II, Theaterstücke 5, Liebelei. Schauspiel in drei Akten, Seite 947

5. Liebeler
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Ausdruck in Tönen zu finden. Franz
Neumann, ein geborener Oesterreicher und
Schüler des Leipziger Konservatoriums, wo er
bei Reinicke und Jadassohn seine Studien
machte, wirkt seit 1904 in Frankfurt als Opern¬
dirigent, ist aber auch schon als Komponist mit
einer erfolgreich aufgeführten Oper „Die Braut¬
werbung“ wie mit andern Werken an die
Oeffentlichkeit getreten. Wenn auch nicht zu
leugnen ist, daß Neumann bei seiner neuesten
Opernschöpfung von vornherein einen mächtigen
Bundesgenossen in dem Umstand gefunden hat,
daß bei der Suche nach einem geeigneten
Libretto seine Wahl auf eines der besten
Erzeugnisse der neueren dramatischen Dichtung
und eines der beliebtesten Repertoirestücke
unserer Schauspielhäuser gefallen ist, so ist doch
sein neuestes Opus, auch vom absolut musikali¬
schen Standpunkte aus betrachtet, als ein
hervorragend glücklicher Wurf anzusprechen und
als die Arbeit eines ernsten und gediegenen
Fachmusikers zu bezeichnen. Die berufsmäßige
langjährige Ausübung der Dirigententätigkeit
läßt uns Neumann naturgemäß in seinem
musikalischen Schaffen als Eklektiker erscheinen:
er schwört weder zur Fahne der Hypermodernen,
noch wandelt er die alten ausgetretenen Gleise
einer heute nicht mehr dem herrschenden Kunst¬
geschmack zusagenden musikalischen Richtung.
Dagegen hat er es verstanden, seine im Laufe
der Zeit erworbenen reichen Kenntnisse und
praktischen Erfahrungen auf dem Gebiete des
Opernwesens sich in seinem neuesten Werke
mit bestem Gelingen zunutze zu machen und
denselben gleichsam konzentrierten Ausdruck zu
verleihen, ohne dabei auf eine ausgesprochen
persönliche Note zu verzichten und seine künst¬
lerische Selbständigkeit preiszugeben. Dies gilt
sowohl bezüglich der musikalischen Erfindung,
die nirgendwo träg und spärlich fließt, sondern
die ihm frisch=lebendig und vollkommen natürlich
aus seinem reichen Melodienschatze quillt, wie
auch hinsichtlich der interessanten thematischen
Arbeit, der ganzen, ein beachtenswertes Können
bekundenden Orchestertechnik und der zahlreichen
Feinheiten und Schattierungen, die in den Details,
den Klangmischungen und den erzielten Instru¬
mentaleffekten zutage treten und dem Werke
einen aparten Reiz verleihen. Das Libretto
erscheint glatt durchkomponiert und meidet völlig
die geschlossene Form. Zu dem Parlando=Stil
der meisten Szenen, der nur hier und da, vor¬
nehmlich im ersten Aufzuge, etwas monoton
wirkt, bildet das Orchester die breite sinfonische,
farbenreiche und illustrierende Grundlage; es
erhebt sich in den bedeutsamen Momenten der
Handlung stellenweise zu wahrhaft hinreißendem¬
Schwung und zu glänzend pathetischer Kraft
und Ausdrucksgewalt der Tonsprache. Die
Höhepunkte des Liebesdramas sind in ihrer
tragischen Größe und Bedeutung unter Auf¬
bietung des ganzen komplizierten modernen
Orchesterapparats höchst eindrucksvoll zur
Geltung gebracht und kontrastieren wirksam
mit dem leichten musikalischen Plauderton, den
der Komponist speziell in den Eingangsszenen
der Exposition anschlägt und mit dem sinnlichen
Wohllaut und den zahlreichen Lprismen, in die
die große Liebesszene im 2. Aki getaucht erscheint;
bei der Schilderung und Ausmalung seelischer
Dorgänge hat der Komponist freilich in der
Entfaltung instrumentaler Mittel manchmal des
Guten etwas zu viel getan. Don nachdrücklichster
musikalisch=klanglicher Wirkung ist u. a. der
Moment, wo der betrogene und Genugtnung
fordernde Gatte in der Wohnung des Liebhabers
seiner Frau erscheint. Alles in allem kann
man wohl sagen, daß das bekannte Schnitzlersche
Stück durch die Dertonung, die es in der geschickten
künstlerisch verständigen hand Neumanns
erfahren hat, für die Zukunft nur gewinnen
wird und auch in der Form als Oper seinen
Weg über die deutschen Bühnen machen dürfte.
Die Aufführung des neuen Werkes, der beide
Antoren beiwohnten, hatte einen vollen und
durchschlagenden Erfolg, der nicht nur einem
lokalen Interesse entsprang und nicht zum
wenigsten der gelungenen Wiedergabe der
Hauptrollen durch die Damen Sellin und
Doninger und die Herren Genter Breiten¬
feld, Braun und Schneider und der fein¬
sinnigen musikalischen Leitung des Herrn
Dr. Rottenberg zu danken war. Für die
geschmackvolle und stimmungsreiche mise-en¬
scène zeichnete Herr Intendant Haul Jensen
in Person.
C. Droste.