Liebelei
5. Mn Mine.
box 11/5
No. 39. 28. September 10. SIGNALE
——
Keeeen
Musikbriefe
aus
München und Frankfurt a. M.
Als Dank für die fast überreichlichen Gaben der Franzosen
München,
hatte man im Hoftheater Benvenuto Cellini und im Prinz¬
Festvorstellungen.
man regenten-Theater Elektra angesetzt, um jedoch mit beiden
Vorstellungen zu zeigen, dass es im Hoftheater trotz krampfhafter Anstrengung
zu einer Festveranstaltung, die Münchens Ruhm im Auslande hätte festgen
können, doch nicht gana reicht. Die französischen Gäste mussten sich an der
prächtig gespielten Ouverture und an Mottl als deuischen Berlioz-Vertreter
Schadlos halten, zumal der -Gamn“ für Paris eine Seitenheit bedeutet. Die
Aufführung selbst war mässige Alltagsware. Eine unpersönliche Theresa war
Frl. Krait und im Spiel und Ton kein Held gab Günther Braun seinen
Cellini. Einen Lichtpunkt bot in der Hosenrolle des Askanio Frl. Kuhn¬
Brunner, die ohne Uebertreibung durch ihre mehr soubrettenhafte Ausarbeitung
diese konventionelle Partie lebendig gestaltete. D'as sich wohl die von der
Opéra Comique her verwöhnten Franzosen bei der schelmenhaften Regie und der
ledernen Balletthopserei gedacht haben mögen? — Nachhaltender klang, der
höfliche Beifall bei Straussens Elektra mit Frl. Fassbenders genialer Ver¬
körperung der Titelrolle und mit Fr. Bahr Mildenburg (Klytämnestra), die
als dämonisch-fluchbeladenes Geschöpf auch noch einen Zug vergrämter
Weiblichkeit zum Ausdruck brachte und dadurch die Tragik der Rolle bedeutend
erhöhte. Trotz Mottl und Hoforchester wurden den Franzosen keine besonders
festlichen Dinge geboten, zudem hätte man „Beatrice“ oder „die Trojaner“ in
Frage ziehen können; Pelleas und Melisande auf deutscher Bühne wäre den
Gästen sicherlich auch ein Ereignis gewesen und erst „Samson und Dalila, zu¬
mal der auwesende Saint-Saëns nicht weit zum Dirigenten-Palt gehabt hätte.
F. K.
Uraufführung der Oper „Liebelei“, komponieft von
Frankfurt a. M.
Franz Neumann nach dem gleichnamigen Schauspiel
23. Sept.
von Axfhur Schplzler.
Jetzt hat auch den Pienter Arthur Schnitzler sein Schicksal, dem kein
moderner Dichter mehr entgehen kann, erreicht. Ein Komponist hat sich
meuchlings auf ihn geworfen, sein Schauspiel „Liebelei“ zum Operntext „er¬
hobe.“ und es mit Haut und Haaren vertont, oder wie man sagt „unter Musik“
gesetzt. Es ist dem Stück aber noch verhältnismässig gut bekommen, es hat
sogar eine Art musikalische Wiedergeburt gefeiert; denn wenn man ein Schauspiel
satt hat, kann man es als Oper immer noch geniessen. Also Verdoppelung der
oft so kurzen Unsterblichkeit für Poeten! Der Täter war Franz Neumann,
dessen Sünden wider den heiligen literarischen Geist man aber volle Absolution
erteilen musste, nachdem man die Oper vernommen hatte. Das war wirklich
eine Ueberraschung. Wenigstens für die Frankfurter, die Franz Neumann nur
als zweiten Kapellmeister des Opernhauses kannten, die ihn als schneidigen
Operettendirigenten schätzten, oder, wenn es Backfische waren, anhimmelten, die
von ihrem Neumann aber höchstens ein anständiges Ballet oder im besten alle
eine unanständige Operette erwartet hätten.
Jetzt hat er sich als ein bedeutender, ernst zu nehmender Opernkomponist
entpuppt und einen Riesenerfolg bei der Uraufführung seiner „Liebelei“ ein¬
geheimst, der auch ohne die lokalen Sympathien kaum weniger stark ausgefallen
5. Mn Mine.
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No. 39. 28. September 10. SIGNALE
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Keeeen
Musikbriefe
aus
München und Frankfurt a. M.
Als Dank für die fast überreichlichen Gaben der Franzosen
München,
hatte man im Hoftheater Benvenuto Cellini und im Prinz¬
Festvorstellungen.
man regenten-Theater Elektra angesetzt, um jedoch mit beiden
Vorstellungen zu zeigen, dass es im Hoftheater trotz krampfhafter Anstrengung
zu einer Festveranstaltung, die Münchens Ruhm im Auslande hätte festgen
können, doch nicht gana reicht. Die französischen Gäste mussten sich an der
prächtig gespielten Ouverture und an Mottl als deuischen Berlioz-Vertreter
Schadlos halten, zumal der -Gamn“ für Paris eine Seitenheit bedeutet. Die
Aufführung selbst war mässige Alltagsware. Eine unpersönliche Theresa war
Frl. Krait und im Spiel und Ton kein Held gab Günther Braun seinen
Cellini. Einen Lichtpunkt bot in der Hosenrolle des Askanio Frl. Kuhn¬
Brunner, die ohne Uebertreibung durch ihre mehr soubrettenhafte Ausarbeitung
diese konventionelle Partie lebendig gestaltete. D'as sich wohl die von der
Opéra Comique her verwöhnten Franzosen bei der schelmenhaften Regie und der
ledernen Balletthopserei gedacht haben mögen? — Nachhaltender klang, der
höfliche Beifall bei Straussens Elektra mit Frl. Fassbenders genialer Ver¬
körperung der Titelrolle und mit Fr. Bahr Mildenburg (Klytämnestra), die
als dämonisch-fluchbeladenes Geschöpf auch noch einen Zug vergrämter
Weiblichkeit zum Ausdruck brachte und dadurch die Tragik der Rolle bedeutend
erhöhte. Trotz Mottl und Hoforchester wurden den Franzosen keine besonders
festlichen Dinge geboten, zudem hätte man „Beatrice“ oder „die Trojaner“ in
Frage ziehen können; Pelleas und Melisande auf deutscher Bühne wäre den
Gästen sicherlich auch ein Ereignis gewesen und erst „Samson und Dalila, zu¬
mal der auwesende Saint-Saëns nicht weit zum Dirigenten-Palt gehabt hätte.
F. K.
Uraufführung der Oper „Liebelei“, komponieft von
Frankfurt a. M.
Franz Neumann nach dem gleichnamigen Schauspiel
23. Sept.
von Axfhur Schplzler.
Jetzt hat auch den Pienter Arthur Schnitzler sein Schicksal, dem kein
moderner Dichter mehr entgehen kann, erreicht. Ein Komponist hat sich
meuchlings auf ihn geworfen, sein Schauspiel „Liebelei“ zum Operntext „er¬
hobe.“ und es mit Haut und Haaren vertont, oder wie man sagt „unter Musik“
gesetzt. Es ist dem Stück aber noch verhältnismässig gut bekommen, es hat
sogar eine Art musikalische Wiedergeburt gefeiert; denn wenn man ein Schauspiel
satt hat, kann man es als Oper immer noch geniessen. Also Verdoppelung der
oft so kurzen Unsterblichkeit für Poeten! Der Täter war Franz Neumann,
dessen Sünden wider den heiligen literarischen Geist man aber volle Absolution
erteilen musste, nachdem man die Oper vernommen hatte. Das war wirklich
eine Ueberraschung. Wenigstens für die Frankfurter, die Franz Neumann nur
als zweiten Kapellmeister des Opernhauses kannten, die ihn als schneidigen
Operettendirigenten schätzten, oder, wenn es Backfische waren, anhimmelten, die
von ihrem Neumann aber höchstens ein anständiges Ballet oder im besten alle
eine unanständige Operette erwartet hätten.
Jetzt hat er sich als ein bedeutender, ernst zu nehmender Opernkomponist
entpuppt und einen Riesenerfolg bei der Uraufführung seiner „Liebelei“ ein¬
geheimst, der auch ohne die lokalen Sympathien kaum weniger stark ausgefallen