5. Liebelei
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Telephon 12.7
UDSLRTER
1 österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitangs-Ausscheitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christlanis.
Oenk, Kopenhagen, Londen, Madrid, Mailand, Minneapolls,
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petere¬
burg, Toronto.
Gedlaurte. L.
Ausschnitt aus:
Die Musik, Berlin
vomn
atein Chlahar
LLLe
r auf bekker
ERANKFURT a. M.: Am Textbuch kranken
die meisten Opern der älteren und neueren
Zeit. Längst hat man diesen Mangel erkannt,
besonders als man zu fühlen begann, daß es
nicht mehr genügt, Worte singen zu lassen, die
zu dumm sind, um gesprochen zu werden.
Wagner und andere schrieben sich dann selbst
die Textdichtung, in dem künstlerischen Em¬
pfinden, daß Wort und Ton nach Möglichkeit
eines Geistes sein müssen. Doch da in unseren
Tagen nicht jeder Dichter ist, der Tondichter
sein möchte, hat man endlich mit dem poetischen
Gewissen der Zeit den Ausweg gefunden, bereits
vorliegende, literarisch wertvolle Texte als Opern
zu komponieren. Zu Debussy und Strauß gesellt
sich Franz Neumann, seit mehreren Jahren
zweiter Kapellmeister der Frankfurter Oper,
mit der Oper „Liebelei“ nach dem gleich¬
namigen Schauspiel von Arthur Schnitzler,
die am 18. September ihre Uraufführunger¬
lebte und einen großen, unbestrittenen Erfolg
davontrug. Es war ein guter Gedanke Neu¬
manns, der wie Schnitzler auch Wiener von
Geburt ist, daß er nach diesem ausgezeichneten
Stück griff. Den wienerischen Lokalton traf er
von vornherein. Für den Konversationsstil, in
dem er in der Hauptsache schreiben mußte,
gab es wohl Vorbilder; sie sin; hier mindestenst
erreicht, wenn nicht gar übertroffen durch die
Natürlichkeit der Diktion, durch die Frische der
Deklamation. Was die Erfindung im allgemeinen
betrifft, so finden sich einige gut getroffene
charakteristische Motive, die aber noch mehr
Verarbeitung und Vertiefung erfahren könnten.
Der Komponist hat das ganze Schauspiel in
jeder Einzelheit widerzuspiegeln gewußt; er
schöpft nur aus dem Geist der Dichtung, wenn
er im ersten Akt lebendig schildert, die lustige
Stimmung des Soupers der Freunde mit den
beiden lieben Mädeln aufglühen läßt, den Auf¬
tritt des beleidigten Ehegatten dramatisch ge¬
staltet, dann im zweiten Aufzug stets nach Mög¬
lichkeit der weichen Lyrik Raum läßt und die
Liebesseligkeit von Fritz und Christine in
reichen Farben schildert, wobei er ein allerdings
etwas billiges und wenig originelles Motiv ver¬
wendet. Jede Gelegenheit zum Ausspinnen
längerer melodischer Phrasen und Stimmungs¬
#malereien wird verwertet und das volle Or¬
chester zur Schilderung der seelischen Höhe¬
punkte herangezogen. Doch er findet in der
Folge leider keine Töne psychologischer Ver¬
Stiefung für die Heldin, was besonders im letzten
Akt empfindlich fühlbar wird. Er beginnt ihn
Emit einem längeren Vorspiel, das wohl den
Stragischen Ausgang vorbereiten soll, das zwar
ein hübsches Fugato und auch sonst manch
guten Einfall enthält, dem aber der innere
organische Zusammenhang fehlt. Und im Ver¬
lauf des letzten Aktes wird wohl mancher sinn¬
lich-reiche Klang, manch fesselnde Wendung
erprobt, — aber die tiefere Wirkung bleibt aus.
Man fühlt nach wie vor das Vorhandensein
einer glänzenden dramatischen Technik, einer
Orchester-Routine und eines Charakterisierungs-
vermögens, das mehr gibt als „Kapellmeister¬
musik“, —
doch es fehlt das Zwingende, aus
Tiefen Schöpfende, das dieser Musik erst das
Weltbürger-Recht der Künstlerschaft verleihen
würde und das von dem Schauspiel verlangt
werden durfte. Der Erfolg war — wie bereits
erwähnt — sehr stark. Die Aufführung war
ausgezeichnet und offenbar mit großer Liebe
und Sorgfalt vorbereitet. Die Regie des Inten¬
danten Paul Jensen hatte für stimmungsvolle
Ausstattung und trotz der Größe des Raums
nach Möglichkeit intime Bühnenbilder gesorgt.
Dr. Ludwig Rottenberg holte aus dem trefflich
disponierten Orchester jegliche Klangschönheit
heraus und war doch auch gelegentlich auf gute
Diskretion seines Klanges bedacht. Mit der
Christine übertraf Lisbeth Sellin sich selbst.
Sie ist für solch sentimentale Gesangspartieen
geradezu prädestiniert, wie ihre „Melisande“ und
„Butterfly“ bereits bewiesen. Doch diesmal
hatte sie sich fast noch besser in die Gestalt
der gemütvollen Heldin eingelebt und ließ auch
gesanglich nichts zu wünschen übrig. Karl
Gentner, der den Fritz gab, ging mehr von dem
Temperament aus; er bot eine ungemein natür¬
liche und auch gesanglich sehr frische Leistung.
Das lustig belebende Gegenpaar fand in Lina
Doninger und Richard Breitenfeld gleich¬
falls tüchtige Interpreten. Und in den Neben¬
rallen bewährten sich Walter Schneider, Marie
Wellig und Friedrich Braun.
Theo Schäfer
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Telephon 12.7
UDSLRTER
1 österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitangs-Ausscheitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christlanis.
Oenk, Kopenhagen, Londen, Madrid, Mailand, Minneapolls,
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petere¬
burg, Toronto.
Gedlaurte. L.
Ausschnitt aus:
Die Musik, Berlin
vomn
atein Chlahar
LLLe
r auf bekker
ERANKFURT a. M.: Am Textbuch kranken
die meisten Opern der älteren und neueren
Zeit. Längst hat man diesen Mangel erkannt,
besonders als man zu fühlen begann, daß es
nicht mehr genügt, Worte singen zu lassen, die
zu dumm sind, um gesprochen zu werden.
Wagner und andere schrieben sich dann selbst
die Textdichtung, in dem künstlerischen Em¬
pfinden, daß Wort und Ton nach Möglichkeit
eines Geistes sein müssen. Doch da in unseren
Tagen nicht jeder Dichter ist, der Tondichter
sein möchte, hat man endlich mit dem poetischen
Gewissen der Zeit den Ausweg gefunden, bereits
vorliegende, literarisch wertvolle Texte als Opern
zu komponieren. Zu Debussy und Strauß gesellt
sich Franz Neumann, seit mehreren Jahren
zweiter Kapellmeister der Frankfurter Oper,
mit der Oper „Liebelei“ nach dem gleich¬
namigen Schauspiel von Arthur Schnitzler,
die am 18. September ihre Uraufführunger¬
lebte und einen großen, unbestrittenen Erfolg
davontrug. Es war ein guter Gedanke Neu¬
manns, der wie Schnitzler auch Wiener von
Geburt ist, daß er nach diesem ausgezeichneten
Stück griff. Den wienerischen Lokalton traf er
von vornherein. Für den Konversationsstil, in
dem er in der Hauptsache schreiben mußte,
gab es wohl Vorbilder; sie sin; hier mindestenst
erreicht, wenn nicht gar übertroffen durch die
Natürlichkeit der Diktion, durch die Frische der
Deklamation. Was die Erfindung im allgemeinen
betrifft, so finden sich einige gut getroffene
charakteristische Motive, die aber noch mehr
Verarbeitung und Vertiefung erfahren könnten.
Der Komponist hat das ganze Schauspiel in
jeder Einzelheit widerzuspiegeln gewußt; er
schöpft nur aus dem Geist der Dichtung, wenn
er im ersten Akt lebendig schildert, die lustige
Stimmung des Soupers der Freunde mit den
beiden lieben Mädeln aufglühen läßt, den Auf¬
tritt des beleidigten Ehegatten dramatisch ge¬
staltet, dann im zweiten Aufzug stets nach Mög¬
lichkeit der weichen Lyrik Raum läßt und die
Liebesseligkeit von Fritz und Christine in
reichen Farben schildert, wobei er ein allerdings
etwas billiges und wenig originelles Motiv ver¬
wendet. Jede Gelegenheit zum Ausspinnen
längerer melodischer Phrasen und Stimmungs¬
#malereien wird verwertet und das volle Or¬
chester zur Schilderung der seelischen Höhe¬
punkte herangezogen. Doch er findet in der
Folge leider keine Töne psychologischer Ver¬
Stiefung für die Heldin, was besonders im letzten
Akt empfindlich fühlbar wird. Er beginnt ihn
Emit einem längeren Vorspiel, das wohl den
Stragischen Ausgang vorbereiten soll, das zwar
ein hübsches Fugato und auch sonst manch
guten Einfall enthält, dem aber der innere
organische Zusammenhang fehlt. Und im Ver¬
lauf des letzten Aktes wird wohl mancher sinn¬
lich-reiche Klang, manch fesselnde Wendung
erprobt, — aber die tiefere Wirkung bleibt aus.
Man fühlt nach wie vor das Vorhandensein
einer glänzenden dramatischen Technik, einer
Orchester-Routine und eines Charakterisierungs-
vermögens, das mehr gibt als „Kapellmeister¬
musik“, —
doch es fehlt das Zwingende, aus
Tiefen Schöpfende, das dieser Musik erst das
Weltbürger-Recht der Künstlerschaft verleihen
würde und das von dem Schauspiel verlangt
werden durfte. Der Erfolg war — wie bereits
erwähnt — sehr stark. Die Aufführung war
ausgezeichnet und offenbar mit großer Liebe
und Sorgfalt vorbereitet. Die Regie des Inten¬
danten Paul Jensen hatte für stimmungsvolle
Ausstattung und trotz der Größe des Raums
nach Möglichkeit intime Bühnenbilder gesorgt.
Dr. Ludwig Rottenberg holte aus dem trefflich
disponierten Orchester jegliche Klangschönheit
heraus und war doch auch gelegentlich auf gute
Diskretion seines Klanges bedacht. Mit der
Christine übertraf Lisbeth Sellin sich selbst.
Sie ist für solch sentimentale Gesangspartieen
geradezu prädestiniert, wie ihre „Melisande“ und
„Butterfly“ bereits bewiesen. Doch diesmal
hatte sie sich fast noch besser in die Gestalt
der gemütvollen Heldin eingelebt und ließ auch
gesanglich nichts zu wünschen übrig. Karl
Gentner, der den Fritz gab, ging mehr von dem
Temperament aus; er bot eine ungemein natür¬
liche und auch gesanglich sehr frische Leistung.
Das lustig belebende Gegenpaar fand in Lina
Doninger und Richard Breitenfeld gleich¬
falls tüchtige Interpreten. Und in den Neben¬
rallen bewährten sich Walter Schneider, Marie
Wellig und Friedrich Braun.
Theo Schäfer