II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 732

Liebelei
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Telephon 12801.
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O l. österr. beht dl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
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Wien, I., Concordiaplatz 4.
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Vertretungen
0 in Berlin, Budapest, Chicagn, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quelienangabe ol ne Gewähr.)
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208191907
6 Ausschnitt aus:
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Horliner Ronaste Wachitonted
E vom:
Theater und Musik
(Siehe auch Beilage)
Kammerspiele des Deutschen Theaters
Zum ersten Male: „Liebelei“, Schauspiel in drei Akten
von Artur Schnitzler.
Der Herr Regisseur hätte die Einsicht haben müssen, Seinz
Gestrengen, den Herrn Theaterleiter, etwa folgendermaßen zu
apostrophieren: „Halten zu Gnaden, Herr Direktor, aber das
geht nicht. Die Kammerspiele sind nicht eingerichtet worden als
Probierstub. Wer hier hineinkommt, muß das Gefühl mitbringen:
es wird nur das beste vom besten serviert, und wer zum Beispiel
einen Oesterreicher Wein fordert, kriegt keinen Grüneberger,
Wollen wir also Schnitzlers „Liebelei“ in den Kammerspielen
bringen, so muß Wiener Luft wehen, Wiener Blut gespürt werden,
in der lustig charmierenden Mundart der Wienerstadt geredet
werden, oder — halten zu Gnaden, Herr Direktor — wir lassen's
lieber.“
Leider sand zwischen Regisseur und Direktor diese Aussprache
nicht statt. Die Folge: zwei Drittel der Aufführung kamen nicht
über das Niveau der gewohnheitsmäßigen Provinzaufführung
hinaus, in der jeder Mime kontraktlich verpflichtet ist, sämtliche
Dialekte der Welt zu beherrschen. Nicht nur das: man legte die
Axt an die Wurzel des Stückes, man schied den Charme aus, die
fröhliche Leichtlebigkeit, die dem Stück und seinen Menschen die
versöhnende Note gibt, die Erklärung. Der ganze erste Akt, von
Schnitzler gesättigt mit echtem Wienertum, ging der Natur
meilenweit aus dem Wege und blieb nichts als geschraubte
Theaterspielerei. Man ließ selbst die Pointen unter den Tisch
fallen, in gerechter Trauer über den nicht aufzubringenden
Humor. Eugen Dumont hat sicherlich eine Entwickelung
vor sich. Weshalb wartet die Regie sie nicht ab? Als junger
Lebemann Fritz verfügte er nur über Jugend, und das genügt
nicht für die Rolle. Er hat ein hübsches Organ, aber er muß es
noch verwenden lernen, er hat eine hübsche Figur, aber
noch gehen und stehen lernen. Die Anfängerschaft sitzt ihm nocht
in den Knochen — das ist bei einem talentvollen Ansänger kein
Fehler — aber in den Kammerspielen darf sie nicht heimisch wer¬
den. Grete Berger als fesche, übersprudelnde Modistin
Mizi blieb die frische Grazie schuldig, die einer Grisette zur Ver¬
zeihung gereichen muß. Das war schlechtweg eine Grisette. Gott
verzeih's ihr. Alexander Eckert als zweiter junger Lebe¬
mann spielte einen sehr guten Leutnantstyp an Stelle des von
ihm verlangten Allerweltswieners. Sobald die Geschichte seriös
wurde, stand er auf der Bühne seinen Mann. Selbst Pagay,
der so oft die Fahne aus der Schlacht gerettet, kam über den
bürgerlichen Theatervater nicht hinaus. Das wundervolle
Menschentum des alten Orchestergeigers, den das Alter die Liebe
zum Frühling gelehrt, brach nicht in den tausend zitternden Re¬
flexen durch, die diese Gestalt umspielen. Albert Steinrück
nur gab als fremder, seine Ehre suchender Herr eine Vollnatur,
die Verkörperung einer eiskalten Wut, die heißer brennt als das
höllische Feuer. Und Lucie Höslich als „süßes Mädel“
Christine.... Die Süßigkeit versagte, das mädchenhafte Herbe
war in Unliebenswürdigkeit vertauscht, schon glaubte man auch
hier eine Enttäuschung zu erleben: da brach im letzten Akt ein
Weibsnaturell durch, das das lange Warten vergessen machte.
Eine Tragödin entstand aus dem gedrückten kleinen Mädel, und
ein Schrei kam bei der Erkenntnis vom Tode des Geliebten, der
nur mit ihr gespielt, über ihre Lippen, der durch Mark und Bein
ging, die Seelen aufrüttelte und ins Gewissen traf. Das war
ein künstlerischer Abschluß des Abends. Und trotzdem: ein paar
Einzelleistungen, ein paar hübsche Zimmerinterieurs genügen
nicht für „Kammerspiele“ wollen sie in der Theatergeschichte
Berlins mehr bedeuten als — ein Theater mehr.
Rudolf Herzoc
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ephon 12801.
SENS
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
4
Vertretungen
0 in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
0) Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
00
(Quelienangabe ohne Genähr.)
& Ausschnithfaue
ce Wiener lournal
E vom:
B907
„Besongurng der t
Berliner Premieren.
Die Eröffnung der Kammerspiele.
Berlin, 19. September. (Privat=Telegramm des
„Neuen Wiener Journal“.) Die Kammerspiele des
Deutschen Theaters nahmen heute Artur Schnitzlers
„Liebelei“ in ihr Repertoire auf und erzielten dälst eiten
außerordentlichen Erfolg. In der stimmungsvollen Regie Rudolf
Bernauers, die den wechselvollen Stimmungen des Stückes voll¬
ständig gerecht wurde, war die Wirkung eine erschütternde.
Namentlich Fräulein Höflich als Christine ergriff das Publikum.
Ein Debütant aus Wien, Eugen Dumont, führte sich sehr
gut ein. Von den übrigen Darstellern, die sämtlich. Ausge¬
zeichnetes boten, seien besonders Fräulein Grete Berger,
Herr und Frau Pagay und Herr Eckert hervorgehoben.
Im Neuen Theater gelangte heute das in ein¬
indisches Kleid gehüllte Stück „Javatrahe“ von Berstle
zur ersten Aufführung. Es behandelt die Liebe einer Prinzessin
zu einer Sklavin, aber in so öder und geschwätziger Weise, daß
das Publikum vollständig gelangweilt und unbeteiligt der Auf¬
besserte sich durch
führung folgte. Die Stimmung
das darauffolgende Stück „Liebe“ von Wied, einer
kleinen, leider etwas zu weit ausgesponnenen Satire auf
die Liebe. Um ein halbgebildetes Mädchen bewerben sich der
Dorftrottel und der Schwerenöter des Dorfes. Ersterer weiß
durch einen fingierten Selbstmord das Mädchen zu rühren, daß
es sich für ihn entscheidet. Die Darstellung war in beiden Stücken
eine vorzügliche, vermochte aber den ziemlich verlorenen Abeny
nicht zu retten.