II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 929

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FRANKFURT a MALN
Trutz 43.
Telephon B.
Kleine ChroniK. (XXX. Jahrgang.)
Telegramm-Adresse!
Finanshereid.
nkfurt am Main, Freitag, 23. September
1910.
führte die Regie. Ein besonders schönes Bild
sie dem Tonfall der Sprache folgen und braucht
gab der Burghof des ersten Aktes. J. M.
dem Wort niemals Gewalt an zu tun, wie
Puccini, der den Husten seiner Mimi in auf¬
Oper.
Schnitzler-Neumann: Liebelei.
geblasenen Arien besingen lässt. Wenn auch der

grossen Menge einstweilen die Vertonung allzu
Die neuzeitliche Opernliteratur ist um ein
ns-
prosaischer Konversationsphrasen Anlass zu Aus¬
lebenskräftiges Werk bereichert worden und wir
ster
stellungen gibt, muss man doch den Mut und
Ge¬
Frankfurter sind dabei gewesch. Der ausser¬
den Takt anerkennen, mit dem Neumann diese
rtejordentliche Erfolg von Franz Neumanns Liebelei
heiklen Stellen gelöst hat. Dem Orchester liegt
wird hoffentlich zeigen, dass mah auch von der
ler¬
sowohl die Untermang der Dialogs als in erster
vielgeschmähten „Provinz“ aus Deutschlands
gen
Linie die Schilderung der reichen Gefühlswelt
Schaubühnen erobern kann, wein sie der fort¬
V0
schreitenden Jugend den Weg in die Oeffentlich-Pob, die Neumann in melodischem Flusse und bei
keit bahnt. Um einen künstlerischen Fortschrift faller Eigenart nie Fatravaganter Harmonik er¬
rilht
handelt es sich aber auch bei dem Werke unseres 1 blühen lässt. Sobald auch auf der Bühne der
Konversationsstil dem sentimentalen oder drama¬
beliebten Kapellmeisters. Schon die Behandlung
tischen Pathos Platz macht, vereinen sich die
des Orchesters und die Frische der musikalischen
Singstimmen mit den Instrumenten zu charakteri¬
Erfindung heben es weit über das Niveau der
stischen Motiven. Man könnte sagen, durch den
„Kapellmeistermusik“ in die Sphäre eines aus
telm
Alltag des Sprechgesanges bricht sich die Poesie
innerer Notwendigkeit geschaffenen gediegenen
Bahn. Den Handelnden tritt das Herz in den
Kunstwerks. Das kann um so freudiger aner¬
der
Mund und sie singen in der wahren Stimme
kannt werden, als „Liebelei“ erst Neumanns
des¬
des Gefühls, d. h. mit dem Orchester in melo¬
dritte Oper ist, sodass von diesem bedeut¬
disch-musikalischen Formen.
Hei¬
samen Ausgangspunkte eine erfolgreiche Ent¬
unge
Der erste Akt der „Liebelei“ bietet neben
wicklung zu erwarten stcht. Das eigene Neue
lahm
Unklängen von prickelnden Walzerweisen und
in den musikalischen Ausdrucksformen,
das
ück¬
Neumann neben der
anheimelnden Wiener - Leichtsinn - Motiven
virtucsen und doch
inst,
einen lyrischen Ruhepunkt in dem schlich¬
diskreten Beherrschung der modernen musikali¬
ten
doppelt
und
darum
unft
wirksamen
schen Machtmittel bringt, ist die Lösung des
Lied
der Christine.
haft
Er findet seinen
Verhältnisses zwischen Ton und Wort. Wagner,
Höhepunkt in der dramatisch bedeutenden, im
inne
als der Erste die Forderung der Einheit von
1er
Grade der Steigerung vielleicht sogar etwas
Musik und Dichtung in die Praxis umsetzend,
übernommenen Forderungsszene, die durch ein
icht Ischuf Text und Ton gleichzeitig. Ihm sind viele
in
rhytmisch ungemein packendes Unheilmotiv vor¬
neuzeitliche Komponisten gefolgt, ohne die Voll¬
bereitet ist. Nach diesem in der Hauptsache den
der Tkommenheit des Meisters zu erreichen, für den
Stil einer modernen ###schen Oper verkörpern¬
en“ Jzwischen Sprache und Musik dieselbe automati¬
den Auftakt steigert sich der zweite Akt in dem
enn I'sche Verbindung bestand, wie sie für den ge¬
gemütvollen Heim des Geigers Weyring zu lei¬
Vor-Twöhnlichen Sterblichen Gedanke und Wort ver¬
denschaftlicher Liebeslyrik, steigert vielleicht
auf [bindet. Nach den ersten Misserfolgen verzichtete
etwas zu stark. Denn nach dem in den Details
irde, denn auch das komponierende Deutschland auf
prächtig gearbeiteten Zwischenspiel (Duell und
des Iden dichterischen Lorbeer. Aber die Schickaneder
Tod Fritzens), das um zu ergreifen geschlosse¬
inge- Iund Daponte blieben endgültig von der Bühne
anze verbannt. Der Librettist ist tot, es lebe der iner gegliedert, ökonomischer gesteigert sein
müsste, bewegt sich derndritte Akt zu sehr auf
ängt Ikongeniale Dichter! Mit der selbständigen Be¬
einem Gefühlsniveau, als“dass er noch ein Mehr
jenes deutung des Opernbuches wächst nun auch die
bringen könnte. Es mag daran auch der Umstand
des Schwierigkeit einen Dichter zu finden, dessen
Sghuld sein, dass wohl keine Sängerin nach dem
einer! Werke dem Komponisten so sehr aus der Seele
anstrengenden ersten Akte Kraft zu einer reali¬
tslos Igeschrieben ist, dass dieser seiner Individualität
stischen Gestaltung leidenschaftlicher Verzweif¬
ent-Inur geringen Zwang anzutun braucht, um den
lung behält. So bietet der letzte Akt wohl einen
Not-[musikalischen Gedanken dem dichterischen an¬
würdigen ergreifenden Ausklang, nicht aber einen
kstejzupassen. Neumann fühlte sich von dem
wuchtigen abschliessenden Höhepunkt.
Ab-wienerischen Milieu, dem tiefen Stimmungsge¬
eber Thalt der Schnitzlerschen „Liebelei“ so stark an¬
Die Wiedergabe der Oper war unter der fein¬
urch gezogen, dass er dies abgeschlossene Drama.
sinnigen Leitung des Herrn Dr. Rottenberg
ge-Idem Beispiele Straussens folgend, Wort für Wort
eine ganz vorzügliche. Am rechten Orte stand
er¬
vertonte. Während sich aber bei dem Komponi¬
vor allem Frl. Sellin, die weder an Süsse der
des Isten der Wildeschen und Hoffmannsthalschen
Stimme, noch an rührender Mädchenhaftigkeit
auchMuse die gehobene, blumige Sprache den geläu¬
der dankbaren Rolle Christinens etwas schuldig
tlich!figen musikalischen Formen noch leidlich an¬
blieb. Stimmlich glänzend disponiert bewältigte
Er- Pschmiegt, komponierte er ein in naturalistischer
Herr Gentner die heikelsten Stellen der
Ge-!Prosa abgefasstes Drama. Zu diesem Ende
Tenorpartie, und deren sind nicht wenige, dank
vor Imusste er die letzte Folgerung aus der Entwick¬
seiner Kunst der Stimmbehandlung, sodass man
vor-lung des VVerhältnisses von Ton und Wort ziehen,
sich weder der physischen, noch der musikalisch¬
wohllsich gewissermassen einen neuen Stil schaffen.
geistigen Anstrengungen bewusst wurde, die ihm
hoß
Trotzdem wir von einem modernen Tonsetzer
wie allen Mitwirkenden Vorbereitung und Aus¬
Lei¬
nicht geneigt sind, anzunehmen, dass er sich
führung des Werkese bereiteten. Anerkannt
ache
einzig und allein von seinem dichterischen Vor¬
soll auch werden, dass er sich darstellerisch bei
ter
wurf, mag er noch so bedeutend sein, in eine
der Gestaltung der seinem Stimmtimbre sehr zu¬
g
neue Bahn drängen lässt, werden wir die in der
sagenden Gestalt mit feinem Takt stets im
rn.
Liebelei geführte Tonsprache doch wohl kaum
Rahmen des Konversationsstückes hielt, wie ihm
en
restlos als Neumanns musikalisches Glaubensbe¬
überhaupt aufdringliche Tenormanieren fremd
H.
kenntnis ansprechen und demgemäss würdigen
sind. Ganz prächtig wirkte mit seinem weichen
us¬
dürfen. Immerhin kennzeichnet sie die starke
Organ Herr Schneider als Weyring, in Maske
Zru¬
Eigenart des jungen Komponisten hinreichend,
und Auffassung vielleicht die abgerundetste Lei¬
nste
um zu beweisen, dass er nicht nur ein virtuoser
stung des Abends. Das muntere Paar Breiten¬
und
Musiker sondern auch ein ernster Denker ist,
feld-Doninger hätte man sich kaum besser
Drach.
dem neben der genialen Intuition die geistige
wünschen können. Die Interpretation der vom
S war
Durchdringung der Form und des Stoffes eigen
Komponisten sehr lustig charakterisierten Klatsch¬
lie ans
ist, ohne dass er sein Werk zum Schaden der
base durch Frau Wellig könnte einige Dämpf¬
b Kind
Wirksamkeit mit technischem Ballast beschwert.1ungen vertragen. Der Intendant hatte für
lzvollem
Um zwischen dem Realismus der Sprache und keine geschmackvolle Inszenierung gesorgt. Der
licht, nur
dem stets idealisierenden Ausdruck der Musik
enthusiastische Beifall forderte neben dem Kom¬
Ezähmter
die Brücke zu schlagen, löst Neumann die Be-Iponisten, dem Leiter und den Darstellern mit
& Herren
handlung der Singstimme vom Orchester los. Recht auch Schnitzler vor di Rampe.
FHeinel Er gibt ihr eine eigenartige Linienführung, lässt!
B. F. G.