II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 842

Liebelei
5. Lres#Ie1 box 11/3
Für den Spielplan des Nationaltheaters ist ein
der Kabarettdiva,
er in der Erinnerung an seine Schwester, die alte
große Schauspieler
Werk Schnitzlers unter allen Umständen Zierde und Ge¬
Jungfer, sagt, er habe sie kniefällig um Verzeihung
heute schon als
winn. Seine Aufführung verrät die Absicht, das Inter¬
bitten müssen, weil er sie so herrlich vor allem Glück
Applaus freilich
esse des großen Publikums kräftiger anzuregen. Es ist
behütet habe! Wie viel Laune und echter Frohsinn
sungenen Liedchen
zumindest ein Anfang. Auch die äußeren Umstände
lichern durch die wienerisch gemütlichen Szenen in
Die Aufführu
waren danach, der Premiere von „Liebelei“ den Anstrich
Fritzens Junggesellenwohnung! Und welche Kunst der
allzu großer Grü
einer lokalen Sensation zu verleihen. Das Nationaltheater
Spannung baut auf dem hellen Grunde dieser Souper¬
„Stimmungen“ her
holte sich für die Darstellung der Hauptrolle eine junge
szene gleichsam im Nu ein Drama auf! Wie ausgelöscht
gen von Szenen,
Künstlerin direkt vom Kaborett. Man muß sie nicht erst
ist mit einem Male alles freundliche Licht und der
im zweiten Akte,
vorstellen. Die Kabaretts sind ja besser besucht als die
Frohsinn, der sich unmittelbar vorher auf der Bühne
möglich hinauskom
Theater. Und Vilma Medgyaßay galt als die ungarische
ausgetobt, ein bischen beduselt und rasch ausgeschlafen
tes Lampenfieber
Yvette Guilbert. Ihr künstlerischer Stammbaum reicht
hat, auch der ist fort und die Vorahnungen des kom¬
die Moderateurlan
übrigens weiter zurück. Bis in die Operette, wo sie mit
menden Endes legen sich wie schwarze Schleier auf
kleiner Stimme und großem Darstellungstalent allerlei
Ujhäzi vielleicht a
unsere Seelen. So stark ist der Dichter, daß er unserem
Unsinn entschuldigte. Auf dem Brettel bot sie noch mehr
donna seinen Auf
Optimismus nicht einmal die Chance einräumt, der
Illusion. Sie hatte eine Art des Gesangsvortrages, die
alten Weiring so
Zweikampf könne auch gut ausgehen. Er suggeriert uns
allerlei verborgene dramatische Schätze vermuten ließ.
wie er bei Schnitz
das Ende des Helden, ohne uns darüber aufzuklären,
Direktor Töth wollte diese Schätze heben. Und heute
sorgten Herr Dezs
ob er Fritz als Schuldigen zum Tode verurteilt oder
spielte die Künstlerin die Christine Weiring. Das weiche,
langender Laune
nur darum beseitigt hat, weil das im Leben bisweilen
empfindsame, hingebende, vertrauensvolle Wiener Mädel,
Grisettenkeckheit als
gleichfalls so kommt. Das dunkle, quälende Vorgefühl
des Fritz Lobhe
diese passive Heldin, die in ihrer unendlichen Liebe auf¬
des Jungen freilich, das läßt vermuten, daß der Dichter
Odry ist immer n
geht und an ihrer Leidenschaft untergeht. Als Rolle nicht
in ehrlicher, sittlicher Wallung den Verhältnissen solcher
allzu dankbar, weil es keine Künste zu zeigen, nur wenige
Ein sehr nützliche
Art seine Protektion versagt. Er schreit sich in keinerlei
Töne anzuschlagen gibt. Die aber müssen rein ungen.
tiger Persönlichkeit
Entrüstung hinein, überläßt das Moralisieren mit kost¬
Zwei Akte lang laviert das Mädel zwischen allerlei stär¬
den harten, scharf
barer Laune der Frau Binder, die ihre Jugend auch
keren Strömungen, zum Schlusse erst gewinnt das hüb¬
Stück die einzige
nicht vertrödelt hat. Ueberhaupt ein merkwürdiger Dichter.
sche Puppengesicht Charakter. Zu Bravourleistungen fehlt
wiesen ist. Jedes
Protzt nicht mit seiner Subjektivität, hält sich gar nicht
die Gelegenheit, aber Anlässe: rein Menschliches durch¬
Fallbeil und solle
in dem Stücke auf, doziert nicht, läßt die Leute reden,
schimmern, schließlich hell aufleuchten zu lassen, sind vor¬
det sein, so muß
wie uns der Schnabel gewachsen ist. Nur die im zweiten
handen. Gleichwie es in der Natur keine Sprünge gibt,
Illusion gewähren
Akte sich ausbreitende Sentimentalität, die allerdings
so geschehen auch auf dem Theater keine Wunder. Uns
Frau Keczeri recht
mit zum wienerischen Naturell gehört, wirkt heute bereits
genügt es vollständig, daß die debütierende Künstlerin
etwas abspannend. Wie ein laues Bad zur Sommerszeit.
die Umrisse ihrer Rolle tadellos sehen ließ, daß man
sicher gewinnen.
Die meisterliche Herausarbeitung der Katastrophe macht
ihr die Rolle aus den beredten Augen lesen konnte. Das
Werke eine sehr
dann alles wieder gut. Man glaubt wieder an die
Wort kommt noch ein wenig zu kurz. Im dritten Akte,
wesenden Dichter
Modernität des Dichters und freut sich seiner als einer
wo das arme süße Mädel in seiner namenlosen Ver¬
allen Aktschlüssen
der wenigen wahrhaft bedeutenden Erscheinungen, die
der Weltliteratur durch die neueren Strömungen zuge= zweiflung aus sich herausfährt, gab es auch eine starke
Abschlagszahlung auf die Zukunft. Uebers Jahr kann aus;
führt wurden.