iebele
5. L. box 12/1
44
26
Liebelei und Königskinder
von Fritz Jacobsohn
frihür Schiitlers iebelei zu veropern, konnte nur einem
literarisch ganz'haiven oder einem spekulativen Kopf in den
D Sinn kommen; oder einem, bei dem sich Naivität mit Spe¬
kulation mischt. Solche Mischung fand sich in dem bisher nur in der
Provinz gefeierten Kapellmeister Franz Neumann, und das Opfer
dieser Mischung ist eben der Dichter Arthur Schnitzler geworden.
Man braucht von der Dichtung „Liebelei“ nicht übertrieben hoch zu
denken. Sie hat einen, wenn auch nicht unliebenswürdigen, Stich
ins Kleinbürgerliche und einen kräftigen Schuß Sentimentalität, die
das Rassenmerkmal Schnitzlers ist. Trotzdem ist es ein Stück, das
uns nahegeht. Still erzählt es von der Enttäuschung eines lieben
Mädels; und im Hintergrund spielt sich inzwischen eine Tragödie ab.
Dem Dichter ist es da gelungen, in schlichter und knapper Form, ohne
viel Pathos und doch mit Ergriffenheit, ein kleines Drama aus dem
Alltagsleben zu gestalten.
Ein ernsthafter Komponist mußte voraussehen: hier kann die
Musik nur stören. Noch dazu, wenn man, nach berühmten Mustern,
eine Verpflanzung von der Schauspielbühne auf die Opernbühne
vornehmen wollte, ohne die ursprüngliche Form anzutasten. Aus
drei gesprochenen Akten werden sechs, sobald man die Leute
singen läßt. Es wäre ungerecht, von dem Erstling eines Unbekannten
eine Musik zu verlangen, die so beschaffen ist, daß sie alle drama¬
turgischen Bedenken zum Schweigen bringt. Die Musik Neumanns
ist als Talentprobe eines Mannes zu begrüßen, dem vielleicht noch
einmal geholfen werden kann. Aber gut ist sie keineswegs. Sie
zieht nieder, statt zu erheben; unterstreicht Kleinigkeiten, tritt sie
breit und beklebt alles mit hinlänglich bekannten Etiketten. Man
sucht nach einem Ton, der tönet. Bei aller Kunstfertigkeit der
Mache ist die Sprache des Komponisten von erschreckender Charakter¬
losigkeit. Mit schneller Hand hat er für seine Figuren einige Motive
herbeigeholt, deren Herkunft überdeutlich zwischen Biergarten und
Verismus liegt. Dem Ganzen fehlt jede bestimmte Färbung, den
heitern Szenen jede Anmut, und vieles ist so ungeschickt gemacht, daß
es unfreiwillig komisch wirkt.
Nur der Aufführung, der letzten, die Gregor leitete, war es
zu verdanken, daß die vielen Klippen umschifft und das Ganze leidlich
gerettet wurde. Die Komische Oper gab dem Werk ein schönes
Kleid und ihre besten Kräfte. Trotzdem kann man sagen, daß Neu¬
manns „Liebelei“ viel mehr in eine Volksoper, als in den Rahmen
gerade unsrer Komischen Oper paßt. Sie mühten sich alle ehrlich:
102
5. L. box 12/1
44
26
Liebelei und Königskinder
von Fritz Jacobsohn
frihür Schiitlers iebelei zu veropern, konnte nur einem
literarisch ganz'haiven oder einem spekulativen Kopf in den
D Sinn kommen; oder einem, bei dem sich Naivität mit Spe¬
kulation mischt. Solche Mischung fand sich in dem bisher nur in der
Provinz gefeierten Kapellmeister Franz Neumann, und das Opfer
dieser Mischung ist eben der Dichter Arthur Schnitzler geworden.
Man braucht von der Dichtung „Liebelei“ nicht übertrieben hoch zu
denken. Sie hat einen, wenn auch nicht unliebenswürdigen, Stich
ins Kleinbürgerliche und einen kräftigen Schuß Sentimentalität, die
das Rassenmerkmal Schnitzlers ist. Trotzdem ist es ein Stück, das
uns nahegeht. Still erzählt es von der Enttäuschung eines lieben
Mädels; und im Hintergrund spielt sich inzwischen eine Tragödie ab.
Dem Dichter ist es da gelungen, in schlichter und knapper Form, ohne
viel Pathos und doch mit Ergriffenheit, ein kleines Drama aus dem
Alltagsleben zu gestalten.
Ein ernsthafter Komponist mußte voraussehen: hier kann die
Musik nur stören. Noch dazu, wenn man, nach berühmten Mustern,
eine Verpflanzung von der Schauspielbühne auf die Opernbühne
vornehmen wollte, ohne die ursprüngliche Form anzutasten. Aus
drei gesprochenen Akten werden sechs, sobald man die Leute
singen läßt. Es wäre ungerecht, von dem Erstling eines Unbekannten
eine Musik zu verlangen, die so beschaffen ist, daß sie alle drama¬
turgischen Bedenken zum Schweigen bringt. Die Musik Neumanns
ist als Talentprobe eines Mannes zu begrüßen, dem vielleicht noch
einmal geholfen werden kann. Aber gut ist sie keineswegs. Sie
zieht nieder, statt zu erheben; unterstreicht Kleinigkeiten, tritt sie
breit und beklebt alles mit hinlänglich bekannten Etiketten. Man
sucht nach einem Ton, der tönet. Bei aller Kunstfertigkeit der
Mache ist die Sprache des Komponisten von erschreckender Charakter¬
losigkeit. Mit schneller Hand hat er für seine Figuren einige Motive
herbeigeholt, deren Herkunft überdeutlich zwischen Biergarten und
Verismus liegt. Dem Ganzen fehlt jede bestimmte Färbung, den
heitern Szenen jede Anmut, und vieles ist so ungeschickt gemacht, daß
es unfreiwillig komisch wirkt.
Nur der Aufführung, der letzten, die Gregor leitete, war es
zu verdanken, daß die vielen Klippen umschifft und das Ganze leidlich
gerettet wurde. Die Komische Oper gab dem Werk ein schönes
Kleid und ihre besten Kräfte. Trotzdem kann man sagen, daß Neu¬
manns „Liebelei“ viel mehr in eine Volksoper, als in den Rahmen
gerade unsrer Komischen Oper paßt. Sie mühten sich alle ehrlich:
102