II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 930

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(Quellenasgabe chno Gewähr).
Ausschnitt
Meineine Musik-Zeitung
vom 23 2. 1910 Berlin
Uraufführung von Neumann „Schnitzlers
„Liebelei“ im Frankfurter Opernhaus.
Besprochen von Theo Schäfer.
Noch bevor die Gastspiele der Akté und Carusos der nach
den Sommerferien begonnenen Saison ihren Glanz verleihen,
brachte die Frankfurter Oper Sonntag, den 18. d. M., eine er¬
folgreiche Uraufführung, die in mehr als einer Hinsicht das In¬
#teresse der Frankfurter, der Wiener und weiterer Kreise be¬
ansbrucht. Es handelt sich um eine wortgetreue, mit wenig
Strichen das Original beibehaltende Vertonung des Schau¬
spiels „Liebelei“, des besten und meistaufgeführten
Stückes von Arthur Schnitzler, dem bedeutenden, ja typi¬
schen Wiener Autor, an die sich Franz Neumann, seit Jah¬
ren unser zweiter Operndirigent und gleichfalls Wiener von
Geburt, gewagt hat. Das glänzende Vorbild zu der wortge¬
treuen Komposition eines Schauspiels von literarischem Werte
nach Richard Strauß mit Oskar Wildes „Salome“ und der
„Elektra“ des Hugo von Hofmannsthal gegeben haben. Ein
erster Künstler konnte hier neue Wege zu musikalisch-natürli¬
cher Diktion finden, ohne den Umweg über Pathos und Manier
machen zu müssen, bei dem ihm nur schlechte und unnatürliche
Textbücher zu Steinen werden konnten, über die er stolperte.
Und heutzutage hat sich der Geschmack dem Textbuch gegen¬
über Gott sei Dank zum besseren gewandelt. Da war es ein
guter Gedanke, gleich zu einem richtigen, nicht nur geschickt,
sondern geradezu vorbildlich geschriebenen und modern emp¬
fundenen Schauspiel zu greifen. Es war der Griff einer schaf¬
fensfrohen Jugend, den Franz Neumann wagte. Er machte ihn
mit großem dramatischen Geschick, mit einem gewissen Erfin¬
dungs-Temperament und mit wenig Fehlern. Und der Erfolg
war auf seiner und Schnitzlers Seite zu gleichen Teilen.
Das Schauspiel ist bekannt genug. Das war schol ein
Vorzug. Neumann springt gleich medias in res. Mit frischem
Plauderton, der in Johann Strauß, Puccini und d’Albert seine
stilistischen Vorbilder hat, beginnt er den lebhaften, brillant
exponierten ersten Akt in der Wohnung des leichtlebigen, jetzt
aber durch das Verhältnis mit einer verhcirateten Dame be¬
drückten Lebejünglings Fritz: sein Freund Theodor, die zu
einem lustigen Souper geladenen lieben Wiener Mädels Mizi.
die fidele, und Christine, die sentimentale, sind treffend cha¬
rakterisiert durch leicht eingängliche Motive. Lustige Inter¬
mezzi, die Einlage eines Volkslieds aus dem „Locheimer Lie¬
derbuch“, von Christine gesungen, lösen sich ab, alles mit
leichter Hand sicher gestaltet, ein lebhafter, echt wienerischer
Walzer setzt ein, es wird getanzt,
— da gellt die Vorplatz¬
klingel, der „Herr“ erscheint, der sein Recht fordert vom Lieb¬
haber seiner Frau. Dramatische Akzente, mit denen der Ab¬
schied von den Mädels ahnungsbang und -drohend abschließt.
Weich und träumerisch beginnt der zweite Akt. In linden
Wellen strömt die Wiener Sonnenluft durchs Fenster von
Christinens Wohnzimmer. Die klatschsüchtige Nachbarin gibt
kräftig karrikierten Gegensatz zu der Sentimentalität des in
ihrer Liebe aufgehenden Mädchens und des treuherzigen Va¬
ters. Ein ernstes, wenn auch nicht gerade originelles, auf
Dreiklangstönen gründendes Liebesmotiv erwacht. Fritz
kommt, und nach den natürlichen Linien des einleitenden Ge¬
sprächs, das selbst gewagte Prosaismen geschickt unterbringt,
felgt eine fesselnde Liebesszene, deren Höhepunkte ein wenig
an Tschaikowsky und Richard Strauß („Feuersnot“) gemahnen.
Der letzte Akt beginnt, wohl um den Uebergang zum Tragi¬
schen vorzubereiten, mit einem längeren Vorspiel, das leider
besser gemeint als geraten ist. Es ist nicht recht organisch
und leidet an Kurzatmigkeiten, die ihren Zweck verfehlen. In
der Folge verzichtet der Komponist auch leider darauf, das
schöne, zart aufblickende Motiv, das bei Christinens Auftritt im
ersten Akt erklang. zu verwerten und kehrt auch wenig auf
jenes zuvor berührte Liebesmotiv zurück. Der tragische Ton
geljßigt ihm nicht so ganz. Der naturalistische, neu-italienische
Fupco-Stil nimmt ihn hier gefangen. Im Schauspiel wirkt die¬
scy letzte Akt weitaus erschütternder, bedeutender. Das Ganze
schlicßt mit dem dramatischen Rache-Motiv des Gatten, der
Ehristine im Duell ihren Fritz genommen, anstatt sich dem
Schicksal des armen Kindes zu vertrauen, dessen Seele doch
hier am meisten verwundet und der tragischen Ende des
Stückes entgegengetrieben wird.
Doch, wie dem auch sei. — Franz Neumann hat gleichwohl
ein achtunggebietendes Werk geschaffen. Es ist keine Kapell¬
meistermusik, was er bietet. Mit großem Geschick und leben¬
digem Nachempfinden hat er die Worte, die Schnitzlers feinfüh¬
Tig-psychologische Prosa gewählt hat, widergespiegelt mit
einem künstlerischen Temperament, das alle Vorzüge des mu¬
sikalischen Wieners für sich hat. Seine Instrumentation ist
ausgezeichnet, vielfarbig und abwechslungsreich. Sie klingt
durchweg und stets schön, mitunter berückend klangreich und
sinnlich. Seine Oper, deren Partitur und Klavierauszug bei
Schott in Mainz erschienen ist, wird überall großen Erfolg ha¬
ben, wo sie, wie hier an seiner Wirkungsstätte, mit Liebe und
lebendig wiedergegeben wird. Vor allem unser treffliches Or¬
chester gab. unter Dr. Rottenbergs umsichtig-rühriger, be¬
lebender Leitung, sein Bestes. Auf der Bühne sah man stim¬
mungsvolle Interieurs, die der Intendant als Regieführer her¬
vorgezaubert hatte. Für die Christine hatte Fräulein Sellin
ihr für solche Aufgaben besonders geeignetes Können einge¬
setzt. Sie wirkte eindringlich im Spiel und fand ergreifende
Töne. Für den Fritz war Herr Gentner mit seinem frischen
Tenor und temperamentvollem Spiel der richtige Interpret.
Das heitere Gegenpaar der beiden schufen Fräulein Donin¬
ger und Herr Breitenfeld mit bestem Gelingen. In den
Nebenrollen waren die Herren Schneider und Braun, so¬
wie Frau Wellig an rechter Stelle. An Hervorrufen war
kein Mangel. Schon nach dem ersten Akt konnte der Kompo¬
nist sich mit den Darstellern mehrmals zeigen; nach dem zwei¬
ten gab es Kranzspenden, und der Applaus, den das vollbesetzte
Haus bot, war noch stärker; am Schluß erschienen neben Neu¬
mann und den Hauptdarstellern auch Arthur Schnitzler — leb¬
haft begrüßt, — ferner der Intendant und Herr Dr. Rottenberg
wiederholt auf der Szene.
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