II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 685

5. Liebelei

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Theater und Musik.
[„Liebelei.“ Von Arthur Schnitzler.] (Gast¬
spiel Medelsky— Frank.) Seitdem namhafte
Kunstkritiker als das Ausgezeichnete an der Kunst
Voethes deren Anschaulichkeit gepriesen haben, haben
wir uns gewöhnt, bei der Beutteilung künstlerischer
Kräfte uns nach deren Fähigkeit zu fragen, Erschei¬
nungen des Lebens anschaulich wiederzugeben. Wir
verlangen nicht mehr, daß die Bedeutung einer Si¬
tuation, die Qualen und Freuden einer Seele, die
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griffen und bewegt von der eindringlichen Darstel¬
lung wirklichen Lebens, von der Kunst, die den leb¬
haftesten Ausdruck ihres seelischen Inhaltes in ein¬
zelnen Stellungen des Körpers, im Augen= und Mie¬
neuspiel, in scheinbar flüchtigen Bewegungen, im
wechselnden Tonfalle des Sprechens und Lachens,
in einzelnen von Gefühl und Leidenschaft zitternden
Ausrufen sucht und findet, in jenen Geberden, welche
scheinbar die trivialen Gewohnheiten und Willkürlich¬
keiten des Körpers, in Wirklichkeit aber die knappsten
und konzentriertesten Ausdruckformen feelischer Be¬
wegungen sind. Weit mehr als durch die pathetische
Kunst einer Klara Ziegler werden wir durch die ein¬
fache naturwahre Kunst einer Else Lehmann oder
Karoline Medelsky ergriffen. Sie entspricht in
hohem Grade jenem Goethe'schen Ideale der An¬
schaulichkeit. Die Medelsky fügt ganz unauffällig
einen die darstellende Person und die Situation
scharakterisierenden Zug an den anderen, dabei zieht
sie uns durch die Echtheit und Ergriffenheit, mit der
sie gestaltet, unwiderstehlich in den Bannkreis ihrer
Seele. wir lieben und trauern, hangen und sehnen
uns mit ihr. Diese ganz unsagbare schlichte und
sympathische Schauspielerin beherrscht mittels einer
leisen Handbewegung oder eines Blicks ihrer Augen
die Situation, deren seelischen Inhalt sie restlos aus¬
schöpft. Wenn sie voll banger schmerzensvoller in¬
niger Liebe den Geliebten anblickt, ihn mit ihren
Blicken begleitet, umschmeichelt, durchforscht, wenn sie
mit linkischer Ausgelassenheit und halb hausmütter¬
licher, halb verliebter Geschäftigkeit bei den Vorbe¬
reitungen und Veranstaltungen des Junggesellen¬
abends mithilft, wenn sie in ihrer nicht durch die
Dirnenmanieren einer Schlager=Mizzi geglätteten
stoßweisen Art lacht, wenn sie in scheuer Inbrunst
einen Kuß auf des Geliebten Bild drückt, wenn sie,
bei dem klavierspielenden Freunde steht und die Hal¬
tung des Körpers den Wechsel der Stimmung im
Spiele mitmacht, dabei die innige Teilnahme für
die Kunst und die Launen des Geliebten ausdrückend,
wenn sie in jungfräulicher Verlegenheit und über¬
flutender Zärtlichkeit sich dem Glück des Augenblickes
hingibt, wenn sie endlich von Jammer und innerer
Verzweiflung durchbebt und zerstört wird, wenn sie
den Schmerz der Todeswunde, die ihre zarte Seele
verletzte, herausschreit, dann ist die Medelsky im
höchsten, im denkbar höchsten Grade erschütternd und
im höchsten, im denkbar höchsten Grade einfach wahr
und echt. Wir beugen uns in Demut und Ver¬
ehrung vor dieser großen Kunst lanterer Wahrheit
und Jnnigkeit, die ihr großes Können nur eigener
Ergriffenheit, ihre künstlerische Höhe nur mensch¬
licher Tiefe verdanken kann. Herr Frank zeichnete
geschickt die Zerfahrenheit und posierte Stimmungs¬
duselei des Fritz, er vermochte es aber nicht, die
Fülle an guter Beobachtung, die in diesem koketten
Melancholiker steckt, zu voller Wiedergabe zu beingen.
Sehr gut war Herr Huttig als Theodor, fesch,
fahrig und gewandt im ersten Akte, voll Haltung, aus
der doch Herzensrohheit in bestimmten Andeutungen
hervortrat, im letzten Akte. Auch seine Partnerin
Frl. Kern ist in der Rolle der Mizzi Schlager, die
sich allerdings fast von selbst spielt, zu loben. Sie
war degagiert und hatte den Humor der Rolle gut
erfaßt. Ein ernstes Streben nach Einfachheit zeigt
steller des alten Musikers Herr Lenhart.
Kraus (Berlin), Moest (Hannover), Reiß (New¬
York), van Rooy (New=York). Die musikalische Lei¬
tung für den Ring des Nibelungen und die Mei¬
stersinger von Nürnberg ist Herrn Generalmusik¬
direktor Felix Mottl und Herrn Hoftapellmeister
Fischer übertragen, diejenige für Tannhäuser dem
Herrn Hofkapellmeister Dr. Richard Strauß (Berlin).
Die musikalische Leitung der Mozart=Festspiele liegt
in den Händen der Herren Generalmusikdirektor
Mottl und Kgl. Hofkapellmeister Röhr. Programme
und Besetzungspläne sind durch die Generalagentur
Reisebureau Schenker & Ko., München, Promenade¬
platz 16, zu beziehen, wohin auch die Billettbestel¬
lungen zu richten sind.
Theater-Spielpläne.
Teplitzer Stadttheater.
(Anfang 7 Uhr.)
Mittwoch den 11. d.: 1. Gastspiel der kleinen
Tänzerin Rubi Friese. Dazu: „Unter 4 Au¬
gen. „In Zivil.“
Donnerstag den 12. d.: Letztes Gastspiel Rudi
Friese. Dazu: „Wien bei Nacht.“
Freitag den 13. d.: Geschlossen.
Samstag den 14. d.: „Im bunten Rock.“ (Gast¬
spiel Josefine Glöckner — Leopold Kramer vom
Deutschen Volkstheater in Wien.
Sonntag den 15. d.: „Drei Erlebnisse eines
englischen Detektivs". (Letztes, Gastspiel Glöck¬
ner — Kramer.)