II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 841

Liebelei
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lung kaum über das Niveau der Tageschronik sich er= Achtung vor ihrer Opferfreude, so is das ein dramatisches
bu.
Motiv von unerschöpflicher Schlagkraft. Bei Schnitzler
hebenden Geschichte lernt man Schnitzlers Besonderheiten,
die Vorzüge sednes Talents: Menschen zu schildern,
gewinnt es an sozialem Wert, weil ein Künstler, der das
vielleicht am besten kennen.
ter.
Leben wie ein Anatom, bis auf die Knochen studiert
Der Macher, der etwas ausklügelt und mit techni¬
hat, neben das schlichte Drama des Mädchens aus dem
iebelei“.)
scher Fertigkeit aufs Theater bringt, wird dem Durch¬
Volke die kleinen Vergnügungen der intelligenten Klasse
Rothauser.
schnittspublikum gewiß imponieren und Beifall abge¬
hinstellt. Diese witzigen, liebenswürdigen, rücksichtslosen
oundsoviel Jahren hat
winnen. Das Ausgefallene und Verdrehte wird die Leute
Plaisiers, hinter denen, wie ja auch hier, finstere Schick¬
die Bekanntschaft des
verblüffen, sie zur Bewunderung zwingen. Allein bis
salsdramen lungern. Und prächtige Gesellschaftsschilderung
sten Schriftstellers von
zu dem Punkte in unserem inneren Menschen, wo die
liegt teils in den Dingen, die man in „Liebelei“ zu
auch sagen: Neudeutsch¬
zarten und tiefen Empfindungen ihren Sitz haben,
sehen bekommt, teils in dem unsichtbaren, aber dennoch
en den Unterschied der
vor unserem geistigen Auge erscheinenden Hintergrund.
könnten. Aber Nord dringt die äußerliche Kunst eines gewandten Taschen¬
Wie alles in dieser einseitigen Gesellschaft nach Erotik
In der Absicht, rebellisch spielers nicht vor. Das ist den Dichtern vorbehalten.
hindrängt: Wie alles dem Augenblick möglichst viel
kihrung des Vorhabens Den wirklichen und auserwählten, die begabt sind mit
der Fähigkeit, dürres Holz zum Sprießen zu bringen
Genuß abringen will und nur bei dem Auftauchen
enheiten zutage. Und
und harten Alltagsmenschen Träuen in die Augen zu
irgend eines finsteren Mahners daran denkt, daß die
i die Wiener in Berlin
zaubern. Arthur Schnitzler ist solch ein Dichter. Er er¬
Sache des Preises nicht wert sei, der schließlich dafür zu
orddeutschen in Wien.
sinnt, erklügelt sich seine Stoffe nicht. Er nimmt sie.
bezahlen sein wird!
Bahr haben auf den
Von der Straße, aus irgend einem Winkel des Nachbar¬
In diesem scheinbar so unansehnlichen Stückchen ist
worben. Sie holen sich
i Erfolge aus Deutsch= hauses. Sie sind für jeden anderen unbrauchbar, wertlos,
die ganze Kunst des modernen Dramas niedergelegt.
kal die Erfindung, die abgegriffen, zu nichts Besserem gut, als wieder weg¬
Eine Kunst, die beobachtet, wahrnimmt, gestaltet, für
geworfen zu werden.
alte Dinge neue Formen findet, vor allem aber die
Seite der beiden Stil¬
Was fängt man in unserer sensationshungrigen Welt
Empfindungslaute, wenn möglich, sordiniert. Dämpfer
eute dort oben bestach,
mit einem Musikantentöchterlein, einer Putzmacherin und
sind natürlich nicht überall aufzusetzen. Wenn Christine
ie selber nicht besaßen:
zwei Lebejünglingen an? Das ist doch kein Bauholz für
Weiring im dritten Akte des Dramas erfährt, daß ihr
st. Bei Schnitzler findet
ein Drama mehr. In die Ecke damit! Und wenn die
Fritz im Duell gefallen sei, der Mann, dem sie alles
armonie vereint, durch
Nacht kommt, geht eine Poetenseele durchs Zimmer und
gegeben, für eine andere Frau, mit der ihn Leidenschaft
aus Leben im Werte
holt sich die abgenützten Figuren und gibt ihnen Glanz,
verbunden, — da ist natürlich das Säuseln und Mur¬
Direktor des National¬
Farbe, Leben. Und sie erheben sich, spielen uns ihr
meln nicht vorgeschrieben. Und Schnitzler ist ja über¬
eigenen modernen Ge¬
Dasein vor, ihre kleinen Freuden und ihre großen Leiden
haupt nicht der Mann, irgend einer aus dem Innersten
der Jahre nur wenig
und ihre Gestalten stehen mit einem Male mitten drinn
hervorbrechenden Empfindung den freien Lauf zu
der glänzenden Kar¬
in einer jener Tragödien, die ewig sind wie die Mensch¬
hemmen. Schon der Mediziner in ihm würde sich
lerdings nur mehr eine
heit selbst. In der Tragödie, die aus dem Spiel mit
sträuben, Dinge, die heraus müssen, zu unterdrücken.
Talent längst vorbei¬
Aber er hat die Art des echten Künstlers, den richtigen
ernsten Empfindungen wächst. Wenn die Liebe zu der
omplizierteren Aufgaben
Ausdruck für alles, das er an den Mann bringen will,
grausamen Enttäuschung erwacht, daß sie statt gleich
istit des Dichters ge¬
zu finden. Welche edle Milde des modernen Denkers und
Mängel der „Liebelei“. ehrlichem Gefühl nur frivoler Liebelei begegnet sei und
nlichen, in der Erzäh= für ihr Alles Richts empfangen habe, nicht einmal die Psychologen spricht doch aus dem alten Weiring, wenn
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