II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 731

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O l. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschaitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
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Vertretungen
0 in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
* hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
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C. 511. 1907
7 Ausschnitt aus:
ANIA BERLIN
135
Die Kammerspiele des Beittschen Theaters brachten
Estern Abend zum ersten Male Arthur Schnitzlers
„Liebelei“
tück, das bei seinem ersten Erscheinen
yor nunmehr eis
ein gewisses Aufsehen erregte. Die
Tragödie des
Wiener Mädels“, das sich in ahnungs¬
loser Naivetät
#etgnnten Verehrer an den Hals
wirft, um dann zu spät
daß es in frivoler
verraten und gewissermas
Spielzeug be¬

ward, und in dieser Erkenn
den frei¬
willigen Tod wählt — diese Trag¬
Schnitzler
bei brutaler Anlage und zynischer D
immer¬
viel scharfer Milieu¬
ralten
beobachtung behandelt worden,
daß man für
uku
des Autors als Dramatiker Hoffnungen zu hegen wagte, d
sich bekanntlich später nicht erfüllt haben. In der gestrigen
Darstellung schien das Stück
ursprüngliche Farbe
einigermaßen eingebüßt zu haben
rschien wenigstens
blasser als ehedem. Die ausgezeich
egie des Herrn
Bernauer war hieran ebenso wenig schuld, wie die durch¬
weg trefflichen Darsteller. Unter den letzteren traten ins¬
besondere Herr Ekert (Theodor) und Frl. Berger
(Mizi) durch frischen, ungesuchten und kecken Humor
hervor. Auch Herr und Frau Pagay boten in gro߬
zügiger Charakteristik Bedeutendes. Weniger ansprechend er¬
schienen die Darbietungen der Herren Steinbrück und Du¬
mont, welch letzterer insbesondere durch den Mangelan eindrück¬
licher Eigenart bemerkt wurde. Frl. Höflich zeigte auch
als Christine wieder ihr großes, vielseitiges und umfassendes
Können im hellsten Lichte. Doch nahm sie ihre Aufgabe
zu schwer, sodaß der Kontrast zwischen goldnem, der Un¬
kenntnis und dem Mangel an Erfahrung entsprungenen
Leichtsinn einerseits und schrecklichem Erkennen der brutalen
Wahrheit andererseits nicht scharf genug herausgearbeitet
wurde. In den Momenten der Aufklärung und Verzweiflung
aber wirkte die Künstlerin wahrhaft ergreifend. Im Ganzen
kann man nicht sagen, daß die beabsichtigte Intimitat der
Wirkung derjenigen bei der Aufführung auf einer großen
Bühne überlegen war.
Telephon 12801.
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10
O l. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
665
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
0 in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
* AusseFnitt aus:
6
ussische Zeitung, Berlit¬
CCSL
E vom:
Theater und Munn.
Das echteste der bürgerlichen Dramen Arthur Schnitzlers:
„Liebelei“, die Tragödie vom kleinen, süßen Mädchen, däs mit
der Seele einer Mignon für eine Philine genommen wird und daran
zu Grunde geht, wurde gestern als Kammerspiel des Deutschen
Theaters aufgefrischt. Aber die Frische war diesmal nur beabsichtigt,
nicht erreicht. Man sah wohl die Frucht einer sorgfältigen Regie,
aber man genoß nicht den Duft des Stückes. Es fehlte die
rechte Empfindung für die Atmosphäre, das Ent eidende, das dem
redlichen Bemühen im unbewußten Momente glückt. Das lag wohl
wesentlich auch daran, daß die Wiener Lokalfarbe, die hier nicht auf¬
gepinselt ist, sondern vom Blute herkommt, einigen hervortretenden
Darstellern nicht recht erreichbar war. Frl. Höflich zeigte als
Christine eine gewisse schauspielerische Stärke, aber nicht die vom
Stück und vom Charakter geforderte; sie schien nicht einen
Moment süß oder klein, wofür die Kurzsichtigen sie doch nehmen
sollen; sie war von Anfang an die Totgeweihte, dann zu früh die
Wissende oder Ahnende, zuletzt in der Enthüllungsszene die Heroine,
die mit ihrem markerschütternden Wolterschrei etwa auch als Brun¬
hild durchkommen konnte, nicht das zu Tode getroffene naive
Mädchen, das es nicht fassen kann, das es im Leben des Liebhabers
eine Nebenperson gewesen, daß es den Abgott seiner Empfindung
nicht verloren, sondern nie besessen, und das betäubt
von dieser Aufklärung in die Selbstvernichtung hineintaumelt. Ihre
zu bewußte, zu grelle Darstellung hat mich den letzten Akt, der sonst
immer eine reine, tiefe Empfindung des Mitleids in mir zurückließ,
zum ersten Male als quälerisch, als peinlich empfinden lassen. Es
war eine Dissonanz da, ein Mißverhältnis zwischen Charakter
und Affekt. Für die köstliche Kontrastfigur der Mizi hatte
die Debütantin Frl. Grete Berger genug Wienerisches und mehr
als genug Ausgelassenheit des Temperamentes; aber ihr fehlte
vollends die Naivität der Beschränktheit, die Gemeinheit unter der
Schwelle des Bewußtseins, die diese Gestalt in ein so ergötzlich
komisches Licht stellt. Den Lebejüngling Fritz gab Herr Dumont
(gleichfalls eine neue Erscheinung des Ensembles) recht unbedeutend;
man merkte nicht viel davon, daß dieser Lebensstümper den
Ernst des Daseins am Rande des Grabes erkennt. Etwas vom
Geiste des Stückes hatte Herr Eckert als Theodor, wenn auch
sein Humor für den Virtuosen des Leichtsinns zu dünn war, un¬
vergleichlich mehr Herr Pagay als Christinens Vater; namentlich
die Szene, in der der alte Musikus seine bescheidene, milde Lebens¬
philosophie entwickelt, war voll gelungen. Herr Steinrück fand sich
mit dem fremden Herrn, der freilich immer wie ein Fremdkörper
in der Natürlichkeit des Stückes wirkt, nicht ungeschickt ab,
und Frau Pagay war in der Rolle der schwatzhaften Nachbarin
a
im wesentlichen gut volkstümlich, wenn ihr auch der Ton ein wenig
über die feste Charakterzeichnung des Dichters ins Poffenhafte
hinüberglitt. Im ganzen reichte die Gesamtwirkung nicht an jene
heran, die „Liebelei“ vor mehr als einem Jahrzehnt gemacht hat;
die Tradition für die Darstellung des eigentümlichen Stückes schien
verblaßt zu sein. A. K.