II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 891

5. Liebelei
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„Liebelei“ von Schnitzler, „Der zer¬
brochen— Kleist.
Nach mehrjähriger Pause brachte unsere
Bühnenleitung wieder einmal die erste und wir¬
kungsvollste dramatische Arbeit Arthur Schnitz¬
lers „Liebelei“ auf die Bühne. Es war einer
der seltenen Premieren=Abende im Abonnement,
bei welchen erfahrungsgemäß die Stimmung
immer um einige Grade wärmer ist, wie bei
dem eigentlichen Premieren=Publikum. Aber
auch dieses wäre bei einer Darstellung der Chri¬
stine, wie wir sie gestern sahen, warm gewor¬
den. Hatte das im Vormonate aufgeführte
Schauspiel „Die fremde Frau“ des Franzosen
Bisson dem Fräulein von Effner Gelegen¬
heit gegeben, das Gefühlsleben einer vom ge¬
raden Lebenswege abgeirrten, unglücklichen Frau
in künstlerisch geradezu vollendeter Weise zum
Ausdruck zu bringen, so wurde es der schätzens¬
werten Künstlerin gestern in dem Schnitzlert.
schen Schauspiele „Liebelei“ ermöglicht, dem Pu¬
blikum dieses Trauerspiel eines Mädchens, das
sich ganz gegeben und dafür die Liebe des von
ihr vergötterten Mannes eingetauscht zu ha¬
ben glaubt, durch die Tötung des Geliebten
im Duell aber erfahren muß, daß es ihm nur
eine Liebelei war, in wirklich ergreifender Weise
vor Augen zu führen. Fräulein von Effner
gehört zu jenen echten Künstlerinnen, welche
die Handlung des Stückes bei jeder Aufführung
mitleben und nicht nur selbst in ihrer Rolle
aufgehen, sondern auch das Publikum in deren
Bannkreis ziehen. Kein Wunder daher, wenn
diese hochbegabte Schauspielerin auch gestern
wieder, insbesondere nach der brillant durch¬
geführten Schlußszene durch rauschenden, sich
immer wieder erneuernden Beifall ausgezeich¬
net wurde.
Ganz vorzüglich traf auch Fräulein Rob¬
ba als Mizzi Schlager den Ton des „süsten
Mädels“ und trug dadurch zur Belebung der
Szene ganz hervorragend bei.
Herr Kunst in der Rolle des Hans Wei¬
ring und Herr Flemming als Fritz Lob¬
heimer boten sehr anerkennenswerte Leistungen,
auch Herr Strahl wußte den leichtlebigen.
Theodor Kaiser recht wirksam darzustellen bie¬
zur Schlußszene, in der er als Totenvogel
erscheint; da konnte er den geborenen Komi¬
ker nicht verleugnen und wirkte in Haltung
und Miene auf die Lachmuskeln geradezu auf¬
reizend.
Der etwas längliche Einakter „Derzer¬
brochene Krug“ von Kleist, der dem Schau¬
spiele nachfolgte, wirkte dadurch, daß er nach¬
felgte, wie auch durch die ein wenig gezwun¬
gene Komik des Richters Adam ermüdend. Herr
Lübau, sonst eine sehr schätzenswerte Kraft
unseres Schauspielensembles, gab sich ja auch
gestern sichtlich alle Mühe, aus dem Richter
Adam etwas zu machen, aber es wollte ihm
doch nicht so recht gelingen, über das Durch¬
schnittsmaß derartiger Adams hinauszukom¬
men, obwohl gerade die Figur dieses komischen
Hallunken hervorragendste Schauspielgrößen zu
ihrer Ausgestaltung als Glanzrolle aneiferte¬
Gestern sah man wohl die Rolle, aber der
Glanz fehlte. Recht resolut gab Frau Becker
die Bäuerin Martha und auch Herr Flem¬
ming stellte den jungen Bauernburschen Rup¬
recht flott und lebensfrisch auf die Bühne. Al¬
lerliebst war Fräulein Jalda als Evchen.
Herr Burian als Schreiber Licht und Herr
Eghart als Gerichtsrat Walter vervollstän¬
digten das Ensemble in zufriedenstellendster
Weise. Der Diener des Gerichtsrates steckte
in einer furchtbar modernen Livrée; der dama¬
lige Gerichtsschneider muß ein Prophet auf
dem Gebiete der Bekleidungskunst gewesen sein.
Bgst.