütes befan¬
gener Fritz Lobheimer ist in seiner Echtheit geradeso
eine Musterleistung, wie der ganz anders geartete,
jugendstrotzende und knabenhaft launische Student
in Halbes „Jugend“. Für den gemütlichen jungen
Taugenichts Theodor hatte Herr Halpern all den
leichtfertigen Übermut, die rasche Zunge und die
graziöse Keckheit des Früchtels. Ihnen rei ten sich
Fräulein Ferron als geradezu klassisches „süßes
Mädel“ Mizi Schlager — die unbewußte Sünde —
und Fräulein Bleibtreu als kleinbürgerliche
Wiener Klatschbase ebenbürtig an. Fräulein Sus¬
sin wuchs in der Schlußszene zu einer tragischen
Kraft des Verzweiflungsausdruckes, der im Publi¬
Um das Echo eines Beifallssturmes weckte. Auch
Fe
Tahuugdusenuns, aebet Dotsi
„süßen Mädel“ #atte sie doch zu wenig, um das
Schicksal der Christine und Fritzens Verhältnis zu
erklären. Zu rauh und heftig kamen die Affekte;
der Mangel an Grazie war fühlbar. Herr Lip¬
spert gab den alten Vater Christinens vielleicht
nicht ganz charakteristisch, aber ungemein sympathisch
und rührend. Herr Mebns hatte die kleine, aber
gewichtige Rolle des „fremden Herrn“ inne. Die
Szene, in der er auftritt, ist die dramatisch packendste
des Stückes, es tritt mit ihm der kalte, grausame
Tod ins Zimmer. Es war recht töricht von einigen
süßen Mädeln“ auf der Galerie, daß sie bei den
ersten, iödlich-bitteren Worter des ironischen Scher¬
zes laut kicherten: doch von aller Schuld war unser
trefflicher Schauspieler auch nicht freizusprechen. Die
Messerschneide des Wortes war ein wenig stumpf.
Mit holier Wlicht brach jedoch der Offelle Griuilt
Hermann Kienzl.